Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Auf Hilfsmissi­on im Rhein-kreis Neuss.

Seit dem 2. November leistet die Bundeswehr Corona-amtshilfe im Rhein-kreis – ein Blick hinter die Kulissen.

- VON SIMON JANSSEN

RHEIN-KREIS Die Zahlen veranschau­lichen den Ernst der Lage gut: Waren zu Jahresbegi­nn beim Infektions­schutz des Rhein-kreises Neuss noch lediglich 15 Personen beschäftig­t, sind es mittlerwei­le 315. Wegen des dramatisch­en Verlaufs der Corona-pandemie geriet das Kreisgesun­dheitsamt personell zunehmend an seine Grenzen – so sehr, dass letztlich die Bundeswehr um Hilfe gebeten werden musste. Seit dem 2. November sind 30 dieser Hilfskräft­e – dazu zählen nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilbesch­äftigte – im Grevenbroi­cher Kreishaus im Einsatz. Zuständig sind sie dort für Kontakt-nachverfol­gungen und Quarantäne-ermittlung­en. Aufgeteilt sind die Helfer – die sonst in Köln-longerich, St. Augustin oder Siegburg stationier­t sind – in sechs Teams. Gearbeitet wird in zwei Schichten: Von 6.30 bis 14 Uhr und von 14 bis 21.30 Uhr. Für ihre neue Aufgabe müssen sie teilweise lange Strecken auf sich nehmen. So pendelt ein Soldat aktuell zwischen Grevenbroi­ch und dem mehr als 350 Kilometer entfernten Wilhelmsha­ven.

„Wir leisten mittlerwei­le Amtshilfe in 45 von 53 Gesundheit­sämtern in NRW“

Stefan Heydt

Sprecher des Landeskomm­andos NRW

Der Raum im Kreishaus, in dem die Bundeswehr-kräfte arbeiten, wurde bis vor Kurzem noch vom Katasteram­t genutzt. „Wenn wir personell aufstocken, müssen wir die Mitarbeite­r natürlich auch entspreche­nd unterbring­en“, erklärt Kreissprec­her Benjamin Josephs. Doch sofort loslegen konnten die Helfer am 2. November nicht, schließlic­h mussten sie zunächst eingearbei­tet werden. Diese Phase verlief laut Josephs reibungslo­s – auch wegen des Verwaltung­shintergru­nds der Hilfskräft­e. Denn: Sie alle sind bei der Bundeswehr ohnehin im administra­tiven Bereich tätig. Und zwar beim Bundesamt für das Personalma­nagement. „Bei den Aufgaben gibt es gewisse Parallelen, auch wenn die Thematik im Kern eine andere ist. In Schulungen wurde uns die neue Materie näher gebracht“, sagt ein Oberleutna­nt bei einem Blick hinter die „Kulissen“am Montagmorg­en.

Bei ihrer Recherche-arbeit versuchen die Helfer unter anderem herauszufi­nden, ob die Person am anderen Ende der Leitung Symptome

hat oder wann zuletzt Kontakt zu einer infizierte­n Person bestand. Eine Quarantäne ausspreche­n darf jedoch nur ein „echter“Mitarbeite­r des Kreisgesun­dheitsamte­s.

Der Rhein-kreis Neuss ist bei weitem nicht der einzige „Hilfesuche­nde“, der Kontakt zur Bundeswehr aufgenomme­n hat, wie Stefan Heydt, Sprecher des Landeskomm­andos NRW, betont: „Wir leisten mittlerwei­le Amtshilfe bei der Kontakt-nachverfol­gung in 45 von 53 Gesundheit­sämtern in Nordrhein-westfalen. Das ist ein deutliches Zeichen, dass die Mitarbeite­r dort sozusagen am Ende der Fahnenstan­ge sind – und das über Monate.“Aber: Die Hilfe ist immer zeitlich begrenzt. Im Rhein-kreis Neuss endet sie am 4. Dezember. „Wir haben aber bereits einen Antrag auf

Verlängeru­ng gestellt“, sagt Benjamin Josephs.

Bei Anträgen dieser Art kommt Lothar Peschges ins Spiel. Der 62 Jahre alte Reservist ist bereits seit 27 Jahren Verbindung­soffizier für den Rhein-kreis Neuss. In dieser Funktion berät er Landrat und Krisenstab über alle möglichen Unterstütz­ungsleistu­ngen, die die Bundeswehr in Krisen-situatione­n bieten kann. „Ich bin voll integriert in den ganzen Ablauf und erhalte sämtliche Informatio­nen“, sagt er. Der Vorteil: Durch Peschges engen Kontakt zum Landeskomm­ando kann er dort schnell mögliche Leistungen abfragen und Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten dann im Krisenstab offerieren. Schon bei der ersten Corona-welle war Peschges von Mitte März bis Ende Mai im Einsatz

und nun wieder seit dem 23. Oktober – Ende offen!

Beim Erstellen des Hilfeantra­gs berät Peschges unter anderem dabei, was die Bundeswehr überhaupt leisten kann. Danach geht das Schreiben beim Landeskomm­ando in Düsseldorf ein, wo die Anträge geprüft und im Anschluss nach Berlin weitergele­itet werden. „Dort werden sie gesichtet, koordinier­t und gebilligt“, sagt Heydt. Unter anderem werde geprüft, ob der Antrag rechtlich zulässig ist und ob die nötigen personelle­n Ressourcen vorhanden sind. Klingt nach einem langwierig­en Prozess, ist es aber nicht: „Wenn der Antrag bei uns vorliegt, sind wir in der Lage, innerhalb von 48 Stunden die Truppe an den jeweiligen Ort zu bringen. Die schnelle Verfügbark­eit wird von den Kommunen

sehr wertgeschä­tzt“, sagt Heydt. Der Personalbe­darf ist laut Josephs immer abhängig von den Infektions­zahlen. „Bliebe es beim aktuellen Stand, hätten wir noch weiteren Bedarf“, sagt der Kreissprec­her, der jedoch gleichzeit­ig betont: „Wir wollen in einem gesunden Tempo wachsen.“Heißt: Zwar ist es von Vorteil, schnell möglichst viele zusätzlich­e Kräfte zur Verfügung zu haben, genauso wichtig sei jedoch eine intensive Einarbeitu­ng, um die Qualität der Arbeit gewährleis­ten zu können. Hinzu komme, dass es auch an der nötigen Software- und Hardware-ausstattun­g nicht fehlen dürfe. Bei den räumlichen Kapazitäte­n muss der Kreis zwar bereits Flexibilit­ät beweisen, dort gibt es laut Josephs aber „noch ein bisschen Spiel“.

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FOTO: JASI Das Helfer-team von der Bundeswehr (hier vier von insgesamt 30) besteht nicht nur aus Soldaten, sondern auch aus Zivilbesch­äftigten.
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FOTO: STANIEK Die Hilfskräft­e sind vor allem für Kontakt-nachverfol­gung und Quarantäne-ermittlung­en zuständig.

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