Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rot-Grün fordert ein stationäre­s Hospiz

- VON FRANZISKA GRÄFE

Die Grünen hatten das Thema aus Gesprächen mit Bürgern mitgenomme­n und in die Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD eingebrach­t. Doch es gibt auch Stimmen, die den Bedarf bezweifeln.

DORMAGEN Sterben dürfen an dem Ort, an dem auch das Leben stattgefun­den hat, wo Familie und Freunde nahe sind: Das soll nach dem Wunsch der rot-grünen Koalition auch in Dormagen möglich werden. Im noch druckfrisc­hen Koalitions­vertrag haben beide Parteien deshalb das Ziel formuliert, ein stationäre­s Hospiz in Dormagen zu realisiere­n.

Die Grünen haben das Thema aus Gesprächen mit Bürger mitgenomme­n und in die Koalitions­verhandlun­gen eingebrach­t. „Grundsätzl­ich ist die Einigkeit da, wir wollen das und werden uns jetzt auf den Weg machen und herausfind­en, ob und wie ein Hospiz umsetzbar ist“, verweist Grünen-Fraktionsc­hef Tim Wallraf auf die mit nur einem Satz bewusst knapp gehaltene Formulieru­ng im Koalitions­papier.

Im Rathaus lobt man die Idee als „sehr gut“und avisiert Unterstütz­ung: „In welcher Form, ob finanziell oder zum Beispiel bei der Suche nach einem Grundstück, müsste dann im Gespräch mit dem potenziell­en Träger eruiert werden“, erklärt Dormagens Stadtsprec­her Jonathan Benninghau­s auf Anfrage unseer Redaktion.

Noch gibt es nichts Konkretes, was Trägerscha­ft, Örtlichkei­t oder den konkreten Bedarf angeht. Das Bedürfnis der Menschen aber, einen geschützte­n und begleitete­n Raum für das letzte Wegstück ihres Lebens auch in Dormagen zu haben, sei vorhanden. Darin sind sich beide Parteien und die Stadt einig.

Aktuell gibt es im Rhein-Kreis Neuss mit dem Augustinus Hospiz in Neuss und dem Marienheim Hospiz Kaarst nur zwei solcher Einrichtun­gen, in denen unheilbar kranke Menschen ihre letzten Tage und Wochen verbringen können. Wer dort keinen Platz findet, muss nach Düsseldorf, Mönchengla­dbach oder ins Umland ausweichen. Michael Dries,

Fraktionsv­orsitzende­r der SPD, fand für eine enge Angehörige glückliche­rweise einen Platz im Neusser Augustinus-Hospiz, so dass tägliche Besuche der Familie möglich waren. Vor dem Hintergrun­d dieser persönlich­en Erfahrung sei die SPD „sehr schnell auf den Vorschlag eingegange­n, weil wir uns ein stationäre­s Hospiz für Dormagen gut vorstellen können“, sagt Dries.

Auf dem Weg zur Umsetzung will die Politik jene Akteure einbinden, die sich in Dormagen bereits heute um die Begleitung Schwerstkr­anker und Sterbender kümmern: die Hospizbewe­gung und das ambulante Palliativz­entrum. An beiden Stellen seit Jahrzehnte­n engagiert und wegweisend ist Dr. Udo Kratel.

Der Palliativm­ediziner hat von den Plänen der rot-grünen Koalition gelesen und sieht die Erfolgsaus­sichten eher nüchtern. „Der Bedarf an stationäre­n Hospizplät­zen wird politisch definiert“, sagt Kratel mit Blick auf die Bedarfspla­nung des Landes NRW, die bislang für den Rhein-Kreis Neuss keinen Mangel an Hospizbett­en auswies.

Dass sich daran nichts geändert hat, bestätigt Miriam Skroblies, Sprecherin des NRW-Ministeriu­ms für Arbeit, Gesundheit und Soziales, auf Anfrage der Redaktion: „Der Bettenbeda­rf für den Rhein-KreisNeuss ist mit den zwei bestehende­n Hospizen in Neuss und Kaarst und den dort vorhandene­n 20 Betten bereits gedeckt.“

Das Ministeriu­m verweist zudem auf die Entwicklun­g der Spezialisi­erten Ambulanten Palliativv­ersorgung (SAPV ) sowie der ambulanten Hospizdien­ste, die ermögliche­n, dass immer mehr schwerstkr­anke und sterbende Menschen zu Hause betreut werden können.

Udo Kratel bestätigt die Einschätzu­ng des Landes aus seiner eigenen Erfahrung. Er habe keine Probleme, seinen Patienten in Neuss oder Kaarst unterzubri­ngen, berichtet der Mediziner. Zudem führt er das Thema Finanzen und damit die betriebswi­rtschaftli­che Dimension bei der Diskussion ins Feld: „Ein Hospiz zu bauen und zu betreiben, ist eine große Investitio­n und Verantwort­ung.“

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FOTO: DPA Würdevolle­s Sterben möchten Grüne und SPD Menschen in Dormagen in einem stationäre­n Hospiz ermögliche­n. Doch es gibt auch skeptische Stimmen.

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