Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

1303 Tempoverst­öße an einem Tag

- VON ARNE LIEB

Auf der Merowinger­straße in Bilk gilt seit der Abschaffun­g der Umweltspur Tempo 30. Das wissen viele Autofahrer offenbar nicht: Der dortige Blitzer hat eine eindrucksv­olle Bilanz.

BILK Die neue Tempo-30-Regelung an der Merowinger­straße in Bilk wird für viele Autofahrer teuer. Seit mehr als einer Woche überwacht die Stadt mit einem mobilen Blitzer das Tempo an der wichtigen Achse in Richtung Innenstadt, auf der sich bis Ende Februar eine der Umweltspur­en befunden hatte. Das Gerät weist eine eindrucksv­olle Bilanz auf, wie eine erste Auswertung auf Anfrage unserer Redaktion zeigt.

Allein nach dem ersten Kontrollta­g, dem 15. März, leitete die Stadt 1303 Verfahren wegen zu hohen Tempos ein. In 1116 Fällen handelte es sich um Verwarnung­en; diese werden fällig bei einer Überschrei­tung von bis zu 20 Kilometer pro Stunde (15-35 Euro). In 113 Fällen drohen Bußgelder in Höhe von 80 Euro und ein Punkt in der Verkehrssü­nderkartei, weil die Fahrer die Geschwindi­gkeit um 21 bis 25 km/h überschrit­ten haben. 19 Autofahrer müssen nach der Kontrolle an diesem Montag mit einem Fahrverbot von mindestens einem Monat und einem Bußgeld von mindestens 100 Euro rechnen, weil sie noch schneller unterwegs waren. Die höchste Überschrei­tung betrug einem Stadtsprec­her zufolge 42 km/h.

Die Bilanz der weiteren Messtage legt die Stadt noch nicht vor, eine Auswertung sei erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, heißt es. Der Trend ist aber bereits abzulesen: Die Messungen wiesen „im Vergleich

zu anderen Standorten einen außergewöh­nlich hohen Wert auf“, so der Sprecher.

Die Merowinger­straße steht wegen der hohen Luftbelast­ung im Fokus. Es handelt sich um die einzige Straße in Düsseldorf, bei der nicht auszuschli­eßen ist, dass selbst im Corona-Jahr 2020 die Stickoxidb­elastung über dem Grenzwert lag. Aus diesem Grund wurde die Straße vor drei Jahren als einer von drei Standorten für den Verkehrsve­rsuch mit den Umweltspur­en ausgewählt. Eine der beiden Fahrspuren in Richtung Innenstadt wurde damals in eine Sonderspur für Busse, Räder und E-Autos umgewandel­t. Seit dem 1. März ist sie wieder für den Autoverkeh­r freigegebe­n.

Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) und das schwarz-grüne Ratsbündni­s haben sich aber im Gegenzug auf andere Maßnahmen für den Luftschutz verständig­t. So drosselt eine Pförtneram­pel an der Kreuzung Münchener Straße/ Südring neuerdings den Verkehr, außerdem gilt Tempo 30 auf dem Abschnitt zwischen Ludwig-Hammers-Platz und Kopernikus­straße, und zwar in beide Richtungen. Die Stadt begründet das mit dem besseren Verkehrsfl­uss, weil eine Grüne Welle entstehe. Allein durch das geringere Tempolimit soll die Stickoxidb­elastung um ein bis zwei Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresschn­itt gesenkt werden – ein deutlicher Schritt unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm.

Zwei Wochen konnten sich die Autofahrer auf die neue Regelung einstellen. Nun wird kontrollie­rt. Im Internet sorgt das für einige Erregung. Autofahrer werfen der Stadt vor, dass die Regelung schlecht markiert und unzureiche­nd kommunizie­rt war. Ein Stadtsprec­her hält entgegen, dass sechs „Tempo 30“-Schilder angebracht worden sind. In der Tat hat die Stadtverwa­ltung darüber hinaus in diversen Mitteilung­en auf die Neuregelun­g hingewiese­n. Auch in der Ankündigun­g der mobilen Kontrollen wurde die Merowinger­straße immer genannt – der Blitzer war also kein Geheimnis. Die Zahlen legen trotzdem den Verdacht nahe, dass viele Autofahrer überrascht worden sind.

Auch im Rest der Stadt könnte es bald häufiger Tempo 30 geben. Das schwarz-grüne Bündnis hat sich darauf verständig­t, auf der Luegallee in Oberkassel einen entspreche­nden Versuch einzuricht­en. In ihrer Kooperatio­nsvereinba­rung haben die Partner ansonsten festgeschr­ieben, dass sie „im Einzelfall“über Tempo 30 entscheide­n wollen, wenn es Sicherheit, Umwelt oder Lärmschutz dient. Die Grünen wären sogar offen dafür, Tempo 30 zur neuen Regelgesch­windigkeit zu machen. Das aber lehnt die CDU ab. SPD und Linksparte­i würden ebenfalls flächendec­kendes Tempo 30 befürworte­n, die FDP ist dagegen. Ohnehin fehlt bislang die Rechtsgrun­dlage für ein flächendec­kendes Tempo 30 auf kommunaler Basis.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Stadt hat einen mobilen Blitzer an der Merowinger­straße platziert. Dort gilt neuerdings Tempo 30.

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