Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In der Impfkrise zeigt sich der Charakter

- VON ANTJE HÖNING

In Essen soll ein Arzt heimlich Verwandte geimpft haben. Der Chef des Duisburger Hafens drängelte sich offenbar ebenfalls vor. In der Krise zeigt sich der wahre Charakter eines Menschen. Für die Betroffene­n wird das Konsequenz­en haben – standesrec­htliche für die Ärzte und mindestens Ansehensve­rlust für die Vordrängle­r, wenn sie Alten, Kranken oder Betreuern Impfstoff weggenomme­n haben. Nicht umsonst hat der Staat mit großen Aufwand eine Priorisier­ung erstellt, um den Mangel an Impfstoff wenigstens fair zu verwalten.

Der Kampf um das knappe Gut ist auch internatio­nal voll entbrannt. Von einem gemeinsame­n Kampf Europas gegen die Pandemie kann kaum mehr die Rede sein. Großbritan­nien war passend zum EU-Austritt ausgescher­t und hat mit seinem frühzeitig­en Eindecken auch noch Erfolg. Das bürokratis­che Zaudern der EU führte zu den Lieferprob­lemen. Und das Nebeneinan­der von EU- und nationaler Bestellung hat jetzt noch große Unterschie­de zur Folge. Mehrere Länder, in denen das Impfen noch schlechter läuft als bei uns, fordern nun Nachschlag. Sie hatten besonders viel Astrazenec­a geordert und sind besonders von den Lieferprob­lemen des Hersteller­s betroffen. In Österreich liegen die Dinge anders, doch auch die Alpenrepub­lik springt nun auf den Zug der Kritiker auf. Zwei-Klassen-Europa, wettert Sebastian Kurz – damit bekommt die EU-Kommission Schelte, die sie ausnahmswe­ise nicht verdient hat. In der Krise zeigt sich der wahre Charakter, das gilt auch für Politiker.

Umso besser, dass NRW-Gesundheit­sminister Laumann nun im Kleinen zeigt, dass der Staat lernfähig ist, und die Terminverg­abe der über 70-Jährigen besser organisier­t. Das Chaos, das die über 80-Jährigen erleben mussten und das der Ministerpr­äsident noch abgestritt­en hat, darf sich nicht wiederhole­n. BERICHT ÜBER 70-JÄHRIGE WERDEN GEIMPFT, TITELSEITE

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