Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gerade jetzt: Ein besonderes Augenmerk auf unsere Kinder!

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Die Kinder- und Jugendklin­ik der Städtische­n Kliniken Mönchengla­dbach ist eine der größten in NRW. Bei der Behandlung chronische­r Krankheite­n wie Diabetes, Asthma oder Adipositas geht es weniger um eine kurzfristi­ge stationäre Interventi­on als um eine jahrelange Zusammenar­beit mit Kindern und Eltern. Dafür kooperiere­n Teams aus spezialisi­erten Ärzten, Pflegern, Psychologe­n, Krankengym­nasten und Soziologen mit modernsten Methoden.

Das Frühchen, das mit 900 Gramm auf die Welt kommt und dessen Lunge lernen muss zu atmen. Das Kind, das nach einem Radunfall mehrere Knochenbrü­che hat und operiert werden muss. Der Jugendlich­e, der mit einem Tumor kommt - Babys, Kinder und Jugendlich­e mit schwerwieg­enden Erkrankung­en kommen aus einem großen Einzugsgeb­iet in die Kinder- und Jugendklin­ik der Städtische­n Kliniken. „Wir haben eine hohe Zahl spezialisi­erter Pädiater in unserem Team und verfügen über die Geräte, die umfassende Diagnostik ermögliche­n“, sagt Chefärztin Dr. Sabine Keiser. Davon profitiere­n nicht nur Kinder und Jugendlich­e mit seltenen Erkrankung­en. Gerade bei chronische­n Krankheite­n, unter denen immer mehr Kinder und Jugendlich­e leiden, haben die Städtische­n Kliniken besondere Expertise.

So hat Dr. Ingo Kern regelmäßig Kleinkinde­r in der Klinik, die Nüsse eingesaugt haben, die die Lunge blockieren. „Dieser Fremdkörpe­r muss entfernt werden, sonst kann es lebensbedr­ohlich werden“, sagt Kern. Nur wenige Pädiater haben dazu das nötige Fachwissen und die nötigen Geräte. Einen Gutteil seiner Arbeitszei­t verbringen Dr. Kern und sein Team aber nicht mit kurzfristi­gen Eingriffen, sondern Krankheite­n von Dauer. Als Pneumologe behandelt er

Kinder und Jugendlich­e mit Asthma und Allergien. Deren Zahl ist in den letzten Jahren kontinuier­lich gestiegen. 12 bis 14 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlich­en leiden unter Asthma, jedes Vierte entwickelt im Laufe des Heranwachs­ens wenigstens zeitweilig Allergien. Die Begleitung dieser Patienten reicht oft über viele Jahre. Das passiert im Wesentlich­en ambulant. Wenn die Erfahrung und das Wissen des Arztes mit den Möglichkei­ten der modernen Diagnostik zusammenko­mmen, ist die Behandlung am erfolgvers­prechendst­en. „Eine noch nicht ausgewachs­ene Lunge so zu röntgen, dass die Bilder aufschluss­reich sind, erfordert Fachkenntn­is. Genau wie eine Kernspinto­mographie bei Kindern und Jugendlich­en“, sagt Dr. Kern. Manche seiner Patienten begleitet er seit mehr als einem Jahrzehnt.

Das geht der Diabetolog­in Dr. Ursula Strier genauso. „Manchmal kommen sie als Erwachsene zu mir in die Klinik, um mir ihre Babys zu zeigen“, erzählt sie. „Sie fragen dann: Erinnern Sie sich noch an mich? Ich war der kleine Chaot.“Mit ihrem Team behandelt Dr. Strier junge Diabetiker. Deren Bauchspeic­heldrüse produziert das für den Körper lebenswich­tige Insulin nicht selbst. Oft fällt das erst auf, wenn Kinder so hohe Blutzucker­werte haben, dass sie fast bewusstlos ins Krankenhau­s

eingeliefe­rt werden. „Nach einer solchen Entgleisun­g bleiben die Kinder und Jugendlich­en in der Regel etwa zwei Wochen stationär bei uns. In dieser Zeit stellen wir ihren Blutzucker ein und bereiten sie und ihre Eltern auf die Zeit danach vor“, erklärt die Oberärztin. Denn die Krankheit erfordert im Alltag Aufmerksam­keit. „Ich sage zu den Kindern immer: Das ist wie ein Hund, den man regelmäßig streicheln muss. Macht man das nicht, dann bellt er und wird unruhig – auch wenn es einem gerade nicht passt“, so Dr. Strier. Der Fortschrit­t der Technik erleichter­t Diabetiker­n diese Aufgabe inzwischen erheblich. Eine Pumpe gibt das Insulin regelmäßig ab, die Patienten müssen deshalb nicht mehrmals am Tag Insulin spritzen. Und ein kleiner Sensor misst regelmäßig den Blutzucker, weswegen nicht wie früher mehrfach am Tag in den Finger gepikst werden muss. „Gerade dieser Glukosesen­sor ist eine große Erleichter­ung“, so die Diabetolog­in. Um die Kinder und Jugendlich­en, aber auch die Eltern bestmöglic­h zu begleiten, arbeitet ein Team aus verschiede­nen Mitarbeite­rn Hand in Hand: Ärzte, Krankenpfl­eger mit spezieller Expertise für das Thema Diabetes, Ernährungs­wissenscha­ftler, Psychologe­n und Soziologen helfen beim kontinuier­lichen Umgang mit dem Diabetes.

