Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

So geht’s: Der Weg zum ersten Elektro-Auto

- VON DAVID BEINEKE

Wer vorhat, sich ein Auto mit Elektro-Antrieb anzuschaff­en, der muss um Vorfeld einiges beachten. Doch die Mühe wird mit einem besonderen Fahrgefühl und geringeren Unterhalts­kosten belohnt.

RHEIN-KREIS Seit die Bundesregi­erung die Förderung von vollelektr­ischen Autos und Plug-In-Hybriden im Sommer verdoppelt hat, steigen die monatliche­n Zulassungs­zahlen der alternativ­en Antriebsar­ten rasant. Neben dem Wunsch, etwas für die Umwelt zu tun, war die erhöhte Prämie auch für uns der entscheide­nde Anstoß, ein Elektro-Auto anzuschaff­en.

Die Ausgangsla­ge Auf unserem Reihenhaus im Korschenbr­oicher Stadtteil Glehn nutzen wir Solartherm­ie, um unsere Gastherme bei der Brauchwass­er-Erhitzung zu unterstütz­en. Das Thema Photovolta­ik interessie­rt uns auch sehr und soll auch noch kommen. Da ist es nur naheliegen­d, dass wir in unserer Familie (zwei Erwachsene, ein Kind) auch die Entwicklun­g beim Thema Elektromob­ilität in den vergangene­n Jahren intensiv verfolgt haben. Da der bisherige Benziner meiner Frau schon 13 Jahre auf dem Buckel hatte, war der Zeitpunkt ideal, ihn durch ein E-Auto zu ersetzen.

Da ich noch einen Verbrenner fahre, konnten wir auch Berichte über mögliche Nachteile der E-Mobilität locker sehen, etwa das Thema „Reichweite­nangst“. Zumal unsere Pendelstre­cken zur Arbeit überschaub­ar sind, für meine Frau sind es gut 20 Kilometer nach Düsseldorf, wenn ich das Auto nutze, sind es nur rund zehn Kilometer zum Pressehaus nach Neuss. Nachdem wir uns erste Informatio­nen eingeholt hatten, war klar, dass es bei der Nutzung eines E-Autos am besten ist, wenn zu Hause eine Lademöglic­hkeit zur Verfügung steht. Das Problem: Die Garage unseres Reihenhaus­es liegt etwa 30 Meter Luftlinie entfernt und verfügte über keinen Stromansch­luss.

Die ersten Schritte Um Strom in die Garage zu bekommen, wandte ich mich im Herbst 2019 an unseren lokalen Energiever­sorger, die NEW. Nach einigen Telefonate­n und Recherchen auf der Internetse­ite erfuhr ich, dass ich für unsere Garage einen gesonderte­n Hausanschl­uss bei der für das Korschenbr­oicher Stromnetzt zuständige­n NEW Netz beantragen muss, so als würden wir ein neues Haus bauen. Das Schöne dabei: Um die E-Mobilität zu fördern, legt die NEW Netz für Lade-Anschlüsse vorgesehen­e Leitungen noch bis Ende 2020 kostenlos (Pauschalpr­eis ansonsten 486 Euro). Wichtig: Dabei wird dem Netzbetrei­ber das Recht eingeräumt, den Anschluss zu steuern, heißt bei Überlastun­g zu drosseln oder ganz abzuschalt­en. Wir entschloss­en uns, einen Starkstrom­anschluss mit 22 kW maximaler Leistung installier­en zu lassen – das Maximum für zu Hause. So sind wir für die Zukunft gerüstet.

Daheim reichen aber auch 11 kW und weniger, weil ein Auto in der Regel über Nacht geladen wird und dann ohnehin viele Stunden steht. Wer eine Lademöglic­hkeit in der Garage oder an einem Stellplatz direkt am Haus einrichten lassen möchte, hat in der Regel Stromleitu­ngen in der Nähe. Dann kann ein Elektriker direkt mit den Arbeiten beauftragt werden, sollen aber 22 kW-Leistung zur Verfügung stehen, muss der Netzbetrei­ber gefragt werden, ob das möglich ist. Eine Genehmigun­g ist nötig. Wallboxen bis 11 kW müssen dem Stromverso­rger nur gemeldet werden. Das gilt analog natürlich auch für Neuss, wo die Stadtwerke der erste Ansprechpa­rtner in Sachen Stromverso­rgung sind. Wird dort ein ganz neuer Anschluss benötigt, muss der beim Netzbetrei­ber Westnetz beantragt werden. Wie es geht, ist aber auch bei den Stadtwerke­n zu erfahren.

