Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
So geht’s: Der Weg zum ersten Elektro-Auto
Wer vorhat, sich ein Auto mit Elektro-Antrieb anzuschaffen, der muss um Vorfeld einiges beachten. Doch die Mühe wird mit einem besonderen Fahrgefühl und geringeren Unterhaltskosten belohnt.
RHEIN-KREIS Seit die Bundesregierung die Förderung von vollelektrischen Autos und Plug-In-Hybriden im Sommer verdoppelt hat, steigen die monatlichen Zulassungszahlen der alternativen Antriebsarten rasant. Neben dem Wunsch, etwas für die Umwelt zu tun, war die erhöhte Prämie auch für uns der entscheidende Anstoß, ein Elektro-Auto anzuschaffen.
Die Ausgangslage Auf unserem Reihenhaus im Korschenbroicher Stadtteil Glehn nutzen wir Solarthermie, um unsere Gastherme bei der Brauchwasser-Erhitzung zu unterstützen. Das Thema Photovoltaik interessiert uns auch sehr und soll auch noch kommen. Da ist es nur naheliegend, dass wir in unserer Familie (zwei Erwachsene, ein Kind) auch die Entwicklung beim Thema Elektromobilität in den vergangenen Jahren intensiv verfolgt haben. Da der bisherige Benziner meiner Frau schon 13 Jahre auf dem Buckel hatte, war der Zeitpunkt ideal, ihn durch ein E-Auto zu ersetzen.
Da ich noch einen Verbrenner fahre, konnten wir auch Berichte über mögliche Nachteile der E-Mobilität locker sehen, etwa das Thema „Reichweitenangst“. Zumal unsere Pendelstrecken zur Arbeit überschaubar sind, für meine Frau sind es gut 20 Kilometer nach Düsseldorf, wenn ich das Auto nutze, sind es nur rund zehn Kilometer zum Pressehaus nach Neuss. Nachdem wir uns erste Informationen eingeholt hatten, war klar, dass es bei der Nutzung eines E-Autos am besten ist, wenn zu Hause eine Lademöglichkeit zur Verfügung steht. Das Problem: Die Garage unseres Reihenhauses liegt etwa 30 Meter Luftlinie entfernt und verfügte über keinen Stromanschluss.
Die ersten Schritte Um Strom in die Garage zu bekommen, wandte ich mich im Herbst 2019 an unseren lokalen Energieversorger, die NEW. Nach einigen Telefonaten und Recherchen auf der Internetseite erfuhr ich, dass ich für unsere Garage einen gesonderten Hausanschluss bei der für das Korschenbroicher Stromnetzt zuständigen NEW Netz beantragen muss, so als würden wir ein neues Haus bauen. Das Schöne dabei: Um die E-Mobilität zu fördern, legt die NEW Netz für Lade-Anschlüsse vorgesehene Leitungen noch bis Ende 2020 kostenlos (Pauschalpreis ansonsten 486 Euro). Wichtig: Dabei wird dem Netzbetreiber das Recht eingeräumt, den Anschluss zu steuern, heißt bei Überlastung zu drosseln oder ganz abzuschalten. Wir entschlossen uns, einen Starkstromanschluss mit 22 kW maximaler Leistung installieren zu lassen – das Maximum für zu Hause. So sind wir für die Zukunft gerüstet.
Daheim reichen aber auch 11 kW und weniger, weil ein Auto in der Regel über Nacht geladen wird und dann ohnehin viele Stunden steht. Wer eine Lademöglichkeit in der Garage oder an einem Stellplatz direkt am Haus einrichten lassen möchte, hat in der Regel Stromleitungen in der Nähe. Dann kann ein Elektriker direkt mit den Arbeiten beauftragt werden, sollen aber 22 kW-Leistung zur Verfügung stehen, muss der Netzbetreiber gefragt werden, ob das möglich ist. Eine Genehmigung ist nötig. Wallboxen bis 11 kW müssen dem Stromversorger nur gemeldet werden. Das gilt analog natürlich auch für Neuss, wo die Stadtwerke der erste Ansprechpartner in Sachen Stromversorgung sind. Wird dort ein ganz neuer Anschluss benötigt, muss der beim Netzbetreiber Westnetz beantragt werden. Wie es geht, ist aber auch bei den Stadtwerken zu erfahren.
