Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Alles begann mit einer Brausetabl­ette

Elisabeth Gau ist mit 29 Jahren Doktorin und Produktent­wicklerin in der Chemiebran­che. Sie steht für eine Entwicklun­g.

- VON DAVID BEINEKE

DORMAGEN Wenn es um Brausetabl­etten geht, entstehen gleich konkrete Bilder im Kopf. Bei Medikament­en kommen sie zum Beispiel zum Einsatz, oder bei der Zubereitun­g von Erfrischun­gsgetränke­n. Doch dass so eine Tablette auch eine wichtige Rolle bei der berufliche­n Karriere spielen kann, das dürfte den Wenigsten in den Sinn kommen. Bei Elisabeth Gau war aber genau dies der Fall. Als Schülerin des Erft-Gymnasiums in Bergheim war es ein Experiment mit einer Brausetabl­ette im Rahmen eines Chemiewett­bewerbs, das ihre ohnehin große Begeisteru­ng für das naturwisse­nschaftlic­he Fach verstärkte. Seit dem vergangene­n Jahr hat sie ihren Doktor in Chemie in der Tasche und nimmt mit gerade einmal 29 Jahren als Produktent­wicklerin für Polyamid-Kunststoff­e eine Führungsro­lle beim Chemiekonz­ern Lanxess im Dormagener Chempark ein.

„Mir war schon in der siebten Klasse klar, dass ich beruflich etwas im Bereich Chemie machen möchte“, erinnert sich Elisabeth Gau. Eigentlich Ist es schon ungewöhnli­ch, dass Schüler in dem Alter genau wissen, wohin die Entwicklun­g gehen soll. Dass sich ein Mädchen für eine berufliche Zukunft in einer Naturwisse­nschaft interessie­rt, gilt nochmals als Steigerung. Denn auch wenn es gerade korrigiert wird, gibt es immer noch das Klischee von Männern in weißen Kitteln für die Forschung. „Ich hatte aber nie ein Problem, eventuell in eine Männerdomä­ne einzubrech­en“, betont Elisabeth Gau. Zumal sie selbst schon den Wandel erlebt hat. Bei einem Chemiewett­bewerb während der Schulzeit bei ihrer Lehrerin Cäecilia Sauer und später, während des Studiums an der RWTH Aachen, war das Verhältnis von Frauen und Männern relativ ausgeglich­en. Und auch in ihrem aktuellen Arbeitsumf­eld bei Lanxess sind von sieben Produktent­wicklern drei weiblichen Geschlecht­s.

Es gibt aber auch klare Anzeichen, dass das nicht immer so war. „Wenn ich während des Studiums zu Tagungen gefahren bin, waren Frauen deutlich in der Unterzahl“, sagt die 29-Jährige und fügt hinzu: „Als ich bei Lanxess angefangen habe, musste ich in einem Produktion­sbetrieb etwas länger nach einer Damentoile­tte suchen.“

Inzwischen sind große Unternehme­n, bei denen ein naturwisse­nschaftlic­her Studienabs­chluss eine unverzicht­bare Qualifikat­ion ist, aber dazu übergangen, junge Frauen zu ermutigen, sich für diesen Karrierewe­g zu interessie­ren.

Dabei soll etwa eine Aktion wie der bundesweit­e Girls’ Day helfen. Aber auch über die Aktion „Meine Position ist spitze“wird der Kontakt zu Schulen gepflegt und auch Mädchen werden ermutigt, sich mal einen Tag bei einem Konzern wie Lanxess umzuschaue­n.

Ende Oktober war zum Beispiel die erst 17-Jährige Fernur Tekgül für einen Tag in Dormagen zu Gast und wurde dabei die ganze Zeit von Elisabeth Gau begleitet. „Wenn es möglich ist, bringe ich mich gerne ein, um Talente zu fördern. Ich hatte viel Spaß und habe Fernur ermuntert, in die Naturwisse­nschaft zu gehen“, erklärt Gau.

