Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eine deutsch-japanische Liebesgeschichte
Seit 1977 sind Kunio und Gisela Nagaoka verheiratet. Diese deutsch-japanische Ehe wäre beinahe nicht zustande gekommen. Denn bevor Kunio Nagaoka nach Deutschland kam, sollte er eigentlich in die USA fliegen.
KAARST Japanisch gestaltete Bilder und gebastelte Martinslaternen geben sich ein friedliches Stelldichein im Haus von Gisela und Kunio Nagaoka: „Die Laternen sind noch von unseren Kindern“, sagt Gisela Nagaoka lachend. Sowohl das Haus als auch das Ehepaar strahlen eine harmonische deutsch-japanische Koexistenz aus und die gemeinsame Geschichte hört sich an wie ein Filmskript.
Kunio Nagaoka kommt 1945 in einem kleinen Dorf nördlich von Tokio zur Welt. Er studiert Halbleitertechnik und wird Ingenieur. Mit 21 Jahren arbeitet er in der Entwicklungsabteilung einer Firma in Tokio. Er wähnt sich am Karriereende, als er nach ein paar Jahren in den Vertrieb wechseln und im Ausland arbeiten soll: „Du gehst nach New York“, wird ihm knapp mitgeteilt. Ein dreiwöchiger Crash-kurs in Englisch und ein einziger Besuch in einem westlichen Restaurant – die richtige Handhabe von Messer und Gabel und das Nicht-schlürfen von Suppe werden geübt – bereiten ihn auf das neue Leben vor. Kurz vor der Abreise nach Amerika heißt es: Planänderung! Kunio Nagaoka muss nach Düsseldorf – ohne ein einziges Wort Deutsch zu können. Der junge Japaner verlässt 1971 mit dem Flug nach Düsseldorf zum ersten Mal in seinem Leben die Heimat.
Gemeinsam mit einem Kollegen bezieht er in Düsseldorf ein kleines Büro und wohnt im Hotel: „Mein Leben änderte sich um 180 Grad“, resümiert Kunio. Er sucht sich drei Restaurants und lernt anhand der Speisekarten einzelne deutsche Wörter. Nach einem halben Jahr vermittelt ihm die Sekretärin ein Zimmer
bei einer Familie. Die freundliche Dame des Hauses übt täglich mit ihm während des Frühstücks Deutsch. Noch ahnt Kunio nicht, dass sie einmal seine Schwiegermutter sein wird: „Meine Mutter hat damals unwissentlich modernen Sprachunterricht gemacht“, erinnert sich Gisela. Die damals 16-jährige wohnt noch zu Hause. Sie hat einen Freund und Kunio zieht lieber mit dem ältesten Sohn der Familie durch das Düsseldorfer Nachtleben. Doch nach gut zwei Jahren trifft Amors Pfeil beide mitten ins Herz und sie werden ein Paar: „Ein Jahr lang haben wir uns nur auf Englisch verständigt – von heute auf morgen dann auf Deutsch“, erzählt Gisela. Nach einigen Jahren beziehen sie eine eigene Wohnung und 1977 wird geheiratet. Kunios Schwester besorgt die notwendigen Papiere, denn seine Mutter weigert sich kategorisch: Für sie war eine deutsche Frau ein „Weltuntergang“, sagt Kunio Nagaoka.
Ein Jahr später reist das junge Ehepaar erstmals gemeinsam nach Japan, wo nochmal eine Hochzeitszeremonie stattfindet – Gisela trägt dabei stilecht einen schweren Kimono. Ende 1977 wird das eigene Haus in Kaarst bezogen, 1979 und 1980 werden die Töchter geboren. Kunios Beruf sorgt für Aufenthalte in Japan und Paris, ehe er alleine in Tokio, England und München arbeitet, während sein „Dreimädelhaus“in Kaarst wohnt. Gisela übt in dieser Zeit auch ihren Beruf als Grundschullehrerin aus. Seit rund zwanzig Jahren lebt das Ehepaar nun dauerhaft in Kaarst: Zwei Kulturen unter einem Dach erfordern bei aller Liebe ein hohes Maß an Toleranz und Akzeptanz, meint Kunio. Entscheidend ist auch, dass jeder im Land des anderen gelebt habe, ergänzt Gisela. Auch die Töchter sind mit Japanern verheiratet. Und die beiden Enkelsöhne leben in Tokio – aber wenn sie Opa und Oma in Kaarst besuchen, sprechen sie deutsch.