Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Von fliegenden Bussen und neuen Weltmetrop­olen

- VON HANS MÄNNEL

Für die Rheinbahn gab es früher schon Ideen, wie sie sich in Zukunft entwickeln könnte. Ein Zeichner brachte eine 1956 zu Papier.

Ein Jubiläum bietet neben einem Rückblick in die Vergangenh­eit auch Gelegenhei­t auf einen Ausblick in die Zukunft. So geschehen bereits 1956, als die Rheinbahn ihr 60-jähriges Bestehen feierte. In einem kleinen Jubiläumsb­üchlein wagte der Zeichner Anton Heinen einen Blick in die Kristallku­gel: knapp 45 Jahre in die Zukunft – bis ins Jahr 2000.

Im Mittelpunk­t stehen der Corneliusp­latz, vor dem Zweiten Weltkrieg einer der Straßenbah­nknotenpun­kte, und natürlich die Rheinbahn. Heinens Vorbild: New York, damals ein Traum vieler Deutscher. Der freie, ungezwunge­ne Lebensstil der Amerikaner ist beispielha­ft. Wie in der Weltmetrop­ole streben Hochhäuser auf dem Corneliusp­latz zum Himmel, bieten zwischen Hofgarten und Königsalle­e Arbeitsplä­tze, Wohnungen und Vergnügung­sstätten. Das alte Düsseldorf repräsenti­eren – etwas versteckt – das Wilhelm-Marx-Haus, 1924 Deutschlan­ds höchstes Bürohaus, und Jan-Wellem, der vom Dach der neuen Kunstakade­mie über seine Stadt blickt.

Der Individual­verkehr auf den Straßen hat alles Grün verdrängt. Einzelne Straßenbah­nlinien fahren noch. In den Ebenen 1 bis 5 organisier­t die Rheinbahn mit schnittige­n Schnellbah­nen die Mobilität. In schwindele­rregender Höhe kurven Bahnen in enger Folge durch die Hochhäuser hindurch und bringen die Düsseldorf­er direkt ans Ziel.

U-Bahnen können in der Zeichnung nur erahnt werden. Sie fahren unter dem Asphalt. Und wem es nicht schnell genug geht oder wer weitere Entfernung­en zurücklege­n muss, der nimmt den „Rheinbahn-Luftbus“, der vom Dach des zentralen Hochhauses startet. Der Geschichte des Nahverkehr­s kommt keine besondere Bedeutung zu. Geschichts­bewusst ist dagegen der „Luftsportv­erein Antik“, der alte Fluggeräte auf dem Hochhausda­ch sammelt. Auf dem Nachbardac­h hat überlebt – die Kirmes. Und noch etwas bleibt erhalten: Der Nahverkehr ist nicht kostenlos, die Fahrgäste finanziere­n ihn. Mit der Folge, dass Schwarzfah­rer auch weiterhin ein Problem sind. „Aufsichtsb­eamte“– nun allerdings mit Hubschraub­ern ausgestatt­et – stemmen sich gegen unsolidari­sches Verhalten.

Das Jahr 2000 ist nun auch seit zwei Jahrzehnte­n Geschichte. Fast ein Vierteljah­rhundert ist seit der Jahrtausen­dwende vergangen. Somit lässt sich die Frage beantworte­n, ob sich die mutigen Visionen im Rheinbahn-Büchlein erfüllt haben. Düsseldorf ist im Jahr 2021 eher „Klein-Paris“als „Klein-New York“. Der Corneliusp­latz ist – nach dem Bau der Wehrhahnli­nie – wieder das schmucke, grüne Kleinod zwischen Hofgarten und Königsalle­e, ganz wie er Ende des 19. Jahrhunder­ts entstanden war.

Freilich ohne Straßenbah­nen, diese fahren, wie prognostiz­iert, in der Ebene -1 – als U-Bahnen unter der Erde. Sie haben dem Auto Platz machen müssen. Die Düsseldorf­er Skyline hat sich wenig verändert. Nur behutsam gelangten Hochhäuser ins Stadtbild. Am benachbart­en Jan-Wellem-Platz – heute schon wieder Geschichte und Standort des Kö-Bogens – steht eine Architektu­r-Ikone, ein Symbol für das deutsche Wirtschaft­swunder: das 1957 bis 1960 erbaute „Dreischeib­enhaus“, 94 Meter hoch. Andere Hochhäuser entstanden eher am Rand des Zentrums: das Mannesmann-Hochhaus (84 Meter, 1958) und das ARAG-Stufenhaus (52 Meter, 1966). Es wurde 2001 durch einen 125 Meter hohen Neubau am Mörsenbroi­cher Ei ersetzt, das aktuell höchste Gebäude in Düsseldorf. Eine größere Konzentrat­ion von Hochhäuser­n ist erst ab der Jahrtausen­dwende im Medienhafe­n entstanden.

Die Rheinbahn hat mit ihren Stadtbahne­n noch nicht die luftigen Höhen erobern können. Ihre Fahrgäste können heute während der Fahrt keinen schnellen Blick auf eine moderne Stadtlands­chaft werfen. Sie erreichen ihre Ziele in der Innenstadt über den Untergrund im Tunnel.

Anton Heinens Blick in die Zukunft war visionär. Seine Zeichnung zeigt, wie wichtig er den Nahverkehr für das Leben der Menschen und die Funktionsf­ähigkeit einer Stadt auch in der Zukunft einschätzt­e. Auch wenn seine Vorhersage so wie hier abgebildet nicht eintraf.

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GRAFIK: ARCHIV RHEINBAHN Anton Heinen zeichnete 1956 diese Zukunftsvi­sion für das Jahr 2000. Luftbusse der Rheinbahn landen auf den Dächern der Stadt.
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FOTO: STADTARCHI­V DÜSSELDORF So sieht der Corneliusp­latz an der Königsalle­e heute tatsächlic­h aus.

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