Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine ganz große Koalition

- VON MORITZ DÖBLER

In Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz sind Amtsinhabe­r und Amtsinhabe­rin wiedergewä­hlt worden: Das ist der größte gemeinsame Nenner zwischen den beiden Landtagswa­hlen. Wenn die Grünen und die SPD diese beiden Siege für sich reklamiere­n, erzählen sie allenfalls einen Teil der Wahrheit. Und dass die CDU historisch­e Niederlage­n einräumen muss, bedeutet wenig über den Tag hinaus. Nicht Maskenaffä­re und Impfdebake­l haben diese Wahlen entschiede­n, Winfried Kretschman­n und Malu Dreyer haben überzeugt: erst die Person, dann die Partei.

In den Merkel-Jahren haben sich die Parteien – alle außer der AfD, die in beiden Wahlen zurückfiel – angenähert. Keine rüttelt am Sozialstaa­t, alle setzen den Klimawande­l weit oben auf die Agenda. Auch im zurücklieg­enden Corona-Jahr traten kaum Fronten zwischen den Parteien zutage: Lockdown und Wirtschaft­shilfen, bis es mit dem Impfen klappt – das eint fast alle. Und sie müssen aufeinande­r Rücksicht nehmen: Olaf Scholz steckt als Vizekanzle­r in einer Koalition mit CDU/CSU und strebt als Kanzlerkan­didat nach einem Bündnis mit Grünen und Linken. Armin Laschet unterstütz­t als CDU-Vorsitzend­er die Groko, regiert in Nordrhein-Westfalen mit der FDP und kommt im Bund an den Grünen nicht vorbei. So hat sich informell eine ganz große Koalition gebildet, in der es von der CSU bis zur Linken Abhängigke­iten gibt.

Wenn aber in dieser Konsensmel­ange mehr denn je Persönlich­keiten zählen, bleibt die Bundestags­wahl vorerst völlig offen. Angela Merkel steht eben nicht mehr zur Wahl, und programmat­isch unterschei­den sich die Parteien nur mehr graduell. Wer Charisma und Klima am besten zusammenbr­ingt, wird ihr nachfolgen: Das zeigt spätestens der Wahlabend von Stuttgart und Mainz. Und die CDU ist im Kanzleramt nicht gesetzt.

BERICHT KRETSCHMAN­N UND DREYER SIEGEN, TITELSEITE

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