Die Arbeiten Bevor der Netzbetreiber mit den Erdarbeiten loslegen konnte, musste ich mir von allen Nachbarn, die auch eine Garage auf dem Garagenhof besitzen, eine notariell beglaubigte Einverständniserklärung einholen, dass dort dauerhaft ein Kabel verlegt werden darf. Die Notarkosten übernahm übrigens NEW Netz, organisatorisch war das aber ein großer Aufwand. Und weil dann im Frühjahr 2020 Corona dazwischenkam, rückte der Bautrupp erst zu Beginn der Sommerferien an. Gut, dass wir keinen Zeitdruck hatten, ein E-Auto hatten wir noch nicht bestellt. Die Arbeiten waren ziemlich aufwendig, so dass es gut eine Woche dauerte, bis der Netzanschluss in unserer Garage lag. Dazu musste übrigens der Garagenboden durchbohrt und eine sogenannte Einsparten-Hauseinführung eingebaut werden, was für uns mit gut 400 Euro zu Buche schlug.
Anschließend haben wir uns ein Angebot vom Elektriker für die gesamte Installation eingeholt (Zählerkasten, Wallbox, Verkabelung). Dabei kamen gut 3000 Euro zusammen. Viel einfacher ist es, wenn schon ein Stromanschluss vorhanden ist. Dann bieten sowohl die NEW als auch die Stadtwerke Komplettpakete an, von der Erstberatung bis zur Installation und Abnahme der Wallbox.
Die Förderungen Der Rechnung vom Elektriker konnten wir relativ gelassen entgegensehen, weil das Land NRW seine Förderung zum Ausbau der Landeinfrastruktur im Sommer erhöht hatte. Es übernimmt bis zum 30. November 2020 für Privatleute 60 Prozent (danach 50 Prozent) der Gesamtsumme, maximal 2000 Euro (danach 1000 Euro). Für uns bedeutet das eine Erstattung von rund 1800 Euro. Beim Rund-um-Sorglospaket der Stadtwerke legt der Energieversorger übrigens noch mal 100 Euro drauf. Seit November gibt es auch eine Förderung des Bundes von privaten Ladestationen über die kfw-Bank in Höhe von pauschal 900 Euro. Wichtig: Die beiden Förderprogamme sind nicht miteinander kombinierbar. Zudem muss die Wallbox in beiden Fällen mit 100 Prozent Ökostrom versorgt werden und der Antrag mit Hilfe eines Kostenvoranschlags vor der Ausführung der Arbeiten gestellt werden.
Der Kauf von Elektro-Autos wird in Deutschland schon seit 2014 finanziell gefördert, zur Abmilderung
der Folgen der Wirtschaftskrise durch die Corona-Pandemie legte die Bundesregierung im Sommer aber noch mal ordentliches Schippchen drauf. Für uns galt noch, dass der Staat für einen vollelektrischem Antrieb bis zu einem Listenpreis von 40.000 Euro bis Ende 2021 6000 Euro dazugibt, mit Händleranteil lassen sich so mindestens 9000 Euro sparen. Inzwischen wurde die Förderung der E-Mobilität sogar bis 2025 verlängert.
Die Wahl des Autos Anfang 2020 haben wir begonnen, Termine für Probefahrten mit E-Autos zu vereinbaren. Da Reichweiten jenseits von 400 Kilometern bei unseren Voraussetzungen (siehe oben) keine Rolle spielen, kam für uns nur ein vollelektrischer Antrieb in Frage.
Plug-in-Hybride kombinieren einen Verbrennungsmotor mit elektrischem Antrieb und ermöglichen es so, deutlich größere Distanzen ohne Zwischenstopp zurückzulegen. Für sie fällt die Förderung aber auch geringer aus. Unsere Suche nach einem passenden Modell wurde durch den ersten Corona-Lockdown zunächst ausgebremst. Allerdings erhöhte sich dadurch auch unsere Auswahl, weil in der Zwischenzeit viele neuen Modelle auf den Markt kamen oder zumindest angekündigt wurden. Am Ende waren es fünf Modelle, die wir testen konnten, die alle eins gemein hatten: elektrisches Fahren macht einfach großen Spaß und bietet je nach Ausstattung selbst in Kleinwagen schon viel Komfort.
Die Entscheidung wurde uns dadurch erleichtert, dass etwa die Kleinwagen aus dem VW-Konzern entweder gar nicht mehr zu bestellen waren (Seat Mii) oder Lieferzeiten von über einem halben Jahr (Skoda Citigo, VW Up) hatten. Weil auch der neue Peugeot 208 und der Hyundai Kona mit unseren Vorstellungen erst im neuen Jahr hätten geliefert werden können, entschieden wir uns für den neuen Renault Zoe, der alles bietet, was wir benötigen. Die laut Papier maximale Reichweite von 395 Kilometern reicht sogar locker, um unsere Familien in Kevelaer und Bonn zu besuchen. Ein vorkonfiguriertes Modell konnten wir schon nach drei Wochen haben und bekamen es Ende August, auf ein Wunschfahrzeug hätten wir laut Händler aber auch nur drei bis vier Monate warten müssen.
E-Auto im Alltag: positiv Unser Fazit nach rund drei Monaten: Wir wollen unser E-Auto nicht mehr missen.
Die zügige Beschleunigung, das ruhige Fahren und die stufenlose Automatik sorgen für viel Fahrspaß. Spaß macht auch das gute Gefühl, die Mobilitätswende zu unterstützen und der günstigere Unterhalt. Langfristig, weil zehn Jahre keine Kfz-Steuern anfallen und weil es bei einem E-Motor viel weniger Verschleißteile und keine Betriebsflüssigkeiten (z.B. Motoröl) gibt. Durch die Rekuperation (Energie-Rückgewinnung) werden auch die Bremsen geschont. Kurzfristig, weil wir mit dem Autostromtarif der NEW (18,37 Cent pro kW/h, wir verbrauchen mit dem Zoe rund 15 kW/h auf 100 km) viel günstiger fahren als mit dem alten Benzin-Verbrenner (7,6 Liter auf 100 km). Da tut es dann auch nicht mehr so weh, dass für den zweiten Zähler in der Garage ein monatlicher Grundpreis von 6,11 Euro anfällt. Der Grundpreis ist allerdings das Argument, wieso zum Beispiel die Stadtwerke Neuss ihren Kunden davon abraten, einen zweiten Zähler installieren zu lassen, wenn zum Beispiel eine Wallbox in einer Garage oder einem Stellplatz an einen vorhandenen Zähler angeschlossen werden kann. Auch die Stadtwerke bieten einen vergünstigten Stromtarif für E-Autos an. Er liegt aber nicht so tief, dass sich der monatliche Grundpreis von 7,48 Euro schnell amortisieren würde. Dennoch, auch mit dem normalen Hausstromtarif sollte elektrisches Fahren günstiger sein. Sparen lässt sich auch, weil Städte wie Neuss und Düsseldorf (vorher einmal beantragen) bei Autos mit E-Kennzeichen auf bewirtschafteten Parkplätzen auf Gebühren verzichten. Zudem kann in Neuss in den vier City-Parkhäusern an je zwei Stationen kostenlos Strom getankt werden.
E-Auto im Alltag: negativ Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es richtig teuer werden kann, wenn E-Autos an öffentlichen Ladesäulen mit Strom versorgt werden, was es auch für Mieter ohne eigene Lademöglichkeit unattraktiv machen kann, ein E-Auto anzuschaffen. Der Zugang ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich geregelt, was das spontane Laden erschweren kann. Zudem gibt es innerstädtisch nur selten Schnelllademöglichkeiten, so dass es meist mehrere Stunden dauert, bis der Akku voll ist. Außerdem haben die vielen unterschiedlichen Anbieter von Ladesäulen viele unterschiedliche Tarife, die teils deutlich über den Preisen von Hausstrom liegen. Wer sich bei der NEW registrieren lässt, zahlt aktuell zum Beispiel 44 Cent pro kW/h.
Die Stadtwerke Neuss bieten allerdings an ihren und Partnersäulen (sogenanntes Roaming) aktuell ein sehr attraktives Flatrate-Modell. Registrierte Kunden mit Ladekarte zahlen zum Beispiel 17,50 Euro im Monat und können so viel Strom abzapfen, wie sie wollen. Eine spontane Ladung ohne Registrierung ist für fünf Euro möglich. Davon kann auch ich profitieren, wenn ich zur Moselstraße pendele und mir der Strom ausgehen sollte. Denn dort gibt es gleich zwei öffentliche Ladesäulen der Stadtwerke. Zu berücksichtigen beim elektrischen Fahren ist auch, dass die Reichweitenangabe stark vom Fahrverhalten und von der Witterung abhängen. Fahren wir mit unserem Zoe bei 130 km/h ausschließlich Autobahn, sind nur rund 280 Kilometer drin, bei reinem Stadtverkehr kommen wir der Maximalreichweite dagegen nah. Wenn es draußen kalt ist, sinkt die Reichweite auch.
„Die zügige Beschleunigung, das ruhige Fahren und die stufenlose Automatik sorgen für jede Menge Fahrspaß“