Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ein Urteil, das zum Handeln auffordert
Das Leipziger Urteil hat ein Erdbeben in der deutschen IHK-Landschaft ausgelöst. Die Kammer Nord-Westfalen muss den Dachverband verlassen, viele weitere Kammern sehen sich mit Austrittsgesuchen konfrontiert. So auch die IHK Mittlerer Niederrhein, der Unternehmen aus dem Rhein-Kreis angeschlossen sind. Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben dem DIHK untersagt, sich zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern; er muss sich auf Stellungnahmen zur Wirtschaftspolitik beschränken – nur: Wie definiert sich die Grenze? Außenpolitik hat Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik und Wirtschaftspolitik steht in direkter Wechselwirkung mit der Sozialpolitik. Der Richterspruch aus Leipzig hat fatale Folgen, denn ein Dachverband muss sich politisch äußern dürfen, damit erkennbar wird, wo er inhaltlich steht und mit welchen Argumenten er für seine Interessen eintritt. Wenn das Urteil etwas Gutes hat, dann den Hinweis, dass auch Mindermeinungen durch den DIHK beachtet werden müssen. Ausgelöst hatte den Rechtsstreit vor dreizehn Jahren ein Windkraft-Unternehmer aus Münster. Der ärgerte sich als IHK-Mitglied, dass der Verband gegen sein Geschäftsmodell agierte. Verständlicher Ärger. Also: Der Gesetzgeber sollte sich das IHK-Gesetz ansehen und ermöglichen, dass sich Wirtschaftsverbände politisch äußern dürfen. Der DIHK und die ihn tragenden IHK’s müssen gewährleisten, dass Mindermeinungen ihrer Pflichtmitglieder beachtet werden. Die inzwischen angebotenen Beschwerdewege gegen Kammeräußerungen sind da ein Anfang. Doch es bleibt viel zu tun, um die Folgen des Leipziger Urteils in eine praxistaugliche Form zu bringen.