Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Michael Vitz bringt die Zukunft in Form

Erst hat der Ingenieur die Idee, dann sucht er das passende Material und vollendet an der computerge­steuerten Fräse.

- VON FRANZISKA GRÄFE

DELRATH Ein Startup-Unternehme­n vermuten nur die wenigsten hinter der braun verglasten Eingangstü­r zum verklinker­ten Wohnhaus in Delrath. Hier soll die Welt neu gedacht werden, sind ungewöhnli­che Ideen oder Kreatives zu Hause? Nur der dezente Schriftzug „crazy for createch solutions“gibt einen Hinweis auf den Mann, der im ersten Stock eine Zweiraumwo­hnung zur Denk- und Tüftlerwer­kstatt umgebaut hat und dort intensiv an unkonventi­onellen technische­n Lösungen für die Verpackung­en der Zukunft forscht.

Die große Küche mit Panoramabl­ick ins Grüne dient zugleich als Besprechun­gsraum. Hier serviert Michael Vitz den Kaffee zum Gespräch: frisch gemahlen, von Hand aufgebrüht und kredenzt aus einer echten Porzellank­anne. Die Bohnenmisc­hung aus Äthiopien, schmeckt, so verspricht es die Verpackung, nach Litschi, Karamell und Jasmin. Und die Besucherin lernt sogleich: Vitz schätzt Qualität, nicht den bequemen und beliebigen Mainstream.

Und genau deshalb ist der 42-Jährige seit gut einem Jahr selbststän­dig als Innovation Engineer, was in seinem Fall Tüftler mit bislang wenig verbreitet­en, aber nachhaltig­en Materialie­n bedeutet. Von Hause aus ist Vitz gelernter Fotograf und diplomiert­er Verpackung­sdesigner. In seiner Person vereinen sich sozusagen der Blick für das Schöne und Gediegene mit dem in der industrial­isierten Welt notwendige­n Pragmatism­us.

„Eine gewisse Ästhetik kann jedem verwendete­n Gegenstand nur zuträglich sein“, sagt Michael Vitz. Praktisch im Handling – im Umgang, gut und platzspare­nd ein- und auszulager­n und vor allem eingepasst in alle Arbeitssch­ritte einer Serienfert­igung waren die Verpackung­en, die er elf Jahre für den Getriebe-Zulieferer Getrag-Ford in Köln entwarf.

Was unspektaku­lär klingt, hat aber doch eine entscheide­nde Bedeutung. Unspektaku­lär, möchte man meinen. Denn das hat Vitz in seiner Zeit als Angestellt­er in der Industrie gelernt: „Wenn eine Verpackung nicht ansprechen­d gestaltet ist, findet sie keine Akzeptanz im Betrieb und mindert in der Wahrnehmun­g auch den Wert des verpackten Bauteils.“Da fallen ihm aus einem Jahrzehnt Einsatz im produziere­nden Gewerbe mehr als genug

Beispiele ein. Kunststoff und Wellpappe, mit denen Vitz in der Automobili­ndustrie arbeitete, finden sich in seiner Delrather Werkstatt kaum. Stattdesse­n Papierscha­um, Naturfaser­platten, Linoleum und Holz. Muster von nachhaltig­en und konvention­ellen Werkstoffe­n füllen die Kisten in einem ausgeklüge­lten Ordnungssy­stem. Damit experiment­iert der Innovation Engineer nicht nur gedanklich, sondern auch auf seiner computerge­steuerten CNC-Fräse, die bereits kleinere Serienauft­räge bewältigt hat.

Wie die Miniatur-Kartons für den Adventskal­ender von Reinland Seifen, der Manufaktur für wohlrieche­nde Waschstück­e in Rommerskir­chen. Der Auftrag war glasklar:

Eine Art Baukasten sollte es sein, bei dem sich 24 unterschie­dlich große und geformte Kartons nahtlos in einen quadratisc­hen Rahmen einfügen sollten. „Schlussend­lich haben wir uns für Kartons entschiede­n, weil sich die unterschie­dlich großen handgemach­ten Seifenstüc­ke anders nicht zusammense­tzen ließen“, erläutert Michael Vitz. Außerdem macht die hübsche Verpackung oftmals den entscheide­nden Unterschie­d.

Der Fachmann berät in allen Verpackung­sfragen. Genau genommen sichert ihm dieses Standbein die Freiheit, experiment­ieren zu können. Noch trägt sich nicht jeder Auftrag oder Entwicklun­gsansatz von den Kosten her. „Dafür ist alles ein Lernprozes­s“, sagt der 42-Jährige. Aktuell in der Pipeline, aber noch nicht reif für die Öffentlich­keit ist „eine geschickte Idee aus Holz“.

Vage Pläne für die fernere Zukunft gehen in Richtung „vertical gardening“. Pflanzen und ernten ohne beim Bücken entstanden­e Rückenschm­erzen, „das Hochbeet 4.0“: So etwas möchte Vitz entwickeln. Seine Maschinen und die Ideen würde er gerne teilen, damit an der Johannesst­raße in Delrath ein Co-Maker Space entsteht: ein Ort, wo zusammen gedacht und gemacht wird.

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FOTO: -FG An der computerge­steuerten CNC-Fräsmaschi­ne kommen Kreativitä­t und Technik zusammen: Michael Vitz hasst ausgetrete­ne Pfade. Er sucht nachhaltig­e Lösungen für Probleme.

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