Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Alles begann mit einer Brausetablette
Elisabeth Gau ist mit 29 Jahren Doktorin und Produktentwicklerin in der Chemiebranche. Sie steht für eine Entwicklung.
DORMAGEN Wenn es um Brausetabletten geht, entstehen gleich konkrete Bilder im Kopf. Bei Medikamenten kommen sie zum Beispiel zum Einsatz, oder bei der Zubereitung von Erfrischungsgetränken. Doch dass so eine Tablette auch eine wichtige Rolle bei der beruflichen Karriere spielen kann, das dürfte den Wenigsten in den Sinn kommen. Bei Elisabeth Gau war aber genau dies der Fall. Als Schülerin des Erft-Gymnasiums in Bergheim war es ein Experiment mit einer Brausetablette im Rahmen eines Chemiewettbewerbs, das ihre ohnehin große Begeisterung für das naturwissenschaftliche Fach verstärkte. Seit dem vergangenen Jahr hat sie ihren Doktor in Chemie in der Tasche und nimmt mit gerade einmal 29 Jahren als Produktentwicklerin für Polyamid-Kunststoffe eine Führungsrolle beim Chemiekonzern Lanxess im Dormagener Chempark ein.
„Mir war schon in der siebten Klasse klar, dass ich beruflich etwas im Bereich Chemie machen möchte“, erinnert sich Elisabeth Gau. Eigentlich Ist es schon ungewöhnlich, dass Schüler in dem Alter genau wissen, wohin die Entwicklung gehen soll. Dass sich ein Mädchen für eine berufliche Zukunft in einer Naturwissenschaft interessiert, gilt nochmals als Steigerung. Denn auch wenn es gerade korrigiert wird, gibt es immer noch das Klischee von Männern in weißen Kitteln für die Forschung. „Ich hatte aber nie ein Problem, eventuell in eine Männerdomäne einzubrechen“, betont Elisabeth Gau. Zumal sie selbst schon den Wandel erlebt hat. Bei einem Chemiewettbewerb während der Schulzeit bei ihrer Lehrerin Cäecilia Sauer und später, während des Studiums an der RWTH Aachen, war das Verhältnis von Frauen und Männern relativ ausgeglichen. Und auch in ihrem aktuellen Arbeitsumfeld bei Lanxess sind von sieben Produktentwicklern drei weiblichen Geschlechts.
Es gibt aber auch klare Anzeichen, dass das nicht immer so war. „Wenn ich während des Studiums zu Tagungen gefahren bin, waren Frauen deutlich in der Unterzahl“, sagt die 29-Jährige und fügt hinzu: „Als ich bei Lanxess angefangen habe, musste ich in einem Produktionsbetrieb etwas länger nach einer Damentoilette suchen.“
Inzwischen sind große Unternehmen, bei denen ein naturwissenschaftlicher Studienabschluss eine unverzichtbare Qualifikation ist, aber dazu übergangen, junge Frauen zu ermutigen, sich für diesen Karriereweg zu interessieren.
Dabei soll etwa eine Aktion wie der bundesweite Girls’ Day helfen. Aber auch über die Aktion „Meine Position ist spitze“wird der Kontakt zu Schulen gepflegt und auch Mädchen werden ermutigt, sich mal einen Tag bei einem Konzern wie Lanxess umzuschauen.
Ende Oktober war zum Beispiel die erst 17-Jährige Fernur Tekgül für einen Tag in Dormagen zu Gast und wurde dabei die ganze Zeit von Elisabeth Gau begleitet. „Wenn es möglich ist, bringe ich mich gerne ein, um Talente zu fördern. Ich hatte viel Spaß und habe Fernur ermuntert, in die Naturwissenschaft zu gehen“, erklärt Gau.
Auch Mark Mätschke bestätigt in seiner Funktion als Lanxess-Pressesprecher, dass dem Konzern sehr daran gelegen ist, den Frauenanteil bei den Beschäftigten auszubauen. So sei es traditionell so, dass in eher technisch geprägten Berufsbildern wie etwa Chemikant, wo auch eine größere körperliche Komponente vermutet wird, Männer immer noch in der Überzahl seien. „Unser Ziel ist es, Vorurteile abzubauen und die Attraktivität unserer vielen unterschiedlichen Berufsbilder aufzuzeigen“, erklärt Mätschke. Die Logik hinter dem Geschlechterausgleich: Je größer der Pool an Talenten, desto größer die Chance, eines davon zu ergattern.
Bei Elisabeth Gau ist das auch dadurch gelungen, dass sie schon während des Studiums durch ihre guten Leistungen ein sogenanntes Deutschland-Stipendium erhielt, dass zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von einem Förderer aus der Wirtschaft finanziert wird. „Zum Glück war das in meinem Fall Lanxess, wodurch ich über Praktika nicht nur Einblicke in das Berufsfeld bekommen habe, sondern mir auch schon früh ein Netzwerk an Kontakten aufbauen konnte“, sagt Gau. Während ihrer Promotion kam sie dann in den Genuss des sogenannten Exclusive-Programms, mit dem der Konzern versucht, Studenten mit Potential weiter an sich zu binden.
Dennoch war es dann nach dem Erhalt des Doktortitels kein Selbstläufer, einen Job zu bekommen. Die 29-Jährige durchlief alle Stufen des Bewerbungsverfahrens. Inzwischen hat sie sich gut eingelebt, ist nach einem Umzug in Stürzelberg heimisch geworden. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Entwicklung von Kunststoffen für die Automobilindustrie, Haushaltsgeräte und Werkzeuge. Dabei kommt es auf Langlebigkeit und Nachhaltigkeit an. Sie findet es wichtig, dass der Gedanke des Umweltschutzes eine große Rolle spielt. Weil das Chemieunternehmen Lanxess bis 2040 klimaneutral produzieren will, gilt es einerseits, Produktionsprozesse zu optimieren; andererseits aber auch, mehr recycelte Stoffe einzubinden. Indirekt forscht Elisabeth Gau auch an einer Zukunft mit sauberer Luft, weil ihr Team spezielle Kunststoffe für Elektro-Autos entwickelt.
Doch nicht nur eine erfüllende Arbeit ist für Elisabeth Gau wichtig. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt für sie eine Rolle. Und da dieser Aspekt bei den Unternehmen immer mehr Aufmerksamkeit erfährt, steigt der Frauenanteil deutlich.
„Ich habe mich sehr wohl vorher über Fragen wie Familienfreundlichkeit und Altersvorsorge informiert“, erklärt Elisabeth Gau und hat den Eindruck, dass ihr in dieser Hinsicht einiges geboten wird. Doch so gut sie es findet, dass es inzwischen mehr Frauen in Führungspositionen gibt, von der politisch diskutierten Frauenquote für Unternehmensvorstände und Führungspositionen ist sie nicht restlos überzeugt: „Ob das der richtige Weg ist, bezweifle ich. Ich möchte einen Job durch meine Leistung bekommen und nicht wegen einer Quote.“