Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Rot-Grün fordert ein stationäres Hospiz
Die Grünen hatten das Thema aus Gesprächen mit Bürgern mitgenommen und in die Koalitionsverhandlungen mit der SPD eingebracht. Doch es gibt auch Stimmen, die den Bedarf bezweifeln.
DORMAGEN Sterben dürfen an dem Ort, an dem auch das Leben stattgefunden hat, wo Familie und Freunde nahe sind: Das soll nach dem Wunsch der rot-grünen Koalition auch in Dormagen möglich werden. Im noch druckfrischen Koalitionsvertrag haben beide Parteien deshalb das Ziel formuliert, ein stationäres Hospiz in Dormagen zu realisieren.
Die Grünen haben das Thema aus Gesprächen mit Bürger mitgenommen und in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. „Grundsätzlich ist die Einigkeit da, wir wollen das und werden uns jetzt auf den Weg machen und herausfinden, ob und wie ein Hospiz umsetzbar ist“, verweist Grünen-Fraktionschef Tim Wallraf auf die mit nur einem Satz bewusst knapp gehaltene Formulierung im Koalitionspapier.
Im Rathaus lobt man die Idee als „sehr gut“und avisiert Unterstützung: „In welcher Form, ob finanziell oder zum Beispiel bei der Suche nach einem Grundstück, müsste dann im Gespräch mit dem potenziellen Träger eruiert werden“, erklärt Dormagens Stadtsprecher Jonathan Benninghaus auf Anfrage unseer Redaktion.
Noch gibt es nichts Konkretes, was Trägerschaft, Örtlichkeit oder den konkreten Bedarf angeht. Das Bedürfnis der Menschen aber, einen geschützten und begleiteten Raum für das letzte Wegstück ihres Lebens auch in Dormagen zu haben, sei vorhanden. Darin sind sich beide Parteien und die Stadt einig.
Aktuell gibt es im Rhein-Kreis Neuss mit dem Augustinus Hospiz in Neuss und dem Marienheim Hospiz Kaarst nur zwei solcher Einrichtungen, in denen unheilbar kranke Menschen ihre letzten Tage und Wochen verbringen können. Wer dort keinen Platz findet, muss nach Düsseldorf, Mönchengladbach oder ins Umland ausweichen. Michael Dries,
Fraktionsvorsitzender der SPD, fand für eine enge Angehörige glücklicherweise einen Platz im Neusser Augustinus-Hospiz, so dass tägliche Besuche der Familie möglich waren. Vor dem Hintergrund dieser persönlichen Erfahrung sei die SPD „sehr schnell auf den Vorschlag eingegangen, weil wir uns ein stationäres Hospiz für Dormagen gut vorstellen können“, sagt Dries.
Auf dem Weg zur Umsetzung will die Politik jene Akteure einbinden, die sich in Dormagen bereits heute um die Begleitung Schwerstkranker und Sterbender kümmern: die Hospizbewegung und das ambulante Palliativzentrum. An beiden Stellen seit Jahrzehnten engagiert und wegweisend ist Dr. Udo Kratel.
Der Palliativmediziner hat von den Plänen der rot-grünen Koalition gelesen und sieht die Erfolgsaussichten eher nüchtern. „Der Bedarf an stationären Hospizplätzen wird politisch definiert“, sagt Kratel mit Blick auf die Bedarfsplanung des Landes NRW, die bislang für den Rhein-Kreis Neuss keinen Mangel an Hospizbetten auswies.
Dass sich daran nichts geändert hat, bestätigt Miriam Skroblies, Sprecherin des NRW-Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, auf Anfrage der Redaktion: „Der Bettenbedarf für den Rhein-KreisNeuss ist mit den zwei bestehenden Hospizen in Neuss und Kaarst und den dort vorhandenen 20 Betten bereits gedeckt.“
Das Ministerium verweist zudem auf die Entwicklung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV ) sowie der ambulanten Hospizdienste, die ermöglichen, dass immer mehr schwerstkranke und sterbende Menschen zu Hause betreut werden können.
Udo Kratel bestätigt die Einschätzung des Landes aus seiner eigenen Erfahrung. Er habe keine Probleme, seinen Patienten in Neuss oder Kaarst unterzubringen, berichtet der Mediziner. Zudem führt er das Thema Finanzen und damit die betriebswirtschaftliche Dimension bei der Diskussion ins Feld: „Ein Hospiz zu bauen und zu betreiben, ist eine große Investition und Verantwortung.“