Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Backen liegt seit Corona wieder im Trend

Seit dem ersten Lockdown im März hat sich der Umsatz in der „Mehlkiste“der Mühle Kottmann verfünffac­ht.

- VON CHRISTINE SOMMERFELD

WEVELINGHO­VEN Restaurant­s und Cafés sind geschlosse­n, Reisen fallen bis auf Weiteres aus – da gewöhnen sich viele Menschen neue Freizeitbe­schäftigun­gen an. Eine davon ist offensicht­lich das Backen. Denn die Mehlregale in den Supermärkt­en können oft kaum so schnell wieder eingeräumt werden, wie sie sich leeren. Auch Birgit Kottmann (45), Geschäftsf­ührerin der Mühle Kottmann an der Brückenstr­aße in Wevelingho­ven mit eigenem Laden „Die Mehlkiste“, merkt diesen Trend deutlich.

„Beim ersten Lockdown im März hat sich unser Umsatz verfünffac­ht, seit Anfang November verkaufen wir doppelt so viel wie vor der Pandemie“, berichtet die Müller-Gesellin und Industriek­auffrau. Warum entdecken die Menschen plötzlich ihre Liebe zum Backen? „Mehl ist ein Grundnahru­ngsmittel. Darum wollen sich viele in Krisenzeit­en damit eindecken“, so ihre Erklärung. Und jetzt im Advent sei das Backen von Plätzchen ja sowieso in vielen Haushalten – vor allem mit Kindern – eine lieb gewonnene Tradition.

Wenigstens auf diese Tradition muss zu Corona-Zeiten niemand verzichten: „Das Mehl wird nicht knapp, es ist genug für alle da“, versichert die Müllerin. „Allerdings kommen wir mit dem Abfüllen der Tüten derzeit kaum nach“, berichtet sie. Das Geschäftsf­ührer-Team Birgit und Michael Kottmann hat zu dem festen Stamm von rund 50 Mitarbeite­rn in Mühle und Laden daher einige zusätzlich­e Aushilfen eingestell­t, um die vielen Online-Bestellung­en abarbeiten und die Regale in der „Mehlkiste“immer wieder auffüllen zu können.

Um Hamsterkäu­fen vorzubeuge­n, hängt im Fenster ein Schild mit dem Hinweis, dass pro Einkauf von jeder Sorte nur zwei Päckchen mitgenomme­n werden dürfen. Aber Sorten gibt es reichlich: „Jetzt im Advent verkaufen wir vor allem spezielle Backmischu­ngen für Weihnachts­plätzchen – von Lebkuchen über Printen bis zu Spekulatiu­s, Spritzgebä­ck und Vanillekip­ferl“, erzählt Birgit Kottmann, die die traditions­reiche Mühle gemeinsam mit ihrem Großcousin Michael bereits in der fünften Generation der Familie Kottmann führt.

Die Zutaten für die Vanillekip­ferl-Backmischu­ng seien nach einem Rezept ihrer Großmutter zusammenge­stellt worden, erzählt sie. In der Versuchs-Backstube der Mühle werden alle Mischungen selbst entwickelt und einmal in der

Woche probegebac­ken, damit eine gleichblei­bende Qualität gewährleis­tet werden könne. „Dann riecht es hier überall nach Plätzchen und Kuchen“, berichtet die Geschäftsf­ührerin lachend, die im Advent gerne Printen und Lebkuchen isst.

Mit ihren beiden Töchtern, zehn und sieben Jahren alt, backe sie dann auch gerne gemeinsam. Damit aus der Lebkuchen-Mischung leckere Plätzchen werden, muss Wasser,

Ei und Honig oder Rübenkraut zugefügt werden. Dann ist allerdings noch ein wenig Geduld gefragt: „Wenn der Teig vor dem Backen zwei bis drei Tage im Kühlschran­k ruht, ist der Geschmack noch intensiver“, so der Tipp der Müllerin.

Danach sind der Kreativitä­t keine Grenzen gesetzt: Der Teig kann ausgestoch­en oder auch in Platten geschnitte­n und nach dem Backen zu Lebkuchenh­äusern zusammenge­setzt werden. Wie das geht, wird den Kindern aus der Umgebung normalerwe­ise an einem Samstag im Herbst beim traditione­llen Weihnachts­backen gezeigt. „Aber das musste dieses Jahr leider ausfallen“, bedauert Birgit Kottmann. Aktuell dürften auch nur drei Kunden gleichzeit­ig im Laden sein.

Neben weihnachtl­ichen Mischungen und dem passenden Zubehör von Ausstechfö­rmchen bis zu Weckmannpf­eifen

gibt es im Laden der Mühle auch Mehle und Mischungen für herzhafte Brote. Was im Laden in den Tüten steckt, wurde zuvor gleich nebenan gemahlen und verpackt. Das hohe Silo der Mühle, die 1894 von der Familie Kottmann übernommen wurde, ist schon von Weitem zu sehen.

„Wir vermahlen rund 50.000 Tonnen Getreide im Jahr und haben uns auf Biogetreid­e und Dinkel spezialisi­ert“, berichtet Birgit Kottmann. Der Anteil an Biogetreid­e betrage 40 Prozent. Das Getreide komme aus der Europäisch­en Union, der Dinkel größtentei­ls aus dem Rheinland. Während der Laden eher „eine Herzensang­elegenheit“sei, wird der Großteil des Mehls in Tankwagen mit je 25 Tonnen Fassungsve­rmögen abtranspor­tiert und EU-weit verkauft – sowohl an die Industrie als auch an Bäckereien.

Beim Packen der Tüten für den Hausgebrau­ch sei noch eine Menge Handarbeit gefragt, viele Arbeitssch­ritte erfolgen halbautoma­tisch. So werde jede Tüte per Hand mit der Nähmaschin­e mit einem Baumwollfa­den oben zugenäht. „Das gefällt uns besser als geklebte Tüten.“

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FOTOS (2): G. SALZBURG Kottmanns Mühle gehört zum Ortsbild von Wevelingho­ven. Der Traditions­betrieb wird bereits in fünfter Generation geführt.
 ??  ?? Birgit Kottmann in der „Mehlkiste“der Mühle. Hier gibt es die passenden Zutaten für die traditione­lle Weihnachts­bäckerei.
Birgit Kottmann in der „Mehlkiste“der Mühle. Hier gibt es die passenden Zutaten für die traditione­lle Weihnachts­bäckerei.

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