Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
So geht es über Donezk ins Achtelfinale
Borussia Mönchengladbach hat vor den Rückspielen eine gute Ausgangslage in der Champions League.
MÖNCHENGLADBACH Ob er, wurde Trainer Luis Castro gefragt, einen Punkt nehmen würde im Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Borussia Mönchengladbach (18.55 Uhr/Dazn), wenn ihm dieser vorab als Mitbringsel vom Niederrhein angeboten würde. Der Trainer des ukrainischen Serienmeisters aus dem Kohlerevier Donbass tief im Osten des Landes wollte sich auf einen solchen Deal nicht gedanklich einlassen. „Es kommt darauf an, wie das Spiel läuft, erst dann kann ich sagen, womit ich zufrieden bin. Jeder Punkt zählt grundsätzlich, aber wir streben nach dem Sieg“, stellte der Portugiese klar. Dass sich seine Mannschaft vor allem für das derbe 0:6 im ersten Spiel gegen die Borussen rehabilitieren will, darf vorausgesetzt werden.
Aber auch, dass die Borussen mit dem Ansinnen, die Aufgabe mit einem erneuten Sieg zu meistern, in das achte Champions-League-Heimspiel der Vereinsgeschichte gehen. Im siebten gegen Real Madrid fehlten nur wenige Sekunden, dieses Unterfangen zu realisieren, da glich der Favorit aber dann doch noch die zwischenzeitliche 2:0-Führung der Borussen aus. Da gingen zwei Punkte verloren wie vorher auch bei Inter Mailand, als ein zwischenzeitliches 2:1 den Gladbachern nicht zum Sieg reichte. Dennoch gehen sie mit fünf Punkten und Tabellenplatz eins in die „Rückrunde“der Königsklasse. Mit dem Ziel, international zu überwintern und dies möglichst auf höchster Ebene.
Nun hat der erste Teil der Gruppe B gezeigt, dass es nicht normal zugeht in dieser. Real und Inter sind die Favoriten, doch vorn liegt Gladbach und Donzek ist dank des Sieges bei Real punktgleich mit den Königlichen. Klar ist: Borussias Chance, erstmals das Achtelfinale der Königsklasse zu erreichen, ist groß. Und klar ist auch: Schaffen die Borussen das Hinrunden-Ergebnis von fünf Punkten, sind sie dabei. Und zwar unbesiegt. Alles darüber reicht ohnehin für die Fortführung des Champions-League-Abenteuers.
Christoph Kramer, der formstarke Mittelfeldmann, hat berechnet, dass die Gladbacher mit vier Punkten aus den nächsten beiden Partien ihr Ziel, europäisch zu überwintern, schaffen werden. Grundsätzlich gehen die Borussen mit einer extrem guten Ausgangsbasis in die „drei Endspiele“, wie Linksverteidiger Oscar Wendt sagt. Der 35-Jährige geht davon aus, dass die Entscheidung in dieser Gruppe erst am letzten Spieltag fallen wird, an dem er und seine Kollegen Real im kleinen „Alfredo di Stefano“-Stadion herausfordern. Das legendäre Bernabeu, in dem Borussia 1976 beim
2:2 vom Niederländer Leonardus van der Kroft verpfiffen und 1985 beim 0:4 einen 5:1-Heimsieg verspielte, erlebt die aktuelle Borussen-Generation nicht. Das ist ein Wermutstropfen in dieser Corona-Saison, schon das Erlebnis San Siro in Mailand war aufgrund der fehlenden Fans reduziert.
Marco Rose schaut noch nicht weit voraus, „wir schauen nur auf das Spiel gegen Donzek, da braucht es eine Topleistung“, sagte der Trainer mit Blick auf das Spiel am Mittwoch. Es gibt inklusive dieser 90 Minuten viele Wege die Borussia dorthin führen würden, ebenso gibt es die Option Europa League als durchaus akzeptablen Trostpreis.
Spielt man die Rechenspiele bis ins kleinste Detail durch, gibt es sogar ein Szenario, das Borussia mit nur einem weiteren Punkt das Überwintern auf internationaler Bühne, dann in der Europa League, ermöglichen würde. Das geht wie folgt: Holt Borussia diesen einen Punkt mit einem 0:0 oder 1:1 gegen Inter und sichert sich somit den direkten Vergleich, genügen Gladbach in der Endabrechnung sechs Punkte, wenn Inter aus den beiden Spielen gegen Donezk und Real maximal drei Punkte holt. Bei einem 2:2 wäre der direkte Vergleich am Ende hinfällig, es würde auf die Tordifferenz ankommen.
In der Theorie ist also noch alles in alle Richtungen möglich. Sogar ein Punkte-Patt aller vier Konkurrenten am Ende. Da könnte Borussia, so es nicht andere exorbitante Ergebnisse gibt, dann der hohe Sieg in Donezk helfen. „Aber spielen wir erstmal das Spiel“, rät Marco Rose mit Nachdruck. Er will nicht zulassen, dass der Fokus verloren geht, dass Rechenspiele voraussetzen, was erst einmal auf dem Rasen erreicht werden muss. „Fußball ist ein Ergebnissport und wir wollen ein gutes Ergebnis holen“, sagt der 44-Jährige.
Dass Borussia erstmals überhaupt in der Gruppenphase der Königsklasse mehr als fünf Punkte holt, ist nach den bisherigen drei Auftritten durchaus als realistisch anzusehen. Die bisherige Bestmarke, die 2016 aufgestellt wurde und damals in die Zwischenrunde der Europa League führte, ist zur Halbzeit der aktuellen Königsklassen-Saison nämlich schon erreicht und ermöglicht den Borussen damit eine gute Basis. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dass aber ein Sieg gegen Donezk diese Situation weiter verbessern würde, das ist die Quintessenz aller Rechnerei. Das weiß auch Luis Castro. Und, dass sein Team ganz anders auftreten muss als beim 0:6 im Hinspiel. „Wir haben unsere Konsequenzen daraus gezogen“, versichert er. Inwieweit dies Borussia einen Strich durch die Achtelfinal-Rechnung macht, wird sich erweisen.
„Wir schauen nur auf das Spiel gegen Donzek, da braucht es eine Topleistung“
Borussias Trainer Marco Rose