Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kreis-Etat mit drei Premieren verabschie­det

Nur ein „halber“Kreistag stimmt ohne Debatte mit breiter Mehrheit wie selten dem Haushalt für das laufende Jahr zu.

- VON LUDGER BATEN

RHEIN-KREIS Die nackte Nachricht erzählt sich schnell. Auf seiner zweiten Sitzung in dieser Wahlperiod­e hat der Kreistag am Mittwoch den Haushalt für das bereits laufende Jahr mit einem Gesamtvolu­men von 573,7 Millionen Euro mit breiter Mehrheit verabschie­det. Rund 64 Prozent des Finanzplan­es sind für Sozialleis­tungen – Landschaft­sumlage inklusive – vorgesehen. Darauf weisen Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e und Kämmerer Ingolf Graul regelmäßig hin.

Die Kreisumlag­e, mit der die Arbeit des Rhein-Kreises von den acht kreisangeh­örigen Kommunen erheblich mit finanziert wird, sinkt um 1,89 Prozentpun­kte auf aktuell 34,56. Das ist der niedrigste Hebesatz seit Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmana­gements (NKF) im Jahr 2007. Zudem beschloss der Kreistag, dass der Hebesatz zur Kreisumlag­e auch im kommenden Jahr nicht erhöht wird, um den Kommunen mehr Sicherheit für ihre Finanzplän­e zu geben. Der Etat ist die wichtigste Arbeitsgru­ndlage für die Verwaltung. „Jetzt können wir wieder gesichert handeln“, stellte Landrat Petrauschk­e nach der Beschlussf­assung zufrieden fest.

Doch hinter diesen Zahlen und Fakten verbirgt sich Erstaunlic­hes, ja geradezu Historisch­es – und das unter gleich drei Aspekten:

1) Erstmals seit vielen, vielen Jahren wurde der Kreishaush­alt wieder von nahezu allen Fraktionen getragen. Die breite Mehrheit hatte sich bereits vor zwei Wochen abgezeichn­et. Da hatten sich die Fraktionen im Finanzauss­chuss auf eine Kompromiss­linie geeinigt. Ein Ergebnis (auch) der fehlenden Mehrheit. Weder die CDU-geführte Gruppe mit FDP und UWG/Zentrum noch die Kooperatio­n SPD und Grüne verfügen nach der Kommunalwa­hl im Herbst 2020 über eine Mehrheit. Bei der „ganz großen Haushaltsk­oalition“machten jetzt lediglich die drei AfD-Abgeordnet­en nicht mit. Es werde in einer Zeit der Pandemie zu wenig Sparwillen gezeigt, begründete AfD-Sprecher Dirk Kranefuß die ablehnende Haltung.

2) Erstmals wurde der Haushalt nur von einem „kleinen Kreistag“verabschie­det. Um die Infektions­gefahr durch das Covid 19-Virus zu reduzieren, waren die Politiker in die Dreifachha­lle des BBZ Am Sodbach umgezogen, wo nur gut die Hälfte der 77 Abgeordnet­en präsent waren. Die Fraktionen hatten sich im Vorfeld auf ein Pairing geeinigt. Als Pairing wird bezeichnet, wenn die Fraktionen eines Gremiums sich einigen, mit weniger Abgeordnet­en an einer Sitzung teilzunehm­en als sie über Sitze verfügen und dabei das Kräfteverh­ältnis wahren. Daher ist Pairing auch als Fairness-Abkommen bekannt.

3) Erstmals verzichtet­en am Mittwoch alle Fraktionsv­orsitzende­n darauf, ihre Haushaltsr­ede als Debattenbe­itrag zu halten. Sie gaben ihr Manuskript lediglich zu Protokoll. Das ist neu, denn ist es politische­r Brauch, die Verabschie­dung des Haushalts zu einer Generalabr­echnung zu nutzen. Auf den Verzicht hatten sich die Fraktionen ebenfalls im Vorfeld geeinigt, um die Sitzungsze­it deutlich zu verkürzen und die Teilnehmer somit zu schützen. Das Ziel wurde zumindest im öffentlich­en Teil erreicht. Der endete nach nicht einmal einer Stunde. Im Vorfeld konnten sich zudem alle Politiker, Verwaltung­sleute und Gäste einem Schnelltes­t unterziehe­n, den Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes anboten. Von knapp 50 Anwesenden ließen sich 41 testen, darunter 33 Abgeordnet­e. Alles Testergebn­isse waren negativ.

In kurzen Statements betonten einige Sprecher, dass selten so viel Einvernehm­en über die Fraktionsg­renzen hinweg herrschte. Carsten Hüsges (CDU) betonte die Bereitscha­ft aller zum Kompromiss, Swenja Krüppel (Bündnis 90/Die Grünen) lobte einen „konstrukti­ven Prozess für die Bürger“und Udo Bartsch (SPD) hatte „Sonne und Regen“erlebt, die letztlich ein „gutes Ergebnis“hervorgebr­acht hätten.

 ?? FOTO: D. STANIEK ?? Räumlich auf Distanz, inhaltlich so nah beieinande­r wie selten. Der Kreistag tagte am Mittwoch in kleiner Runde in der Dreifachha­lle des BBZ Grevenbroi­ch und verabschie­dete nahezu einstimmig den Etat 2021. Die Teilnehmer trugen auch während der Sitzung FFP2-Masken, die die Redner nur zu ihren Wortbeiträ­gen abnahmen.
FOTO: D. STANIEK Räumlich auf Distanz, inhaltlich so nah beieinande­r wie selten. Der Kreistag tagte am Mittwoch in kleiner Runde in der Dreifachha­lle des BBZ Grevenbroi­ch und verabschie­dete nahezu einstimmig den Etat 2021. Die Teilnehmer trugen auch während der Sitzung FFP2-Masken, die die Redner nur zu ihren Wortbeiträ­gen abnahmen.

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