Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Manchmal habe ich richtig Heimweh“

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Ältere Menschen gehören in der Pandemie zur Hochrisiko-Gruppe. In Senioren- und Pflegeheim­en gelten deshalb besonders strenge Regeln: kaum Besuche, keine Feiern oder Ausflüge. Drei Bewohner eines Kölner Heims erzählen, wie es ihnen geht.

und nicht alles wieder komplett zugemacht wird.

An Weihnachte­n bin ich eigentlich bei den Kindern, aber ich werde nirgendwo hingehen. Ich habe zu viel Angst, irgendetwa­s ins Haus zu bringen. Früher bin ich viel gereist, mit meinem Mann, aber auch alleine mit Reisegrupp­en. Ich habe mir die ganze Welt angeschaut. Jetzt müssen wir erst mal mit Corona fertig werden. Aber wenn ich noch einmal reisen dürfte, würde ich gerne Abschied von den Alpen nehmen.“

Elfriede Hinrichsen (80) „Es ist eine schlimme Zeit, aber ich habe ja auch den Krieg erlebt, das war noch viel schlimmer. Ich glaube, Corona wird uns noch lange beschäftig­en. Die Kneipen und Gaststätte­n bleiben sicher zu, die kleinen Betriebe gehen bestimmt alle baden. Wegen Corona bin ich viel allein. Ich habe zwar viele Freunde, aber die sind ja auch alle in meinem Alter und haben Angst, sich anzustecke­n. Mein Mann ist 1993 gestorben. Ich habe nur noch eine Cousine, die kommt jetzt wieder jede Woche. Eigentlich haben wir hier viele Veranstalt­ungen: Sommerfest, Herbstfest, Elfter im Elften und einen Weihnachts­markt. Das wurde alles abgeblasen.

Ich schaue viel Fernsehen und lese Bücher. Den Jauch guck’ ich gerne mit seiner Ratesendun­g oder auch ‚Bauer sucht Frau’, das schau’ ich halt, weil es lustig ist. Ich habe bei der Bundesbahn gearbeitet, als Fernschrei­berin und Telefonist­in. Bis 1997. Weil ich mit meiner Arthrose die Treppen nicht mehr hochkam, musste ich umziehen ins Heim. Weihnachte­n verbringe ich auch hier. Die Betreuerin­nen werden alles schön schmücken, dann essen wir Abendbrot, vielleicht gibt es was Besonderes. Danach schau ich ein bisschen Fernsehen und gehe ins Bett, so ist es eben. An den Adventswoc­henenden soll es einen Weihnachts­markt ‚To go’ geben, da kann ich mir dann einen Glühwein und Lebkuchen aufs Zimmer bestellen. Vielleicht kommt wieder eine bessere Zeit.“

Wilhelm Schmidt (91) „Ich habe noch nie so eine Isolation erlebt wie in diesem Jahr. Man muss mit sich allein sein können. Ich kann das. Ich höre Mozart und Beethoven und lese Kant und viel Goethe. Wenn ich Glück habe, bringt meine Frau mir eine gute Zeitung mit, damit bin ich dann ein paar Stunden beschäftig­t. Sie lebt zwei Kilometer entfernt in unserer Wohnung in der Südstadt.

Mein Erinnerung­svermögen ist inzwischen ganz schlecht, aber meine Frau ist mein Gedächtnis. Sie leidet viel mehr als ich unter der Situation. Sie sagt, dass sie bei jedem Einkauf Angst hat, dass sie mich hinterher anstecken könnte. Eigentlich ist sie gern unter Leuten, das ist alles schwierig für sie. Im Frühjahr durften wir ein paar Wochen lang ja gar keinen Besuch bekommen. Aber

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