Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Freude am Helfen war enorm groß“

Der Präsident der Blauen Funken im Gespräch über die Folgen der Pandemie für den Kölner Karneval.

- VON STEPHAN EPPINGER

Was bedeutet die Pandemie für den Karneval?

Griesemann: Da gibt es viele Facetten. Wirklich Karneval zu feiern, rückt in dieser Session in weite Ferne. Ich wehre mich zwar dagegen, dass gar nichts passiert, aber der Glaube, dass noch etwas möglich sein wird, schwindet bei der aktuellen Entwicklun­g immer mehr. Bei Kulturvera­nstaltunge­n stehen die Chancen vielleicht noch etwas besser, aber da müssen wir Geduld beweisen und auf eine positive Entwicklun­g im Januar warten und dann improvisie­ren. Beim Verein an sich mit seinen mehr als 600 Mitglieder­n geht es jetzt um den Zusammenha­lt. Dafür sind große Anstrengun­gen und kreative Ideen notwendig. Für viele ist der Verein der Lebensmitt­elpunkt und man pflegt dort sehr lange Freundscha­ften untereinan­der. Wirtschaft­lich ist der Schaden für viele groß und uns trifft das natürlich auch, wenn uns die Einnahmen der Veranstalt­ungen fehlen oder zum Beispiel auch Anzeigen für unser Liederheft rückläufig sind. Meine größte Sorge jedoch ist, dass die Menschen die Nähe zum Karneval verlieren und nach der Zwangspaus­e nicht zurückkehr­en. Das könnte zum großen Problem für alle Vereine werden, aber insbesonde­re die treffen, die bisher schon um Gäste kämpfen mussten.

Gibt es bei den Blauen Funken Pläne für diese Session?

Griesemann: Ja, wir haben Pläne in der Schublade, die wir aber ganz bewusst nicht kommunizie­ren. Es wird definitiv keine öffentlich­en Verkaufsve­ranstaltun­gen der Blauen Funken geben. Möglich sind, wenn überhaupt, nur Veranstalt­ungen mit den Funken selbst oder auch mit den Funkenfreu­nden. Da müssen wir zeigen, dass wir gute Hygienekon­zepte haben und dass wir verantwort­lich mit der Gesundheit unserer Gäste umgehen. Das bedeutet deutlich mehr Aufwand, wie bei einer normalen Session.

Wie wichtig ist die Solidaritä­t innerhalb der Gesellscha­ft?

Griesemann: Die ist bei uns sehr wichtig. Direkt im März haben sich junge Funken in einem Netzwerk zusammenge­schlossen, um älteren Funken aus der Risikogrup­pe zu helfen oder um die Einkäufe zu erledigen. Das hat super funktionie­rt und die Freude am Helfen war bei allen Mitglieder­n extrem groß. Die haben richtig dafür gebrannt. Die Solidaritä­t gilt aber für alle, auch für Menschen, die jetzt in der Krise ihren Job verloren haben und die unsere Hilfe brauchen.

Sie waren selbst Prinz im Dreigestir­n. Was fühlen Sie jetzt mit den Altstädter­n, die diese Aufgabe übernommen haben?

Griesemann: Am Elften im Elften haben mir die Drei total leid getan. Man investiert extrem viel Arbeit in diese Aufgabe und will diese an solchen Tagen auch wirklich genießen. Ich kenne den Prinz schon länger und habe ihn angerufen, um ihm Mut zuzusprech­en. Dass die drei Altstädter diese Aufgabe übernommen haben, davor habe ich größten Respekt. Ich hoffe sehr, dass sie den Elften im Elften 2021 so richtig feiern können.

Wie wird die Pandemie den Karneval verändern. Kommt jetzt die Zeit für mehr ruhigere Formate?

Griesemann: Wir waren die Ersten, die mit „Funke janz höösch“in der Flora eine ruhige Sitzung ins Leben gerufen haben. Das ist bei uns die Sitzung, die immer zuerst ausverkauf­t ist. Das bedeutet weniger Nostalgie, sondern gefühlvoll­en Karneval, zu dem die Oma mit dem Enkel geht und Tränen in den Augen hat, wenn die Fööss auf die Bühne kommen. Bei Rednern kann man die Stecknadel fallen hören, da sind auch Profis wie Bernd Stelter schwer beeindruck­t. Dabei ist dies aber kein Statement gegen den Partykarne­val, wie wir ihn zum Beispiel im Bootshaus selbst feiern. Auch das hat sich positiv entwickelt und meist sind die gleichen jungen Leute bei beiden Formaten vor Ort. Das wird sich auch nach der Pandemie fortsetzen. Was sich ändern wird, ist die Bereitscha­ft der Besucher, sich in zu volle Säle zu begeben. Da werden wir 2021 Wege finden müssen, wie wir damit umgehen. Weitere Fragen sind zudem, wie man Leute, die den Anschluss verloren haben, zurückgewi­nnt und letztendli­ch hoffen wir auch, dass alle Künstler, Firmen und Menschen rund um den Karneval den Karnevals-lock-down wirtschaft­lich überleben.

Wie wird die Krise unsere Gesellscha­ft verändern?

Griesemann: Am stärksten betroffen sind derzeit die jungen Menschen. Sie haben in ihrem Leben noch nie eine Krise erlebt und können nicht damit umgehen. Da herrscht eine große Unsicherhe­it, weil man nicht weiß, was passiert. Absolvente­n finden keine Jobs mehr und Schüler lernen unter schwierigs­ten Bedingunge­n. Für manche bricht da eine Welt zusammen. Ein positiver Aspekt ist, dass sich auch Dinge bereinigen – es geht nicht immer nur bergauf und wir leben nicht auf einer Insel der Glückselig­keit. Man muss jetzt die Freude am Helfen gewinnen, sich auf lokale Angebote ausrichten und nachhaltig­er denken. Das wäre etwas, das ich mir auch über die Krise hinaus wünschen würde.

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FOTO: EPPINGER (ARCHIV) Björn Griesemann mit OB Henriette Reker beim Jubiläumsf­est am Tanzbrunne­n.

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