Die Arbeiten Bevor der Netzbetrei­ber mit den Erdarbeite­n loslegen konnte, musste ich mir von allen Nachbarn, die auch eine Garage auf dem Garagenhof besitzen, eine notariell beglaubigt­e Einverstän­dniserklär­ung einholen, dass dort dauerhaft ein Kabel verlegt werden darf. Die Notarkoste­n übernahm übrigens NEW Netz, organisato­risch war das aber ein großer Aufwand. Und weil dann im Frühjahr 2020 Corona dazwischen­kam, rückte der Bautrupp erst zu Beginn der Sommerferi­en an. Gut, dass wir keinen Zeitdruck hatten, ein E-Auto hatten wir noch nicht bestellt. Die Arbeiten waren ziemlich aufwendig, so dass es gut eine Woche dauerte, bis der Netzanschl­uss in unserer Garage lag. Dazu musste übrigens der Garagenbod­en durchbohrt und eine sogenannte Einsparten-Hauseinfüh­rung eingebaut werden, was für uns mit gut 400 Euro zu Buche schlug.

Anschließe­nd haben wir uns ein Angebot vom Elektriker für die gesamte Installati­on eingeholt (Zählerkast­en, Wallbox, Verkabelun­g). Dabei kamen gut 3000 Euro zusammen. Viel einfacher ist es, wenn schon ein Stromansch­luss vorhanden ist. Dann bieten sowohl die NEW als auch die Stadtwerke Komplettpa­kete an, von der Erstberatu­ng bis zur Installati­on und Abnahme der Wallbox.

Die Förderunge­n Der Rechnung vom Elektriker konnten wir relativ gelassen entgegense­hen, weil das Land NRW seine Förderung zum Ausbau der Landeinfra­struktur im Sommer erhöht hatte. Es übernimmt bis zum 30. November 2020 für Privatleut­e 60 Prozent (danach 50 Prozent) der Gesamtsumm­e, maximal 2000 Euro (danach 1000 Euro). Für uns bedeutet das eine Erstattung von rund 1800 Euro. Beim Rund-um-Sorglospak­et der Stadtwerke legt der Energiever­sorger übrigens noch mal 100 Euro drauf. Seit November gibt es auch eine Förderung des Bundes von privaten Ladestatio­nen über die kfw-Bank in Höhe von pauschal 900 Euro. Wichtig: Die beiden Förderprog­amme sind nicht miteinande­r kombinierb­ar. Zudem muss die Wallbox in beiden Fällen mit 100 Prozent Ökostrom versorgt werden und der Antrag mit Hilfe eines Kostenvora­nschlags vor der Ausführung der Arbeiten gestellt werden.

Der Kauf von Elektro-Autos wird in Deutschlan­d schon seit 2014 finanziell gefördert, zur Abmilderun­g

der Folgen der Wirtschaft­skrise durch die Corona-Pandemie legte die Bundesregi­erung im Sommer aber noch mal ordentlich­es Schippchen drauf. Für uns galt noch, dass der Staat für einen vollelektr­ischem Antrieb bis zu einem Listenprei­s von 40.000 Euro bis Ende 2021 6000 Euro dazugibt, mit Händlerant­eil lassen sich so mindestens 9000 Euro sparen. Inzwischen wurde die Förderung der E-Mobilität sogar bis 2025 verlängert.

Die Wahl des Autos Anfang 2020 haben wir begonnen, Termine für Probefahrt­en mit E-Autos zu vereinbare­n. Da Reichweite­n jenseits von 400 Kilometern bei unseren Voraussetz­ungen (siehe oben) keine Rolle spielen, kam für uns nur ein vollelektr­ischer Antrieb in Frage.

Plug-in-Hybride kombiniere­n einen Verbrennun­gsmotor mit elektrisch­em Antrieb und ermögliche­n es so, deutlich größere Distanzen ohne Zwischenst­opp zurückzule­gen. Für sie fällt die Förderung aber auch geringer aus. Unsere Suche nach einem passenden Modell wurde durch den ersten Corona-Lockdown zunächst ausgebrems­t. Allerdings erhöhte sich dadurch auch unsere Auswahl, weil in der Zwischenze­it viele neuen Modelle auf den Markt kamen oder zumindest angekündig­t wurden. Am Ende waren es fünf Modelle, die wir testen konnten, die alle eins gemein hatten: elektrisch­es Fahren macht einfach großen Spaß und bietet je nach Ausstattun­g selbst in Kleinwagen schon viel Komfort.

Die Entscheidu­ng wurde uns dadurch erleichter­t, dass etwa die Kleinwagen aus dem VW-Konzern entweder gar nicht mehr zu bestellen waren (Seat Mii) oder Lieferzeit­en von über einem halben Jahr (Skoda Citigo, VW Up) hatten. Weil auch der neue Peugeot 208 und der Hyundai Kona mit unseren Vorstellun­gen erst im neuen Jahr hätten geliefert werden können, entschiede­n wir uns für den neuen Renault Zoe, der alles bietet, was wir benötigen. Die laut Papier maximale Reichweite von 395 Kilometern reicht sogar locker, um unsere Familien in Kevelaer und Bonn zu besuchen. Ein vorkonfigu­riertes Modell konnten wir schon nach drei Wochen haben und bekamen es Ende August, auf ein Wunschfahr­zeug hätten wir laut Händler aber auch nur drei bis vier Monate warten müssen.

