Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Russland drängt mit Impfstoff „Sputnik V“auf den Markt
Die Wirksamkeit ist jedoch umstritten und es fehlen Produktionskapazitäten. Die für Oktober angekündigten Massenimpfungen wurden verschoben.
MOSKAU Mehr als 1,9 Millionen Menschen haben sich in Russland mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 22.000 stecken sich seit Ende vergangener Woche täglich neu an. Weltweit liegt Russland inzwischen an fünfter Stelle der von der Pandemie am härtesten betroffenen Länder. Offiziell hat Moskau bislang 32.000 Tote zu beklagen, tatsächlich dürften die Zahlen höher ausfallen.
Im August gab Präsident Wladimir Putin stolz bekannt, Russland hätte gegen Covid-19 ein Serum entwickelt. Damit war es das erste Land, das einen Corona-impfstoff registrieren ließ. Dessen schillernder Name: „Sputnik V“. Dieser hat schon einmal für Aufruhr gesorgt: Mit dem ersten künstlichen Erdsatelliten löste die Sowjetunion in den 50er-jahren im Westen den Sputnik-schock aus.
Auch die Entwicklung des Serums folgt harten Wettbewerbsbedingungen. Moskau umging die dritte Testphase bei der Zulassung im Sommer, um sich als Wissenschaftsgroßmacht und Marktführer zu empfehlen. Noch wird das Serum an 40.000 Freiwilligen getestet. Der Vektor-impfstoff wurde am Gemaleja-institut für Epidemiologie in Moskau entwickelt. Am Tag zuvor hatten der Us-konzern Pfizer und das deutsche Unternehmen Biontech einen Rna-impfstoff vorgestellt. Dem wollte das Gemaleja-institut nicht nachstehen: „Sputnik V“soll eine Wirksamkeit von 92 Prozent haben, die Konkurrenz brachte es nur auf 90 Prozent.
Selbst russische Instanzen scheinen die Entwicklung des Serums kritischer zu sehen. So wurde aus der sibirischen Region Altai berichtet, dass sich mindestens drei zuvor mit „Sputnik V“geimpfte Mediziner mit dem Virus angesteckt hätten. Eine Woche nach der Injektion seien sie krank geworden. Die Behörden im Altai schlossen daraus zunächst, dass sich noch keine Immunität hatte aufbauen können.
Der Kreml hatte bereits für Oktober Massenimpfungen angekündigt, musste diese aber verschieben. Ob sie nun im Januar oder Februar stattfinden können, wie es das Gemaleja-institut vorsieht, bleibt weiterhin umstritten. Kreml-sprecher Dmitri Peskow wollte sich auch nicht festlegen und sprach von einem Start in „den nächsten Monaten“. Schon im Oktober hatte Wladimir Putin angedeutet, dass es Probleme mit der „Kapazität von Apparaturen“gäbe. Schwierigkeiten scheinen auch bei der Stabilität des Serums aufzutreten. Noch ist unklar, ob nach der Abfüllung alle Ampullen von gleichbleibender Qualität sind. Auch sollen die großen Bioreaktoren in Russland noch fehlen, in denen der Impfstoff literweise verlängert werden kann. Daher soll Putin schon beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron angefragt haben, ob Paris bei der Massenproduktion des Serums behilflich sein könne. Eine Antwort steht noch aus.
In der vergangenen Woche einigten sich dann Russland und Südkorea über die Produktion von jährlich 150 Millionen Dosen von „Sputnik V“. Laut dem Us-chefvirologen Anthony Fauci birgt „Sputnikv“gegenüber der Konkurrenz einen deutlichen Vorteil: Das Pfizer-vakzin muss bei minus 70 Grad gelagert werden. Ärmere Staaten könnten damit überfordert sein. Dem russischen Präparat reicht Raumtemperatur.