Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
VDA-Präsidentin fordert „erschwingliche Mobilität“
Hildegard Müller diskutierte beim „Talk am Pegel“mit Experten über die Herausforderungen auch der Automobil-Industrie.
Neuss Jörg Geerlings, „Erfinder“des Formats „Talk am Pegel“, musste jetzt zum zweiten Mal auf eine Liveveranstaltung verzichten. Interessant war`s aber trotzdem, nicht nur, weil das Thema „Mobilität der Zukunft“jeden betrifft. Live dazugeschaltet waren am Mittwochabend Christian Lange vom Landesverkehrsministerium, der Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe, ADFC-Kreisvorstandsmitglied Heribert Adamsky sowie Hildegard Müller. Die frühere Bundesvorsitzende der Jungen Union ist Vorsitzende vom Verband der Automobilwirtschaft (VDA).
„Die Autoindustrie steckt derzeit im größten Transformationsprozess ihrer Geschichte“, erklärte Hildegard Müller. Auf der einen Seite müssten gewaltige Summen in neue Technologien investiert werden, andererseits habe die Pandemie
zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung geführt: „Der Pkw-Absatz sank um 25 Prozent und es wurden 30 Prozent weniger Nutzfahrzeuge bestellt.“Die Zulieferer seien besonders hart getroffen, jeder zweite plane Personalabbau. Alleine die Tatsache, dass in Deutschland 850.000 Menschen direkt in der Automobilindustrie arbeiten, unterstreiche nach Hildegard Müllers Darststellung die wirtschaftliche Bedeutung dieser Leitbranche.
Was sie scharf kritisierte: „Die Euro-7-Norm der EU-Kommission ist technisch nicht umsetzbar, sie käme dem Verbot von Verbrennungsmotoren gleich.“Gleichwohl werde die Autoindustrie enorm in alternative Energien investieren. Vor allem für Lkws sei die Wasserstofftechnik interessant, ansonsten setze die Automobilindustrie auf Elektroantriebe. Verbrennungsmotoren hätten aber auch eine Zukunft, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden.
Hildegard Müller fordert von der Politik folgendes: „Mobilität muss für alle Menschen erschwinglich sein.“Der Staat müsse die Verhältnisse in ländlichen Regionen ebenfalls im Blick haben. Und: „Er muss den Dialog nicht nur mit denen führen, die am lautesten schreien.“
Für den Neusser Bundestagsabgeordneten Hermann Gröhe ist Mobilität „ein herausragendes, individuelles, menschliches Bedürfnis“. Es müsse aber eine Mobilität sein, „die nicht den Planeten ruiniert“. Seine Forderung: „Die Politik muss dafür sorgen, dass es Wahlmöglichkeiten gibt.“
Christian Lange vom Landesverkehrsministerium erklärte, die Mobilität müsse sauberer, sicherer und besser werden. „Ziel ist es, den Menschen in Nordrhein-Westfalen attraktive Mobilitätsangebote zu machen und diese Angebote auf die individuellen Bedarfe auszurichten.“Es dürfe kein Entweder-Oder geben, sondern nur ein Sowohl-als-auch. Lange kann sich vor allem in ländlichen Bereichen On-demand-Fahrzeuge vorstellen, die per App gerufen werden – das sei eine sinnvolle Ergänzung zum Öffentlichen Personennahverkehr. Damit der ÖPNV für mehr Menschen interessant wird, müsste es landesweit ein einheitliches Ticketing geben, das heißt, es darf sich niemand mehr im Tarifdschungel verirren. Er ging auch auf den Erfolg des 365-Euro-Tickets in Wien und auf die Forderungen nach kostenlosem ÖPNV ein: „Kostenlos sind Busse und Bahnen nie, die Menschen müssen sie wie auch immer finanzieren.“Und das 365-Euro-Ticket sei nur in Ballungsräumen eine mögliche Option.
Heribert Adamsky vom ADFC möchte, dass noch mehr Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet werden. Bei beidseitigem Parken sei dies aus Platzgründen oft nicht möglich. Sein Vorschlag: Parkgebühren verteuern und gleichzeitig verlockende Angebote für die Nutzung der vorhandenen Parkhäuser machen. Adamsky sprach sich gegen „Eltern-Taxis“aus – sie verschärften die Probleme im Straßenverkehr.