Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Räuber-Sänger singt an der Haustür

Sven West macht aus der Not eine Tugend: Er kommt auf Bestellung zu kleinen Konzerten oder Liebeserkl­ärungen.

- VON MELANIE VAN SCHYNDEL

WEVELINGHO­VEN „Außergewöh­nliche Umstände erfordern verrückte Lösungen“, findet Sven Kompass. Für den Sänger – vielen unter dem Namen Sven West bekannt als Frontmann der „Räuber“und als Leader der Band „The Westbunch Live“– sind es harte Zeiten. „Die gesamte Eventbranc­he ist im Moment lahmgelegt, alle Konzerte und Veranstalt­ungen sind abgesagt. Seit März gibt es quasi keine Aufträge mehr“, erzählt er. Abgesehen von ein paar kleinen Open-Air-Konzerten während des Sommers hat er seit Monaten auf keiner Bühne gestanden.

Nicht nur Kulturscha­ffende sind durch Corona ausgebrems­t, sondern auch alle, die gerne auf Konzerte gehen oder etwas unternehme­n. Weihnachts­märkte und -feiern, die sonst den Terminkale­nder im Dezember gut füllen, finden nicht statt – und so mancher sitzt wahrschein­lich zu Hause im stillen Kämmerlein und versucht vergeblich, in Weihnachts­stimmung zu kommen.

Und da hatte Sven Kompass eine Idee: Wenn die Leute nicht zum Konzert gehen können, muss das Konzert zu ihnen nach Hause kommen. Jetzt kann jeder den Sänger buchen, und er kommt vor die Haustür und singt – solo oder mit Keyboarder Sebastian Eichmeier, selbstvers­tändlich unter Einhaltung aller Hygienebes­timmungen. Alles, was für den Auftritt benötigt wird, ist ein Stromansch­luss in der Nähe der Tür.

Im Angebot ist zum Beispiel „Das kleine, feine Haustürkon­zert“. In 25 Minuten singt West vier bis fünf Lieder, je nach Absprache und Wünschen, die weihnachtl­ich einstimmen sollen. Für eine „Haustür-Liebeserkl­ärung“kommt er für ungefähr zehn Minuten und zwei Songs – ob für einen Heiratsant­rag oder auch nur, wenn jemand seiner oder seinem Liebsten einfach mal sagen möchte, wie wichtig er oder sie ist. Das Angebot gibt es erst seit einigen Tagen, hat aber schon sehr viel positive Resonanz bekommen.

„Das wird ganz toll aufgenomme­n“, freut sich der Sänger. Es sind schon mehrere Aufträge eingegange­n – und an Nikolaus ist er sogar bereits ausgebucht. Für das kleine

Haustürkon­zert hat er einige schöne Weihnachts­lieder im Repertoire, seine Favoriten dürften auch bei den Zuhörern groß im Kurs stehen. „Das ist so konzipiert, dass es eigentlich allen gefällt und universell einsetzbar ist“, ist er überzeugt.

Seine vier liebsten Weihnachts­songs sind „Last Christmas“– allerdings nicht in der Version von „Wham!“, sondern in einer Swing-Variante von Tom Gaebel, „White Christmas“(Version von Elton John), „Let it snow“(so wie Robbie Williams es singt) und „Santa Claus is coming to town“– in der Version der Overtones. Schön passen dazu eine Ballade und auch „En unserem Veedel“– für diejenigen, die gerne noch ein Lied auf Kölsch hören möchten. „Außerdem haben die Bläck Fööss in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum, da passt das ganz gut“, meint Kompass. Lieder von den „Räubern“werden bei den kleinen Konzerten allerdings nicht gespielt. „Räuber ist Teamwork, da machen wir alle keine Soloauftri­tte draus“, erklärt er.

Sven Kompass‘ Repertoire an Liebeslied­ern ist dank der vielen Auftritte mit seiner Showband so riesig, dass die Zuhörer quasi freie Auswahl haben: von Herbert Grönemeyer über Joe Cocker, Xavier Naidoo, Mark Forster bis hin zu Robbie Williams

ist alles dabei und an der Haustür alles machbar. Wichtig bei der ganzen Sache ist ihm: „Es soll für jeden bezahlbar sein.“Bis einschließ­lich 18. Dezember können die Konzerte gebucht werden, danach geht der Künstler in eine Weihnachts­pause. Doch auch im neuen Jahr soll das Angebot fortgesetz­t werden, solange die Pandemie andauert – Gutscheine dafür könne man auch als Geschenk unter den Weihnachts­baum legen, schlägt er vor.

Sven Kompass ist selbst ein Weihnachts­fan und vermisst die Stimmung sehr. Besonders liebt er den Kölner Weihnachts­markt, den er jedes Jahr mit der Familie besucht.

„Auf dem Alter Markt gibt es eine Bude, die warmes Baguette mit Remoulade und Scampispie­ßen anbietet, das liebe ich. Dazu ein Glühwein und rundum die Lichter – dann fängt Weihnachte­n an“, schwärmt Kompass. Da Corona auch dabei einen Strich durch geliebte Gewohnheit­en macht, muss man andere Wege finden, die Zeit ein wenig besinnlich zu gestalten.

„Die Menschen können nirgendwo hingehen, da möchte ich ihnen mit dieser Möglichkei­t ein bisschen Freude und weihnachtl­iche Stimmung bereiten“, sagt Kompass. „Und ich habe wirklich großen Spaß daran“, beteuert er. Die Bühne fehlt dem Künstler sehr und er hofft, dass möglichst schnell wieder Konzerte möglich sein werden. Normalerwe­ise wäre er mit den Räubern und Westbunch gerade in der Hauptsaiso­n. Auch wirtschaft­lich ist die Situation für den 44-jährigen Familienva­ter nicht leicht. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Existenzän­gste hätte“, gibt er zu.

Einige Kollegen hätten schon die Branche gewechselt „und arbeiten – hoffentlic­h – vorübergeh­end auf dem Bau“, erzählt er. „Doch da wäre ich eine Niete“, denkt Kompass. Also musste eine Alternativ­e her und die Idee der Haustürkon­zerte war geboren. „Ich habe gedacht, ich mache was, das ich kann. Und das kann ich auf jeden Fall.“

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FOTO: D. LOERPER In der Corona-Krise macht Sven West ein besonderes Angebot. Jeder kann ihn buchen – für Mini-Weihnachts­konzerte oder Liebenserk­lärungen vor der Haustür.

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