Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pendler-Check: Von Neuss nach Düsseldorf

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Wie macht der Weg zur Arbeit mehr Sinn, mit dem Auto, dem öffentlich­en Nahverkehr oder doch mit dem Rad? Kosten, Komfort und „grünes“Gewissen im Check.

Schnäppche­n, aber zu den Kosten später mehr. In meinem Fall führte mich der Weg mit der S11 zum Hauptbahnh­of, um dann in die Straßenbah­n 709 umzusteige­n. Von dort geht es durchgehen­d bis zum Landtag. Auf dem Hinweg vergehen von der Haustür bis zum Landtag rund 45 Minuten. Auf dem Rückweg passiert dann, was der geneigte Bahnfahrer kennt. Beim Umstieg in die S-Bahn kommt die Durchsage: „Aufgrund einer Stellwerks­störung verzögert sich die Weiterfahr­t auf unbestimmt­e Zeit.“Meine spontane Entscheidu­ng ist es, auf die Busse der Stadtwerke zu setzen. Nach kurzer Wartezeit bringt mich der Bus dann zuverlässi­g nach Hause, aber für die verkorkste Rückfahrt schlägt eine volle Stunde Fahrzeit mit Maske zu Buche. Ob die spontane Entscheidu­ng die richtige war, werde ich nie erfahren. Nach dem Test steht für mich fest, ich würde einen weiteren Fußweg in Kauf nehmen und direkt in die Straßenbah­n steigen, denn je weniger Umstiege erforderli­ch sind, desto weniger Verzögerun­gen können auftreten.

Bleibt noch die sportliche Variante: Mit dem Fahrrad bin ich nach knapp zwei Kilometern auf der Südbrücke, rolle durch Hamm und schaffe es mit wenigen Ampeln in 20 Minuten bis zum Landtag. Sportlich keine große Herausford­erung, die App, mit der ich Fahrtstrec­ke messe meldet mir einen Höhenunter­schied

von 40 Meter. Die Parkplatzs­uche entfällt, mit dem Zweirad ist ein Stellplatz leicht zu finden. Zugegeben, im November ist es schon mal ungemütlic­h, aber dafür gibt es die passende Kleidung und die frische Luft macht morgens wach.

Zeit den Kostenfakt­or zu checken. Dabei braucht es Hilfe von Fachleuten. Zuerst zum Auto. Klar, die meisten nutzen ihr Auto nicht nur für die Fahrt zur Arbeit. Laut ADAC kostet ein durchschni­ttlicher Pendelkilo­meter für einen Normalfahr­er im Mittelklas­sewagen 0,47 Euro, vorausgese­tzt er hat sowieso ein Auto. Für meine Teststreck­e ergeben sich damit geschätzte Kosten von über 1500 Euro pro Jahr, bei 14 Kilometern an den durchschni­ttlichen 230 Arbeitstag­en pro Jahr. Würde ich standardmä­ßig über die

Autobahn fahren, würden sich die Kosten mehr als verdoppeln, mögliche Zusatzkost­en für einen Parkplatz in Düsseldorf noch nicht eingerechn­et.

Der ÖPNV ist da schon etwas günstiger. Das klassische Monatstick­et für Pendler ist laut Jörg Steinfort von den Stadtwerke­n Neuss ist das Ticket 2000 des VRR. Damit kann man natürlich auch private Fahrten machen und zum Teil auch einen Mitfahrer einladen. Im Jahr schlägt dieses Ticket mit gut 1300 Euro zu Buche. Zahlreiche größere Unternehme­n bieten Vergünstig­ungen an, so dass die Kosten sich noch nach unten korrigiere­n lassen. Die Fahrt mit dem Fahrrad ist wesentlich günstiger. Natürlich schlägt zu Buche, ob ein teures Pedelec zu Einsatz kommt oder die rostige Leeze.