Auch Mark Mätschke bestätigt in seiner Funktion als Lanxess-Pressespre­cher, dass dem Konzern sehr daran gelegen ist, den Frauenante­il bei den Beschäftig­ten auszubauen. So sei es traditione­ll so, dass in eher technisch geprägten Berufsbild­ern wie etwa Chemikant, wo auch eine größere körperlich­e Komponente vermutet wird, Männer immer noch in der Überzahl seien. „Unser Ziel ist es, Vorurteile abzubauen und die Attraktivi­tät unserer vielen unterschie­dlichen Berufsbild­er aufzuzeige­n“, erklärt Mätschke. Die Logik hinter dem Geschlecht­erausgleic­h: Je größer der Pool an Talenten, desto größer die Chance, eines davon zu ergattern.

Bei Elisabeth Gau ist das auch dadurch gelungen, dass sie schon während des Studiums durch ihre guten Leistungen ein sogenannte­s Deutschlan­d-Stipendium erhielt, dass zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von einem Förderer aus der Wirtschaft finanziert wird. „Zum Glück war das in meinem Fall Lanxess, wodurch ich über Praktika nicht nur Einblicke in das Berufsfeld bekommen habe, sondern mir auch schon früh ein Netzwerk an Kontakten aufbauen konnte“, sagt Gau. Während ihrer Promotion kam sie dann in den Genuss des sogenannte­n Exclusive-Programms, mit dem der Konzern versucht, Studenten mit Potential weiter an sich zu binden.

Dennoch war es dann nach dem Erhalt des Doktortite­ls kein Selbstläuf­er, einen Job zu bekommen. Die 29-Jährige durchlief alle Stufen des Bewerbungs­verfahrens. Inzwischen hat sie sich gut eingelebt, ist nach einem Umzug in Stürzelber­g heimisch geworden. Der Schwerpunk­t ihrer Arbeit liegt in der Entwicklun­g von Kunststoff­en für die Automobili­ndustrie, Haushaltsg­eräte und Werkzeuge. Dabei kommt es auf Langlebigk­eit und Nachhaltig­keit an. Sie findet es wichtig, dass der Gedanke des Umweltschu­tzes eine große Rolle spielt. Weil das Chemieunte­rnehmen Lanxess bis 2040 klimaneutr­al produziere­n will, gilt es einerseits, Produktion­sprozesse zu optimieren; anderersei­ts aber auch, mehr recycelte Stoffe einzubinde­n. Indirekt forscht Elisabeth Gau auch an einer Zukunft mit sauberer Luft, weil ihr Team spezielle Kunststoff­e für Elektro-Autos entwickelt.

Doch nicht nur eine erfüllende Arbeit ist für Elisabeth Gau wichtig. Auch die Vereinbark­eit von Beruf und Familie spielt für sie eine Rolle. Und da dieser Aspekt bei den Unternehme­n immer mehr Aufmerksam­keit erfährt, steigt der Frauenante­il deutlich.

„Ich habe mich sehr wohl vorher über Fragen wie Familienfr­eundlichke­it und Altersvors­orge informiert“, erklärt Elisabeth Gau und hat den Eindruck, dass ihr in dieser Hinsicht einiges geboten wird. Doch so gut sie es findet, dass es inzwischen mehr Frauen in Führungspo­sitionen gibt, von der politisch diskutiert­en Frauenquot­e für Unternehme­nsvorständ­e und Führungspo­sitionen ist sie nicht restlos überzeugt: „Ob das der richtige Weg ist, bezweifle ich. Ich möchte einen Job durch meine Leistung bekommen und nicht wegen einer Quote.“

 ?? FOTO: LANXESS ?? Elisabeth Gau ist Produktent­wicklerin beim Chemiekonz­ern Lanxess in Dormagen. Dabei arbeitet sie mit ihrem Team auch an Kunststoff­en für die Automobili­ndustrie.
FOTO: LANXESS Elisabeth Gau ist Produktent­wicklerin beim Chemiekonz­ern Lanxess in Dormagen. Dabei arbeitet sie mit ihrem Team auch an Kunststoff­en für die Automobili­ndustrie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany