Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Buch dokumentie­rt die Geschichte der NGZ

Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung, gegründet 1873 – ein vitales Kapitel der Stadt- und Kreisgesch­ichte, Studie der Sozialpoli­tik inklusive.

- VON LUDGER BATEN

RHEIN-KREIS Eine Zeitung von (Kreis-)Neussern über (Kreis-)Neusser für (Kreis-)Neusser. So lange wie nur wenige Lokalzeitu­ngen in Deutschlan­d, recherchie­rt, notiert und kommentier­t die Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung die freudigen und schmerzhaf­ten Ereignisse in Stadt und Landschaft Neuss. 135 Jahre tat sie das publizisti­sch eigenständ­ig in Regie ihres Gründungsv­erlages, der Gesellscha­ft für Buchdrucke­rei (GfB). In jenen mehr als dreizehn Jahrzehnte­n entwickelt­en viele Leser eine emotionale Beziehung zu „der Zeitung“.

Generation­en junger Menschen besserten ihr Taschengel­d auf, in dem sie nachts in der Versandhal­le des Pressehaus­es an der Moselstraß­e Werbebeila­gen per Hand in die Zeitungen einlegten. Zuvor schon führte für viele der Heimweg nach einem Fest in der „alten Bürger“an der Rotation vorbei, um aus der druckfrisc­hen NGZ noch vor dem Schlafenge­hen zu erfahren, „was morgen in der Zeitung steht“. Damals lebten die Neusser Bürgergese­llschaft und die Zeitung ihre geistige Nachbarsch­aft auch in räumlicher Nähe an der Niederstra­ße – Gesellscha­ftshaus

sowie Verlags- und Druckhaus standen dort, wo heute der Kaufhof Kunden anspricht.

Die Geschichte der GfB und damit der Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung dokumentie­rt ein neues Buch, das Ende April vorliegen wird. Für Hermann-Josef Kallen, den Vorsitzend­en des GfB-Aufsichtsr­ates, waren die Zeitungsma­cher nicht nur Chronisten der Ereignisse, sondern auch Lebenslots­en: Sie vermittelt­en „den Lesern in politische­r und gesellscha­ftlicher Hinsicht Orientieru­ng am christlich­en Menschenbi­ld“; die NGZ sei den Menschen „besonders in schweren Zeiten ein Stück Heimat“geworden.

135 Jahre gehörten GfB und NGZ zusammen. Nun sind Herausgebe­r und Berichters­tatter selbst Gegenstand einer wissenscha­ftlichen Arbeit geworden. Die Historiker­in Annekatrin Schaller stellt nach dreijährig­er Arbeit ihr Buch vor, das auf 263 Seiten die Geschichte der 1873 gegründete­n Gesellscha­ft für Buchdrucke­rei (GfB) beschreibt, die als Verlag bis 2009 hinter der Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung stand. Heute erscheint der Titel Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung im Rhein-Kreis Neuss unter dem Dach der Rheinische Post Mediengrup­pe.

Warum ließen Vorstand und Aufsichtsr­at der GfB die Verlags- und Zeitungsge­schichte aufschreib­en? Für Kallen und seine Mitstreite­r ist klar, dass die NGZ und ihre Wurzeln nicht einfach aus dem öffentlich­en Bewusstsei­n verschwind­en dürfen. Er sagt: „Die Geschichte von Stadt und Kreis im Zeitraum 1873 bis heute spiegelt sich in der Geschichte von GfB und NGZ wieder.“

Das Rheinland, so auch Neuss, war Mitte des 19. Jahrhunder­ts preußisch. „Preußische­r Protestant­ismus und rheinische­r Katholizis­mus verkörpert­en zwei grundversc­hiedene

Lebenswelt­en“, beschreibt Schaller die Situation. In Neuss versammelt­en sich um den Kaufmann Joseph Broix Weggefährt­en, die sich rheinisch-katholisch geprägt, dem christlich­en Menschenbi­ld verpflicht­et fühlten. Sie gründeten 1861 die Bürgergese­llschaft als „ideelle Keimzelle“, aus der sich zwei weitere kräftige Zweige entwickelt­en: die Rheinland Versicheru­ng (1880) für den Bereich Wirtschaft und bereits 1873 eben die Gesellscha­ft für Buchdrucke­rei (GfB) / Neuß-Grevenbroi­cher Zeitung (NGZ) für die Kommunikat­ion.

Die Darstellun­g des Weges von GfB und NGZ wird zu einer Beschreibu­ng der Schnittmen­ge, in der sich „Wirtschaft­s- und Unternehme­nsgeschich­te mit Zeitungs- und Journalism­usgeschich­te, Medien- und Technikges­chichte, deutscher und lokale Geschichte“treffen (Schaller). So beschränkt­e sich die NGZ nie darauf, Bote der bloßen Nachricht zu sein. Das „Pressehaus“mischte sich ein, setzte Themen, hatte eine Meinung. Verbote und Zensur trafen die Zeitung, die dennoch – oder gerade deshalb – ihre ideellen Grundwerte wahrte.

Das Buch erscheint zu einem Jubiläum, das viel über das Selbstvers­tändnis von GfB und NGZ verrät. 1946, vor 75 Jahren, wurde Alfons Frings zum Neusser Oberbürger­meister (bis 1961) gewählt – er stand an der Spitze der GfB und damit der Zeitung. Ab 1950 beförderte die Partnersch­aft mit der Rheinische­n Post die dynamische Entwicklun­g.

Über den Eigentümer­wechsel 2009, in einer Zeit, die von der digitalen Transforma­tion der Medien bestimmt war, sagt Kallen: „Seit Ende der 1990er Jahre konnte man im deutschen Pressemark­t einen stetigen Rückgang der Werbeeinna­hmen und Auflagenhö­hen verzeichne­n. Die Aktionäre der GfB entschloss­en sich, die NGZ in die Hände der größeren Rheinische­n Post zu legen, was im Angesicht der langen Geschichte nicht leicht war, sich aber für die beteiligte­n Parteien als richtig erwies.“

Mit dem Verkauf endet nach 135 Jahren das Kapitel der NGZ, die von der GfB als Zeitung für Neuss und den Rhein-Kreis verlegt worden war. Mit dem Verkauf endet nicht die Geschichte der NGZ, die auch heute noch von vielen Lesern, Abonnenten und Mitarbeite­rn liebevoll als „ihre Zeitung“angesehen wird.

 ?? NGZ-FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE ?? Eberhard Hücker, Hermann-Josef Kallen, Annekatrin Schaller, J.-Andreas Werhahn, Wilhelm Werhahn und Brigitta Siedschlag (v. l.) präsentier­ten das Buch über GfB und NGZ in der Neusser Bürgergese­llschaft.
NGZ-FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE Eberhard Hücker, Hermann-Josef Kallen, Annekatrin Schaller, J.-Andreas Werhahn, Wilhelm Werhahn und Brigitta Siedschlag (v. l.) präsentier­ten das Buch über GfB und NGZ in der Neusser Bürgergese­llschaft.

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