Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Spezialeinheit gegen wilden Müll
Sergiy Skrypka und Sascha Beging von der AWL entsorgen bis zu sieben Tonnen täglich. Ein Besuch am Einsatzort.
NEUSS Die Kosten für ein Fitness-Studio können sich Sascha Beging (47) und Sergiy Skrypka (44) sparen. Denn in ihrem Beruf ist das Training bereits integriert. Bei dem Duo mit den auffällig dicken Bizepsmuskeln handelt es sich um eine besondere Einheit der Abfall- und Wertstofflogistik (AWL) Neuss. Die beiden kämpfen täglich gegen wilde Müllkippen im gesamten Stadtgebiet – beseitigen zwischen fünf und sieben Tonnen täglich. „Meistens sind wir an den selben Stellen“, sagt Sergiy Skrypka.
So ist es auch an diesem Tag. Gegen 11.30 Uhr stehen die beiden orange gekleideten Männer nahe des Further Kirmesplatzes an der Kaarster Straße. Es ist leicht zu erkennen, wo sie gleich tätig werden. Vor einem Gebüsch liegen Materialien, die dort nicht hingehören: Von einer Matratze über Kleidung und etwas, das wohl mal die Rückwand eines Schranks gewesen sein soll. Auch ein Aktenkoffer liegt verwahrlost auf dem Haufen. Die Spezialeinheit der AWL fackelt nicht lange, fährt den 18-Tonner bis an die wilde Müllkippe heran – und nach nur knapp zwei Minuten ist alles entsorgt. „Wir sind einmal pro Woche hier, einmal mussten wir knapp vier Tonnen mitnehmen“, sagt Qualitätsscout Ali Barlik (57), der Aufträge aufnimmt und an sein Team weiterleitet. Rund 2000 sind es pro Jahr, die entweder über den Online-Mängelmelder oder per Telefon über das Kundencenter an die Schnell-Eingreiftruppe herangetragen werden. Die Liste mit den verschiedenen Stellen bekommt die Truppe am frühen Morgen und arbeitet sie systematisch ab – kann aber auch eigenständig aktiv werden, wenn sie selber wilde Entsorgungsstellen entdeckt.
Über die Frage nach dem Warum können Barlik und Co. nur mutmaßen. Schließlich ist es wesentlich leichter, einfach Sperrmüll anzumelden, der abgeholt wird, als Matratzen, Schränke und Co. selber in ein Fahrzeug zu laden, zu einem wenig einsehbaren Ort zu bringen und im Schutz der Dunkelheit abzustellen. „Meistens passiert so etwas nachts und am Wochenende“sagt der Qualitätsscout. In der Nordstadt gebe es besonders viele „berüchtigte“wilde Entsorgungsstellen. Auf frischer Tat ertappt habe man noch niemanden.
Nachdem Sascha Beging und Sergiy Skrypka alle Stücke in den 18-Tonner geworfen haben, müssen sie nur knapp 300 Meter weiterfahren, um den nächsten Einsatzort zu erreichen. In einem kleinen Waldstück haben Unbekannte offenbar eine Küche entsorgt. Die einzelnen Teile liegen breit verstreut zwischen Bäumen und Gestrüpp – doch auch diese Aufgabe wird das Duo nicht überfordern. „Das ist Kinderkram“, sagt Skrypka schmunzelnd, dessen
Wecker bereits um 4.40 Uhr klingelt. Schließlich beginnt seine Schicht um 6 und endet um 15 Uhr.
Am häufigsten werde Bauschutt illegal entsorgt. „Vor allem das, was nicht als SperrmüllI angemeldet werden kann“, sagt Barlik. In den Monaten März und April sowie Oktober und November – also in der klassischen Wechselzeit – seien zudem verstärkt Autoreifen im Stadtgebiet zu finden. Einmal hatten die Experten es sogar mit einem großen Traktor-Reifen zu tun, der unter der Fleher Brücke in Uedesheim abgeladen wurde und kaum in das Fahrzeug gepasst hat. Bei der Entsorgung sind der „Kreativität“offensichtlich keine Grenzen gesetzt. „Manche entsorgen sogar Essensreste im Altkleidercontainer“, sagt Sergiy Skrypka kopfschüttelnd.