Auch hier gibt ein Vergleichs­portal (dieeinspar­infos.de): Nehme ich hier den Mittelwert, also ein Markenfahr­rad ohne Motor, und lege die Kosten pro Kilometer für meine Teststreck­e an, komme ich auf unschlagba­re Kosten von 290 Euro, Pauschalen für Wartung und sogar Kleidung sind hier schon einberechn­et. Ein klarer Punkt für das Fahrrad. Wer eine teure Neuanschaf­fung plant, kann sich auch über Leasingang­ebote informiere­n, die zahlreiche größere Arbeitgebe­r inzwischen anbieten. Immer mehr Unternehme­n halten für radelnde Mitarbeite­r auch Stellplätz­e, Umkleideun­d auch Duschmögli­chkeiten bereit. Laut ADFC NRW wird rund die Hälfte der Kurzstreck­en bis fünf Kilometer noch immer mit dem Auto gefahren, fehlende Fahrrad-Infrastruk­tur ist hier der Hauptkriti­kpunkt des ADFC. Nebenbei bemerkt macht es steuerlich keinen Unterschie­d, wie ich zur Arbeit komme.

Beim Faktor Zeit liegen Fahrrad und Auto fast gleich auf, so lange kein Stau oder die Parkplatzs­uche in die Waagschale fällt. Kommen wir also zum „grünen“Gewissen. Hier liegt das Fahrrad wohl klar vorne, ich verbrenne überflüssi­ge Kalorien statt Benzin. Der ÖPNV kommt da wohl knapp hinter dem Fahrrad an. Letztlich ist für mich das Fahrrad der klare Sieger im Pendel-Check, denn es vereinen sich verschiede­ne Vorteile: Es ist kostengüns­tig, ich betätige mich sportlich schon auf dem Weg zur Arbeit, und letztlich kann ich auf dem Weg nach Hause den Frust des Arbeitstag­es in die Pedale treten, ein nicht zu unterschät­zender Vorteil für die Sozialhygi­ene. Es lohnt sich also, die Alternativ­en einmal auszuprobi­eren. Mein Fazit: Ich fahre weiter mit dem Rad und wenn der Winter im Rheinland zuschlägt, steige ich auf die Bahn um.

Der Check des neuen Carsharing Angebots der Stadtwerke ergab sich zufällig: Nach rund einer Viertelstu­nde ist der Anmeldepro­zess inklusive der Verifizier­ung des Führersche­ins durchlaufe­n und ich konnte ein Auto reserviere­n. An der Station öffnet ein QR-Code auf dem Handy die Autotür und man muss höchstens noch das Kabel einpacken, denn die Fahrzeuge fahren rein elektrisch. Leise und angenehm rollt das Auto los, wieder an der Station, geht der Vorgang wieder zurück, Stecker rein, Schlüssel im Handschuhf­ach einstecken und die App verschließ­t den Wagen. Zugegeben preislich ist das Carsharing nichts für Pendler, dafür ist es auch nicht konzipiert, aber für die private geplante Fahrt eine echte Alternativ­e zum eigenen Wagen oder Zweitwagen. Etwas flexibel sollte man aber schon sein, denn das Auto wird geteilt mit vielen Nutzern. Auf die muss man sich im Zweifel auch verlassen, dass sie pünktlich wieder abgeben und auch den Stecker wieder einstecken.

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FOTO: WOI Ute Böhm testet das Car-Sharing-Angebot der Stadtwerke Neuss.
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FOTOS (7): BÖHM Das kennen viele Pendler: Rein in die Bahn – und hoffen, dass alles planmäßig klappt.
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Während der Fahrt mit der Straßenbah­n kann der Blick auf die Landschaft wandern – oder man liest.
 ??  ?? Entspannt am Stau vorbei und gut für die Umwelt: die Tour zur Arbeit mit dem Fahrrad.
Entspannt am Stau vorbei und gut für die Umwelt: die Tour zur Arbeit mit dem Fahrrad.
 ??  ?? Nur wenige Schritte vom Landtag entfernt, kann der Heimweg wieder angetreten werden.
Nur wenige Schritte vom Landtag entfernt, kann der Heimweg wieder angetreten werden.
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Genießen kann man den Sonnenunte­rgang nicht, schließlic­h gehört der Blick auf die Straße, schade.
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Angekommen: Mit dem Auto kommt man problemlos zum Landtag, gesucht wird jetzt ein Parkplatz.

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