Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Tony Cragg zeigt Joseph Beuys
„Perpetual Motion“heißt die neue Ausstellung im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden. Besitzer Cragg präsentiert dort Werke zu Beuys' 100. Geburtstag. Ein Rundgang durch alle Zeit- und Stilformen des 1986 gestorbenen Künstlers.
WUPPERTAL Worte, in Kreide gekritzelt, auf einer großen, schwarzen Tafel: „Kunst ist, wenn man trotzdem lacht.“Dieser Satz bleibt sofort hängen beim Rundgang durch die Ausstellung im Wuppertaler Skulpturenpark. Er stammt von Joseph Beuys und prägt eines von über 20 Werken, die Parkbesitzer Tony Cragg in einer neuen Schau präsentiert. Zum 100-jährigen Geburtstag des Malers, Bildhauers und Aktionskünstlers bietet Cragg in seinem „grünen Wohnzimmer“auf den Wuppertaler Höhen dem von ihm verehrten Multitalent ein Forum. „Perpetual Motion“– ewige Bewegung also – hat er die Ausstellung genannt.
In zwei großen Glaspavillons hat Cragg mit Kuratorin Corinna Thierolf rund 20 Exponate des 1921 geborenen Künstlers arrangiert. Er hat dafür seine Kontakte zu renommierten Galerien und Leihgebern genutzt, die diese Schau ermöglicht haben: „Wir haben hier über 20 sehr begehrte Werke, die nach dieser Ausstellung allesamt in andere große Häuser gehen“, erklärt Cragg. Nicht wirklich verwunderlich, denn im 100. Geburtsjahr von Joseph Beuys sind viele auf die Idee einer Ausstellung über den Aktionskünstler gekommen.
Aber bei Cragg steckt mehr dahinter: Als 23-Jähriger begegnete er Beuys zum ersten Mal: 1972 in der Londoner Whitechapel Gallery. „Ich hörte ihn damals auf einem Vortrag zu Dynamik von Leben und Kunst und war fasziniert“, erinnert sich Cragg. „Beuys stand dort vor einer großen schwarzen Tafel und schrieb unermüdlich Ideen und Theorien darauf.“Immer wieder kreuzten sich ihre Wege – zuletzt an der Kunstakademie Düsseldorf, an der beide Künstler lehrten und Cragg später Rektor wurde.
Was bekommen die Besucher zu sehen? Eigentlich alles, was Beuys ausgemacht hat. Sowohl zeitlich als auch inhaltlich spiegeln die Exponate das ganze Spektrum von Beuys' Schaffensradius. Und der war schier unerschöpflich: Skulpturen, Zeichnungen, Installationen aus allen erdenklichen Materialien sind zu sehen: Kleine
Plastiken aus Gips und Metall, Ziegelsteine, Holz, Glas, Plastik, Gips – Beuys hat alles verarbeitet. Exponate aus den 40er-Jahren bis zu seinen Spätwerken sind vertreten. Sogar die Aufnahme eines Streitgesprächs zwischen Beuys und dem Journalisten Willi Bongard können Interessierte per Tonband hören.
Das Hauptwerk in Wuppertal ist die „Badewanne“, ein Monument aus Bronze, Blei und Kupfer, das erst nach seinem Tod fertiggestellt wurde, wie Kuratorin Corinna Thierolf sagt. Beuys habe sich immer der Natur und den archaischen Anfängen verbunden gefühlt. Andererseits war er extrem zukunftsgerichtet: „Beuys war ein großer Öffner, der weit über seine Arbeit hinaus gewirkt hat.“Er habe in jedem Menschen einen Gestalter gesehen. Das passt zu seinem Credo: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“
Für Beuys war jedes Werk ein Medium der Erkenntnis und Nährboden für neue Ideen. Dieser Geist hat auch Cragg inspiriert und seine Beschäftigung mit Materie und Bewegung beeinflusst. Er selbst ist längst weltberühmt, seine Skulpturen stehen auf der ganzen Welt.
Immer wieder schwarze Tafeln, mit Kreide beschrieben, fallen dem Betrachter beim Rundgang auf: Teils als fragmentierte Gesamtwerke („Minneapolis-Fragmente“), teils als Einzelstücke wie die „Innsbrucker Tafel“und „Letter from London“. „Beuys war sehr inspiriert von der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners“, erläutert Cragg. Der Gründer der Waldorf-Schulen habe häufig solche Tafeln benutzt. Wie viele Gedanken, Ideen, Theorien und Fragen Beuys im Kopf hatte, das wird gerade beim Blick auf diese beschriebenen Platten deutlich. Ihn auf eine künstlerische Richtung zu reduzieren, ist nicht möglich. Nicht ohne Grund sind viele Werke von Beuys im Rahmen öffentlicher Gespräche und Aktionen entstanden.
Zu all der Vielseitigkeit passt auch Craggs Antwort auf die Frage nach seinem Lieblingswerk von Beuys: „Ich habe kein spezielles Objekt. Es ist vielmehr die Gedankenwelt, die ihn ausgemacht hat“, sagt er, „seine immer neuen Ideen, sein Experimentieren“.
Ein letzter Blick lohnt sich am Nachmittag auf das Werk „Iphigenie“. Dann dringen die Sonnenstrahlen im perfekten Winkel durch die gläserne Pavillonwand und bringen die zwei großen Konzertbecken aus Messing zum Leuchten. Ein schönes Bild für die unerschöpfliche Energie, die Joseph Beuys gehabt haben muss.
„Es ist die Gedankenwelt, die ihn ausgemacht hat, seine Ideen, sein Experimentieren“Tony Cragg Bildhauer, über Joseph Beuys