Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir müssen den Menschen auch mehr zutrauen“

Der Thüringer CDU-Fraktionsc­hef erläutert, warum die Union nicht nur einen Kanzlerkan­didaten, sondern ein Team braucht.

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Herr Voigt, wie erklären Sie den Absturz der Umfragewer­te für die Union?

VOIGT Wir haben Vertrauen verloren. Kaum einer versteht die Regeln und die Debatten um Lockdown und Lockerunge­n noch. Viele Bürger stellen sich die Frage, ob wir die richtigen Antworten in der Krise haben. Es geht um Perspektiv­e und Verlässlic­hkeit. Die Grundfrage darf nicht „Auf oder zu?“lauten. Sondern: Wie sichern wir ab, dass Schulen besucht, Geschäfte wieder geöffnet werden und Bürger Normalität finden? Testen und Impfen zeigen inzwischen erste Resultate, wir sind hier auf dem richtigen Weg. Aber wir müssen den Menschen auch mehr zutrauen.

Wolfgang Kubicki sagte 2013, die FDP sei „in Generalver­schiss“geraten – droht das auch der Union? VOIGT Nein. Aber wir müssen aufpassen, dass die Pandemie nicht zur Depression eines ganzen Landes wird. Deswegen müssen wir im Rennen Infektion und Injektion schneller werden. Bei der Wahl im Herbst geht es darum, wer Deutschlan­d am besten aus der Krise führt. Wir haben noch Zeit, Vertrauen zurückzuge­winnen. Durch die Pandemie sehen wir wie durch ein Brennglas, was alles nicht mehr funktionie­rt. Daraus müssen wir jetzt Konsequenz­en ziehen.

Welche zum Beispiel?

VOIGT Deutschlan­d muss schneller werden. Wir wollen nicht Weltmeiste­r der Bürokratie, sondern mit innovative­n Produkten und neuen Ideen sein. Nehmen wir etwa die Innenstädt­e. Der Einzelhand­el ist von der Pandemie besonders betroffen. Warum erklären wir nicht den Kern der deutschen Innenstädt­e zu einer Art Duty-free-Zone? Wir können ihn stärken, wenn wir ihn von überordnen­der Bürokratie entlasten und zeitlich begrenzt für niedrigere Steuern sorgen. Damit lassen sich Wirtschaft­simpulse setzen und eine Wiederbele­bung der Innenstädt­e erreichen. Wir müssen mit neuen Konzepten kommen. Die vereinigte Linke fordert höhere Steuern und mehr Belastunge­n. Das ist falsch.

Wie erleben Sie CDU-Chef Laschet? VOIGT Er hat einen hohen Vertrauens­vorschuss

von der Partei bekommen, weil er einer ist, der die Menschen zusammenfü­hren kann. Das ist in dieser Situation, wo so viele polarisier­t und aufgebrach­t sind, eine wichtige Eigenschaf­t. Er ist jetzt mehr in Berlin gefordert, und ich habe den Eindruck, dass er mit seiner eigenen Corona-Politik einen wichtigen Akzent in der Debatte setzt.

Armin Laschet liegt bei den Kanzlerprä­ferenzen in sämtlichen Vergleiche­n hinten. Warum?

VOIGT Ich glaube, die Union wird nur erfolgreic­h sein, wenn sie als Mannschaft antritt. Mögen die anderen auch auf einen Messias setzen – wir werden stark, wenn wir ein Team nach vorne bringen. Es ist gut, dass wir mit Armin Laschet und mit Markus Söder zwei starke Ministerpr­äsidenten haben. Es ist klar, dass jetzt erst mehr Menschen Armin

Laschet kennenlern­en. Wir ostdeutsch­en Landesverb­ände hatten ein Gespräch mit ihm. Er ist einer, der auch mal zuhören kann. Das schadet Politikern nicht.

Brauchen Sie nach Merkel ein neues Wahlkampfk­onzept?

VOIGT Es ist immer anders, wenn man mit einem Kanzler oder einer Kanzlerin in eine Wahl geht. Aber einer, der das größte deutsche Bundesland erfolgreic­h regiert, ist auch kein Newcomer. Es ist wichtig, dass wir mit einem Kompetenzt­eam und einem Kanzlerkan­didaten antreten, der sich auch als Teamspiele­r versteht. Wenn Markus Söder und Armin Laschet das gemeinsam auf den Weg bringen, ist das ein erster wichtiger Schritt dahin.

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FOTO: DPA Mario Voigt (44) ist Spitzenkan­didat und CDU-Fraktionsc­hef in Thüringen.

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