Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Weihnachtsbotschaft aus der Alten Kirche
Während an Heiligabend der Jüchener Pfarrer Ulrich Clancett die Fernsehmesse in der ARD und im Schweizer TV zelebriert, läuft in Jüchen die Aktion „Du bist nicht allein“.
JÜCHEN/LOBBERICH In Jüchen kennt ihn jeder, doch Lobberich ist immer noch seine Heimat: „Hallo Uli!“, wird Pfarrer Ulrich Clancett immer wieder bei seinem Besuch begrüßt. Da, wo er aufgewachsen und seine ersten Schritte im geistlichen Leben gegangen ist, wird er an Heiligabend die einzige deutschsprachige Fernsehmesse weltweit zelebrieren. In die Live-Übertragung aus der Alten Kirche in Lobberich schaltet sich auch das Schweizerische Fernsehen zu.
In Jüchen selbst wird (wegen Corona) an Heiligabend die Messe ausfallen, die Feiern finden aber, wie gewohnt, an den Weihnachtstagen in den Kirchen statt. Mit der Aktion unter dem Motto „Du bist nicht allein“startet Clancetts Pfarrgemeinde aber bereits in dieser Woche: Es werden Mottokerzen verkauft und Heftchen mit Gestaltungsvorschlägen für „Hausmessen“verteilt. So soll auch im kleinen Kreis Heiligabend und Weihnachten mit geistlichem Beistand gefeiert werden können.
Pfarrer Clancett ist indes, wie das insgesamt fast 80-köpfige Fernsehteam, mit den Vorbereitungen der Live-Übertragung befasst. Bereits am Montag vor Heiligabend werden die Übertragungswagen anrücken, um den Marktplatz in Lobberich und die angrenzende Straße zu belegen. Am 16. Dezember gibt es in der Alten Kirche eine Stellprobe, am 22. Dezember probt die Musik: „Und bei der Generalprobe am 23. Dezember gibt es dann einen kompletten Durchlauf von 60 Minuten“, kündigt Clancett an, der für seine Predigt die Alte Kirche als eine wahre Inspirationsquelle
empfindet. Er sagt: „Seit 75 Jahren feiern wir Weihnachten in Frieden, in diesem Jahr in der Corona-Krise, die eine tiefe Verwundung darstellt.“Die Symbole der „Verwundung“durch den Zweiten Weltkrieg sind in der Alten Kirche in Lobberich bewusst erhalten geblieben. Sie wurde kurz vor Kriegsende noch durch Artilleriebeschuss teilweise zerstört und erst 20 Jahre später durch deutsche und französische Jugendliche wieder aufgebaut. Immer noch ist sie ein „verwundeter“Raum, der aufgrund seiner besonderen Atmosphäre Künstler, Musiker
MELDUNGEN
und Denker zu Veranstaltungen anzieht.
Clancett selbst erinnert sich an seine Zeit als Messdiener, an das Leben in der Alten Kirche, die im Gegensatz zum Lobbericher „Dom“von jeher die alternative ( Jugend)-Szene beherbergte. In seiner
Predigt will er auch auf die Wortwahl in der Corona-Krise eingehen, in der viel vom Kriegführen gegen das Virus und ähnlichen Begriffen aus dem Kriegswesen die Rede sei. Auch damit schlägt er wiederum den Bogen zum Übertragungsort für die Heiligabendmesse, bei der ein Bibel-Zitat
nicht fehlen dürfe: „Das Volk, das im Dunklen wandert, sieht ein helles Licht.“Denn dieses Licht steht für den Theologen auch für die Hoffnung auf Impfstoffe gegen Covid-19, die möglicherweise sogar noch zu Weihnachten als größtes Geschenk erfüllt werden könne, hofft Clancett.
Die Alte Kirche mit ihren sichtbaren Blessuren, wie dem abgebröckelten Putz und dem Einschlagskrater im Turm, sei zugleich aber auch ein Ort von großer Lebendigkeit, weiß Clancett. So zieht es den Jüchener Pfarrer immer wieder in seine alte Heimat, wo auch seine Eltern noch leben, um in der Alten Kirche an ganz besonderen Kultur- und Vortragsveranstaltungen teilzunehmen, die stets auch mit einem geistlichen Anspruch verbunden seien.
Und wie es ausgerechnet dazu kam, dass ein Geistlicher aus dem kleinen Jüchen im nicht minder kleinen Lobberich die Fernsehmesse zelebrieren wird, das ist, wie es nicht anders sein könnte, eine typische niederrheinische Geschichte: Man kennt einen, der wieder einen kennt .... und so weiter... So hatten Ulrich Clancett, der auch im WDR-Radio die Andachten hält, und Klaus Nellessen, der stellvertretende Rundfunkbeauftragte des Bistums Köln, nach einer Sendung „nett zusammengesessen“und über die Idee einer Fernsehmesse gearbeitet. Das war vor mehr als einem Jahr. Seither ließen die Beiden ihre jeweiligen und die gemeinsamen Netzwerke rotieren. „Uns kam der Umstand gelegen, dass die Fernsehmesse an Heiligabend so etwas wie ein unbeliebter Wanderpokal ist. Denn dafür müssen schließlich die etwa 80 Mitarbeiter der Fernseh-Crew auf ihre Feiern zu Hause verzichten“, weiß Clancett. So kam es, dass der MDR den „Wanderpokal“loswerden wollte und ihn an der ARD weitergab. Durch die guten Beziehungen, die Clancett und Nellessen zum WDR haben, lässt sich die Idee nun in die Tat umsetzen: Einzig das ursprüngliche Konzept musste komplett über Bord geworfen werden: Denn da gab es noch keine Corona-Auflagen.