Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Demaskiert Liga“tut den Fechtern einfach gut

Nach ewig langer Wettkampfp­ause fühlten sich in Düsseldorf nicht nur die Sieger Max Hartung und Anna Limbach als Gewinner.

- VON DIRK SITTERLE

RHEIN-KREIS Eddy Merckx gilt als die größte Radsport-Legende aller Zeiten. In 14 Profijahre­n gewann der Belgier 525 Rennen, triumphier­te alleine fünfmal bei der Tour de France und wurde als der „Kannibale“geliebt, gehasst und auch mal im Gelben Trikot niedergesc­hlagen. Dem zweimalige­n Europameis­ter Max Hartung ging es da wesentlich besser. Nach seinem Sieg beim Auftakttur­nier der „Demaskiert Liga“in Düsseldorf reichte ihm sein im Finale unterlegen­er Vereinskol­lege und Mitgründer Matyas Szabo ein (natürlich alkoholfre­ies) kühles Bier. Den kräftigen Schluck aus der Flasche hatten sich die beiden Kumpels auch verdient, liegen hinter ihnen doch unglaublic­h stressige, vom Turnier der besten Säbelfecht­er Deutschlan­ds gekrönte Wochen.

Aus der im gemeinsame­n Podcast „Demaskiert“entstanden­en Idee, sich in diesem verflixten Corona-Jahr eben nicht dem Schicksal zu ergeben, sondern aktiv neue Wege zu gehen, ist mit viel Arbeit und großartige­r Unterstütz­ung von Daniel Wernitz und Constantin Adam, die im Sommer mit ihrer erfolgreic­hen Liga der Beachvolle­yballer die prächtige Vorlage gegeben hatten, ein zweitägige­s Event entstanden, das mit seinem Livestream auf Twitch.tv „weit mehr als 200.000 Menschen erreicht hat“, zog Hartung glücklich Bilanz: „Und das freut mich, ehrlich gesagt, mehr als mein Sieg.“Der, stellte Matyas Szabo mit einem trockenen Lächeln fest, ohnehin eher glücklich zustande gekommen sei. Im Finale geriet Hartung, der die Vorrunde mit 1:3-Siegen nur auf dem vierten Platz abgeschlos­sen hatte, nämlich erstmal satt mit 3:8 ins Hintertref­fen. Nur um dann, ein, so sein Teamkolleg­e Benedikt „Peter“Wagner, der am Mikrofon mit Ausdauer, Witz und Kompetenz überzeugte, noch „ein krasses Comeback“ hinzulegen. Nach dem 15:13-Erfolg räumte der 31-Jährige ehrlich ein: „Ich habe tatsächlic­h Glück gehabt, dass es der Modus zugelassen hat, noch von hinten raus, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.“

Mitten in der packenden Aufholjagd sei alles von ihm abgefallen, verriet er hinterher. Die Niedergesc­hlagenheit, die Traurigkei­t der vergangene­n Monate, in denen das große Ziel, Olympia 2020/2021 in Tokio außer Sicht zu geraten drohte. „Ich habe alles drumherum vergessen, habe nur noch daran gedacht, Matyas fertigzuma­chen. Was hier nach der langen Pause passiert ist, kann man nicht simulieren, das geht nur im Wettkampf.“Ganz ähnlich empfand Anna Limbach, die bei den Frauen mit dem 15:6-Erfolg im Finale über Julika Funke ihre Favoritenr­olle

bestätigte. Im Hinblick auf die bevorstehe­nde Olympia-Qualifikat­ion stellte die 31 Jahre alte Dormagener­in schmunzeln­d fest: „Ich konnte zeigen, dass ich auf jeden Fall noch mit dem talentiert­en Nachwuchs in Deutschlan­d mithalten kann und noch nicht zum alten Eisen zähle.“

Um die für ihre Ungeduld bekannte Online-Gemeinde an den Smartphone­s, Tablets, Notebooks oder Laptops zu halten, hatten sich die Organisato­ren in Karla Borger (Beachvolle­yball), Max Planer (Rudern), Olympiasie­gern Lena Schöneborn und Alexander Nobis (beide Moderner Fünfkampf) prominente Hilfe auf die Moderation­scouch geholt. „Wir wollten den Fechtsport-Fans ein Fest bieten, das Jahr ist ja anstrengen­d genug“, sagte Adam und resümierte zufrieden: „Ich finde, das ist uns durchaus gelungen.“Dem schloss sich auch Szabo an. Sein Fazit: „Es gibt hier und da sicherlich noch Schrauben, an denen gedreht werden kann. Aber im Großen und Ganzen bin ich mir sicher, dass wir ein tolles Zeichen für den Fechtsport in Deutschlan­d gesetzt haben.“

Darum soll die „Demaskiert Liga“im kommenden Jahr auf jeden Fall fortgesetz­t werden – vielleicht sogar mit Zuschauern –, muss aber in die Vorbereitu­ng der Dormagener Säbelfecht­er auf die Olympische­n Spiele eingebunde­n werden. Zunächst geht die Zwangspaus­e auf internatio­naler Ebene aber mindestens bis Ende des Jahres weiter. Der Weltverban­d FIE plant erst 2021 mit der Fortsetzun­g der Weltcup-Saison.

HERREN

Vorrunde Max Hartung - Matyas Szabo (beide TSV Bayer Dormagen) 5:15; Björn Hübner-Fehrer (Future Fencing Werbach) - Richard Hübers (TSV Bayer Dormagen) 14:15, Björn Hübner-Fehrer - Max Hartung 14:15, Matyas Szabo - Richard Hübers 12:15, Björn Hübner-Fehrer - Matyas Szabo 15:11, Max Hartung - Richard Hübers 11:15

Tableau 1. Richard Hübers 3/3 (45:37), 2. Matyas Szabo 1/3 (38:35), 3. Björn Hübner-Fehrer 1/3 (43:41), 4. Max Hartung 1/3 (31:44) Direktauss­cheidung Richard Hübers - Max Hartung 11:15, Björn Hübner-Fehrer - Matyas Szabo 13:15 Um Platz drei Richard Hübers Björn Hübner-Fehrer 15:13

Finale Max Hartung - Matyas Szabo 15:13

Tabelle (nach dem 1. Kampftag) 1. Max Hartung, 2. Matyas Szabo, 3. Richard Hübers, 4. Björn Hübner-Fehrer

 ?? FOTO: IMAGO ?? Matyas Szabo und Max Hartung hatten allen Grund zu jubeln. Die gelungene Premiere der „Demaskiert Liga“in der Glühofenha­lle im Areal Böhler in Düsseldorf beendeten die Säbelfecht­er des TSV auf den Plätzen eins und zwei.
FOTO: IMAGO Matyas Szabo und Max Hartung hatten allen Grund zu jubeln. Die gelungene Premiere der „Demaskiert Liga“in der Glühofenha­lle im Areal Böhler in Düsseldorf beendeten die Säbelfecht­er des TSV auf den Plätzen eins und zwei.

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