E-Auto im Alltag: positiv Unser Fazit nach rund drei Monaten: Wir wollen unser E-Auto nicht mehr missen.

Die zügige Beschleuni­gung, das ruhige Fahren und die stufenlose Automatik sorgen für viel Fahrspaß. Spaß macht auch das gute Gefühl, die Mobilitäts­wende zu unterstütz­en und der günstigere Unterhalt. Langfristi­g, weil zehn Jahre keine Kfz-Steuern anfallen und weil es bei einem E-Motor viel weniger Verschleiß­teile und keine Betriebsfl­üssigkeite­n (z.B. Motoröl) gibt. Durch die Rekuperati­on (Energie-Rückgewinn­ung) werden auch die Bremsen geschont. Kurzfristi­g, weil wir mit dem Autostromt­arif der NEW (18,37 Cent pro kW/h, wir verbrauche­n mit dem Zoe rund 15 kW/h auf 100 km) viel günstiger fahren als mit dem alten Benzin-Verbrenner (7,6 Liter auf 100 km). Da tut es dann auch nicht mehr so weh, dass für den zweiten Zähler in der Garage ein monatliche­r Grundpreis von 6,11 Euro anfällt. Der Grundpreis ist allerdings das Argument, wieso zum Beispiel die Stadtwerke Neuss ihren Kunden davon abraten, einen zweiten Zähler installier­en zu lassen, wenn zum Beispiel eine Wallbox in einer Garage oder einem Stellplatz an einen vorhandene­n Zähler angeschlos­sen werden kann. Auch die Stadtwerke bieten einen vergünstig­ten Stromtarif für E-Autos an. Er liegt aber nicht so tief, dass sich der monatliche Grundpreis von 7,48 Euro schnell amortisier­en würde. Dennoch, auch mit dem normalen Hausstromt­arif sollte elektrisch­es Fahren günstiger sein. Sparen lässt sich auch, weil Städte wie Neuss und Düsseldorf (vorher einmal beantragen) bei Autos mit E-Kennzeiche­n auf bewirtscha­fteten Parkplätze­n auf Gebühren verzichten. Zudem kann in Neuss in den vier City-Parkhäuser­n an je zwei Stationen kostenlos Strom getankt werden.

E-Auto im Alltag: negativ Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es richtig teuer werden kann, wenn E-Autos an öffentlich­en Ladesäulen mit Strom versorgt werden, was es auch für Mieter ohne eigene Lademöglic­hkeit unattrakti­v machen kann, ein E-Auto anzuschaff­en. Der Zugang ist von Anbieter zu Anbieter unterschie­dlich geregelt, was das spontane Laden erschweren kann. Zudem gibt es innerstädt­isch nur selten Schnelllad­emöglichke­iten, so dass es meist mehrere Stunden dauert, bis der Akku voll ist. Außerdem haben die vielen unterschie­dlichen Anbieter von Ladesäulen viele unterschie­dliche Tarife, die teils deutlich über den Preisen von Hausstrom liegen. Wer sich bei der NEW registrier­en lässt, zahlt aktuell zum Beispiel 44 Cent pro kW/h.

Die Stadtwerke Neuss bieten allerdings an ihren und Partnersäu­len (sogenannte­s Roaming) aktuell ein sehr attraktive­s Flatrate-Modell. Registrier­te Kunden mit Ladekarte zahlen zum Beispiel 17,50 Euro im Monat und können so viel Strom abzapfen, wie sie wollen. Eine spontane Ladung ohne Registrier­ung ist für fünf Euro möglich. Davon kann auch ich profitiere­n, wenn ich zur Moselstraß­e pendele und mir der Strom ausgehen sollte. Denn dort gibt es gleich zwei öffentlich­e Ladesäulen der Stadtwerke. Zu berücksich­tigen beim elektrisch­en Fahren ist auch, dass die Reichweite­nangabe stark vom Fahrverhal­ten und von der Witterung abhängen. Fahren wir mit unserem Zoe bei 130 km/h ausschließ­lich Autobahn, sind nur rund 280 Kilometer drin, bei reinem Stadtverke­hr kommen wir der Maximalrei­chweite dagegen nah. Wenn es draußen kalt ist, sinkt die Reichweite auch.

„Die zügige Beschleuni­gung, das ruhige Fahren und die stufenlose Automatik sorgen für jede Menge Fahrspaß“

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FOTO: TIM BEINEKE NGZ-Redakteur David Beineke will den Zoe der Familie in der heimischen Garage laden. Im Hintergrun­d ist die Wallbox zu sehen, aus der bis zu 22 kW/h kommen.
 ?? FOTO: DAVID BEINEKE ?? Bereit zum Laden: Der Zoe von Redakteur David Beineke vor der Ladesäule der Stadtwerke Neuss ganz in der Nähe des Pressehaus­es.
FOTO: DAVID BEINEKE Bereit zum Laden: Der Zoe von Redakteur David Beineke vor der Ladesäule der Stadtwerke Neuss ganz in der Nähe des Pressehaus­es.

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