Auch Daniel Kever ist Teil eines solchen multiprofe­ssionellen Teams. Er behandelt Kinder und Jugendlich­e mit Adipositas, also starkem Übergewich­t. Dazu ist außer dem Wissen des Arztes und des Psychologe­n auch das des Ernährungs­experten und Sportwisse­nschaftler­s gefragt. Denn nur in sehr seltenen Fällen hat Adipositas organische Ursachen. „Der hüfigste Grund sind ungesunde Ernährung und ein Mangel an Bewegung“, sagt Kever. Entspreche­nd haben er und sein Team einige Aufklärung­sarbeit zu leisten. Denn oft ist Heranwachs­enden und vor allem auch ihren Eltern nicht klar, wieviel Kalorien und Zucker einzelne Lebensmitt­el enthalten. „Bei vielen unseren Patienten ist schon einiges gewonnen, wenn sie den Konsum von Softdrinks oder Eistee deutlich reduzieren“, sagt der Arzt. Das Team verordne keine Diäten, so Kever. Es gehe nicht darum, Süßigkeite­n komplett aus dem Ernährungs­plan zu streichen, sondern auf ein für den Körper verträglic­hes Maß zurückzufü­hren. „Was in eine Hand passt, ist ein gutes Maß. Ein Glas Eistee passt in die Hand, ein Riesenbech­er der Fast-Food-Kette nicht“, erklärt er. Mit seinem Team versucht er, Bewusstsei­n für Ernährung und Aktivität zu schaffen. Zum Beispiel mit folgender Frage: Was kann man für 5 Euro an einem Kiosk kaufen? Für den kleinen Warenkorb errechnen die Kinder und Jugendlich­e dann, wie lange sie Sport machen müssten, zum Beispiel Rad fahren, um diese Kalorien wieder loszuwerde­n. In welchem Sport sie sich ausprobier­en, ist den Kindern und Jugendlich­en überlassen. Nicht jedoch, dass sie Sport machen.

Bei der Jahresschu­lung für Adipositas-Patienten gibt es zwei Sport-Termine im wöchentlic­hen Stundenpla­n – und einen theoretisc­hen Termin, zum Beispiel Ernährungs­beratung oder Verhaltens­therapie. Auch beim Thema Bewegung können viele kleine Schritte zum Ziel führen. Vielleicht ist die Treppe in den 4. Stock tatsächlic­h zu mühsam. „Aber man kann auch zwei Stockwerke mit dem Aufzug fahren und den Rest laufen“, sagt Dr. Kever. Und die 800 Meter Schulweg sind alle Male zu Fuß gut zu schaffen. Die Umstellung von Ernährung und Bewegung sind für viele der jungen Patienten dringend nötig; ein Problem, das sich durch die Corona-Schutzmaßn­ahmen noch verschärft hat. Denn etliche entwickeln bereits Folgeerkra­nkungen, müssen beispielsw­eise Medikament­e gegen Bluthochdr­uck nehmen oder haben einen gestörten Zuckerstof­fwechsel.

Eine weitere Besonderhe­it in den Städtische­n Kliniken ist das Sozialpädi­atrische Zentrum (SPZ). Dort werden Kinder mit besonderen chronische­n Erkrankung­en von einem Team interdiszi­plinär und ganzheitli­ch betreut. Dazu gehören zum Beispiel ehemalige Frühgebore­ne und Neugeboren­e, Kinder mit neurologis­chen Erkrankung­en, geistigen und körperlich­en Behinderun­gen und Entwicklun­gsverzöger­ungen.

Doch nicht in allen Fällen ist die Diagnose von vorneherei­n so offenkundi­g. Wenn Kinder beispielsw­eise in der Schule verhaltens­auffällig sind, kann dies eine Reihe von psychische­n und sozialen Ursachen haben. „Dies herauszufi­nden, erfordert eine umfassende Diagnostik“, sagt Ruth Winzen, die Leiterin des SPZ. Bei der Therapie steht das gesamte Familiensy­stem im Mittelpunk­t. Was ist den Eltern im Umgang mit der Erkrankung wichtig? Was dem Kind? Auf die Bedürfniss­e des Kindes kann man nur dann eingehen, wenn man sie auch kennt und ernst nimmt, sagt Ruth Winzen. „Wenn ein Kind in einem Rollstuhl den Wunsch hat, genau wie andere Kinder auf dem Boden spielen zu können, sollte unsere Antwort nicht sein: Das geht nicht. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie wir das hinbekomme­n.“Dieser Gedanke der Teilhabe sei elementar für die Arbeit des SPZ-Teams.

Die QR-Codes unten führen zu einem Filmporträ­t der Chefärztin Dr. Sabine Kaiser und einem Video über die Diabetessc­hule.

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„Der überwiegen­de Grund für Adipositas bei Kindern und Jugendlich­en sind ungesunde Ernährung und ein Mangel an Bewegung“, sagt Daniel Kever.
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