Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Der Aufwand ist deutlich gestiegen“
Seit der Pandemie sind Rettungseinsätze anstrengender geworden. Sanitäterin Lisa Rohr berichtet von ihrer Schicht.
NEUSS Ihre Stimme klingt putzmunter. Dabei hat Lisa Rohr gerade erst ihre 24-Stunden-Schicht als Notfallsanitäterin beim DRK beendet. 48 Stunden lang hat sie anschließend frei, dann startet die nächste Rundum-die-Uhr-Schicht. Seit Corona seien die Fahrten im Rettungswagen (RTW) deutlich anstrengender geworden, erzählt die 27-Jährige. „Die Einsatzzahlen sind zwar weitgehend konstant geblieben. Doch der Arbeitsaufwand ist deutlich gestiegen.“
Das Zweier-Team – vor Corona waren die DRK-Mitarbeiter auch zu Dritt im RTW unterwegs – geht inzwischen nicht mehr grundsätzlich in die Wohnungen. „Wenn der Leitstelle ein Notfall mit Symptomen wie Fieber oder Luftnot gemeldet wurde, stehen wir erst an der Tür und rufen rein“, so Rohr. Gibt es den Verdacht einer Corona-Infektion, „startet das volle Programm“. Kittel, Schutzbrille, Haube und FFP2-Maske ziehen die Sanitäter über, bevor
„Wir versuchen vorher auszuschließen, dass eine Corona-Infektion vorliegt “
Lisa Rohr Notfallsanitäterin sie Patienten versorgen.
„Wir versuchen vorher auszuschließen, dass eine Corona-Infektion vorliegt“, sagt Lisa Rohr. Das sei nicht immer ganz einfach. „Denn manchmal werden Bauchschmerzen gemeldet und es stellt sich heraus, dass es zudem Symptome wie Fieber und Schüttelfrost gibt.“Auch würden gerade ältere Patienten selten ihre Temperatur messen.
Sobald die Sanitäter Verdacht auf „irgendeine Infektion“haben, „läuten bei uns sämtliche Alarmglocken“. Anhand der Vitalparameter wie beispielsweise Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz erfolgt dann die Zuweisungsstrategie. Je nach Zustand des Patienten eingeteilt in Ampelfarben: grün, gelb, rot. „Ab Kategorie gelb rufen wir den Notarzt hinzu“, erklärt Rohr. Die Krankenhäuser geben regelmäßig an die Leitstelle durch, ob und wie viele Betten sie frei haben in den jeweiligen Kategorien. „Es gab auch schon Situationen, dass weder das Lukas- noch das Etienne-Krankenhaus Betten frei hatten für Patienten mit gelber oder roter Einteilung.“Dann mussten woanders freie Betten gefunden werden.
Nach einem solchen Einsatz ist der Hygieneaufwand für die Retter immens. „Wir müssen alles, womit wir in Kontakt gekommen sind, wischen, putzen, desinfizieren: Sowohl in der Wache als auch im Wagen. Dann ist unser RTW zeitweise außer Dienst“, erzählt Lisa Rohr.
„Gehen viele Notfälle ein, fragen die Kollegen von den Johannitern oder Maltesern schon an, wie lange wir noch brauchen.“
Da der Aufwand sehr arbeitsintensiv ist, würde sie sich mehr Feedback seitens der Kliniken wünschen. Diese seien zwar verpflichtet zu melden, wenn sich ein Corona-Verdacht bestätigt. „Doch das erfolgt recht spärlich.“Für die Sanitäter eine zusätzliche Belastung. „Denn wir sind in unserem privaten Umfeld natürlich noch umsichtiger, wenn wir davon ausgehen, Kontakt mit einem Corona-Patienten gehabt zu haben.“
Belastend seien auch manche Notfall-Situationen. Wie die Patientin, die Chemotherapie erhält.
Als die Sanitäter eintreffen, ist die Frau vollkommen kraftlos und weint bitterlich aus Angst vor Ansteckung im Krankenhaus. Das gehe ihr schon sehr nahe, so Rohr. Hart sei es insbesondere für die Angehörigen, die zurzeit nicht im RTW mitfahren können. Ausnahme sind Notfälle mit Kindern. Dann darf ein Elternteil mit.
Muße, sich persönlich auf Weihnachten einzustellen, zu dekorieren oder Plätzchen zu backen, habe sie derzeit nicht, gibt Lisa Rohr zu: „Dieses Jahr ist das schwierig.“Weihnachten hat sie auch Dienst. Neben Notfällen wegen körperlicher Symptome sorgt sie sich auch um die Psyche mancher Menschen: „Es werden viele einsam sein.“