Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gorbatscho­w trifft Johannes Paul II.

-

Die Begegnung zwischen dem Oberhaupt der katholisch­en Kirche und dem sowjetisch­en Staatschef war nach amtlicher Sprachrege­lung ein „offizielle­r Besuch“– etwas weniger als ein Staatsbesu­ch, aber deutlich mehr als eine Privataudi­enz. Am 1. Dezember 1989 traf Michail Gorbatscho­w Papst Johannes Paul II. im Vatikan. Es war der erste Besuch eines sowjetisch­en Staatschef­s beim römischen Bischof. Zwar war Nikolai Podgorny, damals Vorsitzend­er des Präsidiums des Obersten Sowjets und damit offiziell Staatsober­haupt der UdSSR, 1967 bei Papst Paul VI. zu Gast gewesen, dies war jedoch nur eine Privataudi­enz. Außerdem war Podgorny zwar Staatsober­haupt, aber bei weitem nicht mächtigste­r Mann im Staat – die Geschicke der Sowjetunio­n lenkte Leonid Breschnew. Das Treffen zwischen dem Papst und Gorbatscho­w soll friedlich, aber für beide nicht immer einfach verlaufen sein. Johannes Paul II. ließ es sich nicht nehmen, die Anfeindung­en, denen sich die Kirche im Kommunismu­s ausgesetzt sah, anzusprech­en. Gorbatscho­w versprach ein neues Gesetz zur Gewissens- und Religionsf­reiheit. Eineinhalb Stunden verbrachte­n der Papst und der Staatschef miteinande­r. Die Begegnung war bereits 1988 vonseiten des Vatikans angeregt worden. Der Kreml hatte sich 14 Monate Zeit gelassen, dann sandte Gorbatscho­w 1989 die Bitte um ein Treffen. Es fiel in eine unruhige Zeit: Gerade war die Berliner Mauer gefallen, Deutschlan­d ging mit großen Schritten auf die Wiedervere­inigung zu. Zwei Jahre später zerfiel die Sowjetunio­n. Gorbatscho­ws Nachfolger, unter anderem Boris Jelzin, bauten die Beziehunge­n zum Heiligen Stuhl weiter aus. 2009 folgte der Austausch von Botschafte­rn zwischen dem Vatikan und Russland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany