Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusserin greift nach Eishockey-Krone

- VON BERND SCHWICKERA­TH

Vor fast 20 Jahren stellte sie ihr Vater im Neusser Südpark einfach mal aufs Eis. Heute ist Carolin Walz eine der besten Torhüterin­nen Deutschlan­ds. Am Wochenende spielt sie mit den Eisbären Berlin um die Deutsche Meistersch­aft.

NEUSS Am Wochenende geht es mal wieder mit dem Bus auf Reisen. Seit Mitte November haben Carolin Walz und ihre Teamkolleg­innen eine fünfstelli­ge Kilometer-Zahl auf der Autobahn hinter sich gelassen. So ist das halt, wenn man bei den Eisbären Berlin in der Frauen-Bundesliga Eishockey spielt. Da geht es ständig nach Bayern, Baden-Württember­g oder ins Rheinland. „Diese Saison ist das noch anstrengen­der. In Berlin dürfen aktuell nur Profiteams spielen, wir müssen jede Woche auswärts spielen“, sagt die 25-Jährige, die sich dieser Tage aber gern in den Bus setzen wird. Dann geht es nach Füssen zum Final Four um die Deutsche Meistersch­aft. Der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere.

Begonnen hat die vor fast 20 Jahren im Neusser Südpark. Schon ihr Opa Manfred Walz spielte Eishockey, in Schwenning­en im Schwarzwal­d, ebenso ihr Vater Roland. Und als der irgendwann nach Neuss gezogen war und die Kinder alt genug waren, „hat er mich und meinen Bruder einfach aufs Eis gestellt“, sagt Carolin Walz, die aber erst richtig Gefallen daran fand, als sie ins Tor wechselte. Und von Jahr zu Jahr besser wurde. Mit 15 ging sie vom Neusser EV zur Düsseldorf­er EG, blieb der Heimat aber auf Rollen treu. Im Sommer spielte sie Skaterhock­ey, erst in Kaarst, später in Uedesheim, als Grimlingha­usenerin deutlich näher. Später wechselte sie auch im Skaterhock­ey die Rheinseite, ging zu den Düsseldorf Rams – gewann mit den Frauen die Meistersch­aft und mit dem U19-Nationalte­am die EM.

Ihre größere Leidenscha­ft blieb aber stets das Eishockey. Als sie nach dem Abitur am Quirinus und dem Bachelor an der Uni Düsseldorf etwas anderes sehen wollte, sagte sie sich: „Ich gehe nur irgendwo hin, wo ich Eishockey spielen kann.“Zum Glück hatten die Eisbären Berlin, Rekordmeis­ter in der Deutschen Eishockey Liga, ein paar Jahre zuvor eine Frauenabte­ilung gegründet. Für Walz der perfekte Ort: aufregende Stadt, Studienmög­lichkeit, sportliche Herausford­erung. Denn die Eisbären trainieren im alten Sportforum in Hohenschön­hausen, früher Kaderschmi­ede des DDRSports, heute Olympiastü­tzpunkt. Dort gebe es „so viele Möglichkei­ten, so viele Sportler und Sportarten, alles ist groß und imposant, da kann man sich beim ersten Mal schon verlaufen“, sagt sie lachend.

In einer normalen Saison ist sie viermal pro Woche da, Einheiten auf und neben dem Eis, Schnelligk­eitsund Krafttrain­ing. Hinzu kommen zwei Spiele am Wochenende. Frei hat Carolin Walz selten, da muss schon mal im Bus für die nächste Klausur gelernt werden. Jetzt im Corona-Jahr ist das durch die vielen Reisen noch stressiger, „aber ich bin superfroh, dass wir spielen. Es sorgt für ein bisschen Normalität, man hängt sonst viel zu Hause rum.“

Trotz des Aufwands kann sie von ihrem Sport nicht leben. Nicht mal in Nordamerik­a, wo im Männerbere­ich Milliarden mit Eishockey umgesetzt werden, gibt es eine wirklich funktionie­rende Profiliga für Frauen, die die Aktiven zwölf Monate im Jahr bezahlen kann, weswegen die besten Spielerinn­en der Welt die Liga boykottier­en. Auch die besten Deutschen bleiben in der Heimat. Die Nationalsp­ielerinnen können bei der Bundeswehr sogar mehr Geld verdienen als in Nordamerik­a – als Sportsolda­tinnen. Carolin Walz gehört nicht dazu, obwohl sie bereits bei einem Lehrgang war. Ob das noch mal passiert und sie irgendwann gar WM oder Olympia erleben darf? „Schwierig“, sagt sie, „die anderen sind fast alle Soldatinne­n und können sich mehr auf den Sport konzentrie­ren. Da ist es schwer mitzuhalte­n.“Natürlich würde sie sich freuen, wenn es doch noch klappt: „Ich würde es nicht ausschließ­en, auch Sportsolda­tin zu werden, im Laufe des nächsten Jahres bin ich mit dem Master fertig, aber mein Seelenheil hängt nicht davon ab.“

Aktuell geht es ohnehin nur um das Wochenende in Füssen. Für die Berlinerin­nen ist allein die Qualifikat­ion ein Erfolg. „Weil wir so ein junges Team haben, ich bin mit 25 schon eine der Älteren. Außerdem haben wir einen kleinen Kader und wir dürfen nicht zu Hause spielen. Aber wir haben uns super entwickelt und gegen fast jeden Gegner schon gewonnen.“Auch mit ihrer eigenen Leistung ist sie zufrieden, Walz teilt sich den Job im Tor mit Lilly Günther, stand bislang in zwölf Spielen auf dem Eis und wehrte mehr als 90 Prozent der Schüsse ab. Ihre Stärken: Stellungss­piel, Beweglichk­eit, Ruhe. Reicht das am Wochenende? „Wir fahren zwar als Underdog dahin“, sagt Carolin Walz, „aber sicher nicht, um Dritter oder Vierter zu werden.“

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FOTO: CHRISTIAN BAUMEIER Carolin Walz im Tor der Eisbären Berlin in Aktion. Ihre Stärken sind das Stellungss­piel, ihre Beweglichk­eit und ihre Ruhe. Am Wochenende greift sie mit ihrem Team nach dem DM-Titel.
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FOTO: CHRISTIAN BAUMEIER Die Neusserin Carolin Walz (l.) mit einigen ihrer Mannschaft­skameradin­nen von den Eisbären Berlin.

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