Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Unterwegs zum Umweltverbund
Neuss will die Mobilitätswende und braucht dazu ein Konzept. Die Arbeit daran startet mit einer Bürgerbefragung.
NEUSS Die Zeit für den Neubau von Straßen, die nicht der Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete dienen, ist in Neuss vorbei. Solche Projekte würden die Hoffnung nähren, so Planungsdezernent Christoph Hölters, dass Autos weiterhin Vorrang vor anderen Verkehrsarten genießen. Doch das könnten sich Städte wie Neuss nicht mehr leisten. Und es passt nicht zu dem Ziel, in Neuss eine Mobilitätswende zu erreichen, die die Idee eines Modal Split, also die Aufteilung der Verkehrsströme, in Richtung Umweltverbund weiterentwickeln will. „Der Raum, der da ist, muss anders verteilt werden“, sagt Hölters.
Um das Ziel zu erreichen, wurde am Donnerstag in einem ersten Schritt eine Online-Befragung gestartet, um das Mobilitätsverhalten der Bürger und deren Wünsche für die Zukunft zu erfassen. Damit setzt die Stadt den Auftrag der Politik um, die ein Mobilitätskonzept auch im Klimaschutzkonzept verankert hat. Denn die mögliche CO2-Ersparnis wäre hoch – bei mittleren Kosten. Ende 2021 soll das Konzept fertig vorliegen, doch schon auf dem Weg dahin soll es Verkehrsversuche und damit Pilotprojekte geben.
„Die Verkehrswende ist nichts wert, wenn der Bürger am Ende nicht mitmacht“
Christoph Hölters Planungsdezernent
Was ist das Ziel? Die Ratsmehrheit von SPD, Grünen und UWG/Aktiv für Neuss hat in dem Kooperationsvertrag das Ziel formuliert, den Anteil des ÖPNV sowie des Fuß- und Fahrradverkehrs bis 2025 um jeweils fünf Prozent zu erhöhen. Beim Thema Radfahren hieße das, den Anteil am Gesamtverkehrs von 13 auf 18 Prozent auszubauen. Auf Sicht sieht Hölters Potenzial für 25 Prozent.
Was liegt schon vor? In der Vergangenheit wurde für Neuss schon ein Generalverkehrsplan entwickelt. Der betrachtete nur das Straßennetz, sagt Hölters. In den darauf folgenden Verkehrsentwicklungsplan seien auch andere Verkehrsmittel einbezogen worden, doch das Mobilitätskonzept soll auch darüber noch hinausgehen.
Was ist daran neu? Es sucht Antwort auf die Frage, wie Menschen ihre Mobilitätsbedürfnisse erledigen. Dazu gehören auch Wege, die „delegiert“– etwa wenn man im Internet eingekauft oder Lieferdienste beauftragt – oder nicht angetreten werden. Beispiel: Homeoffice. Hölters: „Rechner ersetzen Wege.“
Was läuft bereits? Die Verlängerung der Straßenbahnlinie ins Hammfeld ist schon lange als politisches Ziel definiert und weiterverfolgt – weil das einen Impuls für die Entwicklung des Augustinusviertels bedeutet. Auch die Verkehrsbesserung der Infrastruktur schreitet voran. So wurden gerade erst an 14 Standorten im Stadtgebiet Abstellmöglichkeiten für Räder geschaffen und am Donnerstag am Kinderbauernhof eine Fahrrad-Servicestation eröffnet. „Es besteht also kein Grund mehr, den Kinderbauernhof mit dem Auto anzusteuern“, sagt Bürgermeister Reiner Breuer.
Was meint der Begriff Verkehrsversuch? Mit diesem Instrument können Stadtplaner modellhaft eine Lösung testen, ohne sie dauerhaft einrichten zu müssen. Breiter Konsens herrscht schon in dem Punkt, auf der Hessentorkreuzung am Wendersplatz „Shared Space“zu testen, also die gleichberechtigte Nutzung des Verkehrsraumes durch alle Teilnehmer. Ein Versuch „Gemeinschaftsplatz“könnte es an der Erftstraße/Platz am Niedertor geben, wo die gesamte Platzfläche einschließlich der Gehwege geöffnet werden würde. Autofreie Innenstadt wäre ein Thema, das auf der
Achse Sebastianusstraße/Glockhammer etabliert werden könnte. An Michael- und Hamtorstraße wiederum könnten von parkenden Autos „befreit“werden. Das müsste mit der Positiv-Botschaft verbunden werden, wie man den so gewonnenen Raum besser nutzt, sagt Hölters.
Was ginge ganz schnell? Die gegenläufige Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer und die Ausweisung weiterer Tempo-30-Zonen seien konzeptionell und schnell umsetzbar. Und auch eine erste Fahrradstraße kann es schon 2021 geben.