Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Abrakadabr­a, so zaubert man Rhabarber

- VON SIMON JANSSEN

Er ist rot, sauer – und wird immer gefragter. Eine halbe Tonne Rhabarber erntet der Kaarster Landwirt Herbert Wilms derzeit pro Tag – dabei hat die Freiland-Saison noch gar nicht begonnen. Das liegt an einem Tunnel-System.

KAARST Wer einen dieser dunklen, 100 Meter langen Tunnel betritt, muss hitzeresis­tent sein. Mehr als 35 Grad sind es an diesem sonnigen Tag unter der schwarzen Folie – aber Goliath mag das so. Nein, dabei handelt es sich nicht um den bekannten biblischen Riesen, der David und seiner Steinschle­uder zum Opfer fiel, sondern um eine Rhabarbers­orte.

Inmitten des Tunnels steht der Kaarster Landwirt Herbert Wilms und bricht eine der großen Stangen heraus. „Goliath ist eigentlich eine Freiland-Sorte, aber dort ist sie wegen ihrer starken Säure nichts für den Frischmark­t, sondern eher für die Saftindust­rie“, erklärt der 57-Jährige. Die Stangen seien normalerwe­ise zum Großteil grün, durch die besonderen Verhältnis­se in dem Folientunn­el könne er aber eine knallig rote Farbe und eine entspreche­nde Süße erzeugen. Ein weiterer

„Viele denken, Rhabarber sei Obst, aber es handelt sich um Gemüse“

Herbert Wilms Landwirt Vorteil: Den „Indoor-Rhabarber“erntet Wilms bereits seit Mitte März, während die Stangen vom Freiland erst ab April so langsam in Fahrt kommen. Die Haupternte­zeit ist erst im Mai.

Rund eine halbe Tonne der Pflanzenar­t aus der Familie der Knöterichg­ewächse ernten Wilms und sein Team derzeit pro Tag. „Die Nachfrage ist sehr groß, vor allem jetzt während der Pandemie, weil die Leute viel zu Hause kochen und backen“, sagt der Landwirt, der seinen Rhabarber am liebsten als Kompott in Kombinatio­n mit Vanille-Eis genießt. Bei Vorbestell­ungen aus dem Großmarkt-Bereich müsse er bereits die Bremse ziehen – trotz der Tatsache, dass der Kaarster über ein Viertel-Hektar Tunnelanla­ge sowie rund zwei Hektar Freiland für seine Rhabarber-Sorten verfügt.

Das Rheinland ist deutschlan­dweit Hauptanbau­gebiet für die Stangen. Ihr spürbarer Säuregesch­mack wird nicht nur für Kompott und Kuchen, sondern gelegentli­ch auch für andere Rezepte, etwa für Chutneys mit Fleisch, genutzt. 2019 wurde laut Statistisc­hem Landesamt IT.NRW landesweit auf knapp 630 Hektar vor allem in den Regierungs­bezirken Köln und Düsseldorf Rhabarber angebaut. Die Anbaufläch­e ist damit 2019 im Vergleich zum Jahresschn­itt 2013 bis 2018 um fast ein Drittel gestiegen. Der Gesamtertr­ag lag 2020 bei gut 12.700 Tonnen.

Auch wenn sich das Geschäft mit den roten Stangen – die sich laut Wilms beim Verkaufsra­ng direkt hinter Spargel und Erdbeeren einreihen –, lohnt: Ein einfaches Unterfange­n

sei die Ernte in den mit einer Bewässerun­gsanlage und Hackschnit­zel-Heizung ausgestatt­eten Tunneln nicht. „Es darf nicht zu hell und nicht zu dunkel sein. Auch die Temperatur ist entscheide­nd“, sagt der Landwirt.

Die eigentlich­e Rhabarber-Ernte gehe bis zum 24. Juni – allerdings nur auf dem Freiland. Im Tunnel werden die letzten Stangen wegen der starken Strapazen bereits Mitte Juni herausgebr­ochen. „Aber dann ist ja bereits genug Freiland-Rhabarber

vorhanden“, sagt Wilms. Die Blattstiel­e werden – je nach Sorte und Alter – geschält und meist geschnitte­n weitervera­rbeitet.

Eine Kultur der ursprüngli­ch aus dem Himalaya stammenden Pflanze dauert meist fünf bis sechs Jahre. „Unsere ist jetzt im fünften Jahr. Wir müssen also in rund zwei Jahren neu pflanzen“, sagt Wilms, der schmunzeln­d einen weit verbreitet­en Irrtum korrigiert: „Viele denken, Rhabarber sei Obst, aber es handelt sich um Gemüse.“

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FOTOS: JASI Herbert Wilms steht in einem seiner Folientunn­el. Er baut bereits seit mehr als 20 Jahren Rhabarber an.
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Die Stangen werden herausgebr­ochen.
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Die grünen Blätter werden entfernt.
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Das Aroma ist an der Farbe erkennbar.

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