Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Madonna von St. Peter – eine Auferstehungsgeschichte
Die Figur in der Rommerskirchener Kirche ist mit ihrer ganzen Verletztheit auch ein Mahnmal gegen den Krieg.
ROMMERSKIRCHEN Die Geschichte der „Madonna aus den Trümmern“ist eine richtige Ostergeschichte aus Rommerskirchen: von Vernichtung und Tod bis zur befreienden Auferstehung ist alles dabei.
Die Statue steht zwar nicht wieder an ihrer bis vor einem Dreiviertel Jahrhundert gewohnten Stelle im linken Seitenaltar der Pfarrkirche St. Peter, doch ihre Positionierung im Alten Turm ist durchaus prominent und bündelt die Blicke. Die viele Jahre von schweren Kriegsschäden betroffene Statue einer Muttergottes mit dem Kind wurde nach einem Bombenangriff aus den Trümmern geborgen, jahrzehntelang sich selbst überlassen und blieb in Kellern und Garagen unbeachtet. So recht hat sich niemand darum gekümmert. Zu schwer waren die Verletzungen und zu intensiv war die unmittelbare Nachkriegszeit vom zivilen Wiederaufbau bestimmt.
Brandspuren im fleckigen Gesicht, abgebrochene Gliedmaßen, nur noch zu ahnende Bemalung des Faltenwurfs ihres Gewandes zeigen noch heute die schweren Beschädigungen der Muttergottes mit dem Kind. Gravierende Schäden wurden sogar bewusst belassen. Und so ist dieses Standbild auch eine Mahnung, ein zum Verharren beim Kircheneintritt einladendes Signal. Nicht nur die vergeistigten Gesichtszüge, sondern auch der Gesamteindruck
der lieblichen Gottesmutter mit ihrem von links fest umschlungenen Jesuskind verdienen mehr als einen Moment der Aufmerksamkeit.
„Dieser Maria sieht man an, dass sie ein Leben hinter sich hat“, verweist Gabi Paulus auf die in St. Peter erhebliche Leidensgeschichte der hölzernen Figur. „Zu ihr kann man aufblicken“, bekennt die Geschäftsführende Vorsitzende im Kirchenvorstand, die noch gleich nachschickt, dass es sich hierbei um ein Mahnmal gegen den Krieg handelt. Archivar Ernst Gruszin ist den Spuren dieser Madonna minutiös gefolgt: 1862/63 wurde die Figur vom
Kölner Bildhauer Christoph Stephan aus Lindenholz geschaffen und in St. Peter aufgestellt. In einem Zeitsprung wurde sie 1950 aus dem Kriegsschutt der Pfarrkirche geborgen. Kunsthistoriker Ernst Coester aus Aachen bescheinigte dem Kunstwerk, „die wertvollste Figur in St. Peter“zu sein.
Mit sehr viel Kennerschaft und restaurativen Mühen ist sie jetzt wiederhergestellt worden. Freilich nicht in einer dem Original täuschend ähnlichen Weise. Denn die schlimmsten mitleiderregenden Verletzungen wurden zwar beseitigt, aber ihre Funktion als mitbetroffene Zeitzeugin des 1. März 1945 ist an der Skulptur von oben bis unten abzulesen. Damals prasselten die Bomben auf Rommerskirchen. Das Wiederauffinden und die nunmehr endgültige Wiederaufstellung blieb nicht ohne Kommentare. „War das nun Zufall oder Fügung?“, so sinniert Pfarrer Meik Schirpenbach.
Auch die Gemeindemitglieder haben dazu eine Meinung. Für viele Familien ist die Madonna ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Solche Schrammen und Verluste haben sie selbst im Zweiten Weltkrieg erlitten, und überzuckerte Jahrzehnte waren von da an auch bei vielen nur selten. Die neoklassizistische Figur mit ihrem Kind macht es vor, wie auch mit der Vergangenheit umgegangen werden kann.
Den Weg dahin markiert das milde Lächeln auf den ebenmäßigen Gesichtszügen der Madonna. Weitere Stationen sind der große Verlust an materieller Substanz. Denn nicht nur die Farben haben gelitten, als die Holzfigur Würmern und Pilzen schutzlos ausgeliefert war. Und so ist der Zustand, in dem die Madonna mit ihrem Kind in den Kalker Werkstätten zu Köln zur restaurierenden Rettung abgeliefert wurde, rein äußerlich eben doch weitgehend beibehalten worden.
Im Inneren der Skulptur wurden, im übertragenen Sinn, Stützen eingezogen. Bewusst waren das keine schönenden Maßnahmen wie Rekonstruktionen fehlender Teile, Retuschen oder gar Neufassungen. Gleichwohl wurden ein neues Sockelbett bereitgestellt sowie ein Teil des fehlenden rechten Handgelenks bildhauerisch ergänzt. Strichretuschen hellten stark geschwärzte Oberflächen auf. Damit präsentiert sich dem staunenden Kirchenbesucher heute dieses Rommerskirchener Zeitzeugnis als kunsthistorische Kostbarkeit.
Gerade die Verletztheit macht die „Madonna aus den Trümmern“so anrührend. Und geistlich überhöht ist hier vor aller Augen etwas wahrhaft Österliches geschehen: die Überwindung des Todes.