Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Süßes und Herzhaftes aus Familien-Tradition
Viele Mütter und Väter geben alte Rezepte an ihre Kinder weiter. Frisches Ostergebäck schmeckt auch der Generation „McDonald's“.
GREVENBROICH Es gibt Dinge, die werden von Generation zu Generation weitergegeben. Das können Fotos und Geschichten sein, häufig Schmuckstücke, manchmal auch ganze Häuser. Immer wieder sind es aber Rezepte, die in den Familien weitergereicht werden, von der älteren an die nächstjüngere Generation. Zum Beispiel die Anleitung für einen leckeren Osterkuchen.
Kurz vor dem Fest herrscht Hochbetrieb in der Küche von Ursula Kwasny. Die ehemalige Bürgermeisterin wird am Sonntag ihre Familie bekochen. Es gibt ein Kartoffelnest mit geräuchertem Lachs und Meerrettich als Vorspeise, danach wird ein Wildschweinrücken mit Rotkohl und Klößen serviert. Und fürs Dessert bereitet die 68-Jährige süße Petits Fours zu – kleine Küchlein nach altem Familienrezept.
Die Rezeptur für die kunterbunten Kalorienbomben hat Ursula Kwasny vor vielen Jahren von ihrer Schwiegermutter Maria erhalten – und die hatte die Liste mit den Zutaten und deren Verarbeitung schon von ihrer Mutter bekommen. „Dieser Kuchen ist bei uns Tradition“, sagt die ehemalige „First Lady“der Stadt. Tochter Desiree (40) hat das Rezept längst in der Schublade – und ihre Nichte Sophia (6) hilft schon beim Dekorieren der Petits Fours. Damit ist schon mal eine weitere Generation im Rennen.
Fünf Eier, Puder- und Vanillezucker, natürlich Mehl und Speisestärke sowie jeweils ein viertel Liter Öl und Eierlikör zählen zu den Zutaten der süßen Nachspeise, die mit Marzipan verkleidet in mundgerechten Stücken serviert wird. Was letztere betrifft: „Das passt nicht mehr so ganz mit dem alten Rezept meiner Schwiegermutter überein“, gibt die Neuratherin zu. Denn Maria Kwasny verarbeitete die Zutaten zu einem großen Kuchen, der zum Nachmittagskaffee auf den Tisch kam. Schwiegertochter Ursula
machte daraus kleine Stücke, die nach dem Mittagessen serviert werden. „Aber sonst hat sich nichts geändert – der Geschmack ist der gleiche“, sagt Kwasny. Das ist fast so wie weiland bei Raider und Twix.
Zum Abnehmen sind die Küchlein nicht geeignet. „Das ist halt so bei den alten Familienrezepten – da wurde von allem reichlich genommen“, berichtet Kwasny. Am Sonntag wird sich die Wenig-Esserin aber mal ein paar Stücke der süßen „Generationen-Torte“gönnen. „Denn die Fastenzeit ist ja jetzt vorbei.“
Empanada Ursprünglich stammen die spanischen Empanadas aus der Region Galicien, sie sind heute landesweit bekannt. In der Regel werden sie in herkömmlichen Bäckereien verkauft. Die spanische Empanada ist entweder kreisrund mit etwa 30 Zentimetern Durchmesser oder nimmt gleich ein ganzes Backblech ein. Sie wird im Ofen gebacken und zum Verzehr in handliche Portionen geschnitten.
Ähnlich ist es bei Aurina Narciandi-Pellico. Die 72-Jährige wird zum Osterfest unter anderem Empanadas auftischen – das sind gefüllte Teigtaschen, die in Spanien weit verbreitet sind. „Natürlich gibt es die auch tiefgekühlt“, sagt die Elsenerin, die vor 50 Jahren von Asturien an die Erft kam. „Aber die sind kein Vergleich mit dem hausgemachten Empanadas, die mit sehr viel Liebe gebacken werden. Die schmecken einfach besser.“
Aurina Narciandi-Pellico kam 1971 als junge Frau alleine von der grünen Küste Spaniens nach Grevenbroich. Dort lebten bereits einige Brüder ihrer insgesamt sieben Geschwister. In ihren Koffer hatte sie auch die Rezepte ihrer Familie eingepackt – die für Tortillas, die für Calamaris und eben die für Empanadas. Mit den Anleitungen für die traditionellen spanischen Speisen ist längst auch Schwiegertochter Christiane vertraut, die mit Ehemann Ricardo und Sohn Alejandro in der Südstadt lebt. Auf diese Weise wurde eine kulinarische Familientradition an die nächste Generation weitergereicht.
„Ostern kommen wir in der Regel alle zusammen“, erzählt Christiane Pellico. Zur Familie gehören auch ihre Eltern und Geschwister, die bei Aurina Narciandi-Pellico gern gesehene Gäste sind. Generell steht bei der Familie immer die Türe offen, während der Corona-Pandemie muss auf das beliebte „Open House“wohl oder übel aber verzichtet werden. „Ich fürchte, dass wir in diesem Jahr nicht nach Spanien reisen können“, sagt Christiane Pellico.
Salz, Sonnenblumenöl, Hefe und Weizenmehl sind die Zutaten für den Teig. Für die Füllung nimmt Aurina Narciandi-Pellico zwei Zwiebeln, eine Dose passierte Tomaten, eine halbe rote Paprika, die klein geschnitten wird, und zwei Dosen Thunfisch. „Echt lecker“, sagt Enkel Alejandro (15), an den – sobald er selbst eine Familie hat – das Rezept sicherlich weitergereicht wird.
Ostereier suchen die Spanier übrigens nicht. Stattdessen schenken die Taufpaten den Kindern den sehr aufwendig gebackenen Kuchen Rosca de pascua. „Fast alle gehen in die Kirche und nehmen an der Osterprozession teil, die in meiner Heimat fast in jedem Dorf stattfindet – außerhalb von Corona“, schildert Aurina Narciandi-Pellico. Die 71-Jährige kocht übrigens nicht nur für ihre Familie. Auch bei den Festen des spanischen Elternvereins gibt sie zur Freude vieler stets eine Kostprobe ihres Könnens.