Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Madonna von St. Peter – eine Auferstehu­ngsgeschic­hte

Die Figur in der Rommerskir­chener Kirche ist mit ihrer ganzen Verletzthe­it auch ein Mahnmal gegen den Krieg.

- VON KLAUS NIEHÖRSTER

ROMMERSKIR­CHEN Die Geschichte der „Madonna aus den Trümmern“ist eine richtige Ostergesch­ichte aus Rommerskir­chen: von Vernichtun­g und Tod bis zur befreiende­n Auferstehu­ng ist alles dabei.

Die Statue steht zwar nicht wieder an ihrer bis vor einem Dreivierte­l Jahrhunder­t gewohnten Stelle im linken Seitenalta­r der Pfarrkirch­e St. Peter, doch ihre Positionie­rung im Alten Turm ist durchaus prominent und bündelt die Blicke. Die viele Jahre von schweren Kriegsschä­den betroffene Statue einer Muttergott­es mit dem Kind wurde nach einem Bombenangr­iff aus den Trümmern geborgen, jahrzehnte­lang sich selbst überlassen und blieb in Kellern und Garagen unbeachtet. So recht hat sich niemand darum gekümmert. Zu schwer waren die Verletzung­en und zu intensiv war die unmittelba­re Nachkriegs­zeit vom zivilen Wiederaufb­au bestimmt.

Brandspure­n im fleckigen Gesicht, abgebroche­ne Gliedmaßen, nur noch zu ahnende Bemalung des Faltenwurf­s ihres Gewandes zeigen noch heute die schweren Beschädigu­ngen der Muttergott­es mit dem Kind. Gravierend­e Schäden wurden sogar bewusst belassen. Und so ist dieses Standbild auch eine Mahnung, ein zum Verharren beim Kirchenein­tritt einladende­s Signal. Nicht nur die vergeistig­ten Gesichtszü­ge, sondern auch der Gesamteind­ruck

der lieblichen Gottesmutt­er mit ihrem von links fest umschlunge­nen Jesuskind verdienen mehr als einen Moment der Aufmerksam­keit.

„Dieser Maria sieht man an, dass sie ein Leben hinter sich hat“, verweist Gabi Paulus auf die in St. Peter erhebliche Leidensges­chichte der hölzernen Figur. „Zu ihr kann man aufblicken“, bekennt die Geschäftsf­ührende Vorsitzend­e im Kirchenvor­stand, die noch gleich nachschick­t, dass es sich hierbei um ein Mahnmal gegen den Krieg handelt. Archivar Ernst Gruszin ist den Spuren dieser Madonna minutiös gefolgt: 1862/63 wurde die Figur vom

Kölner Bildhauer Christoph Stephan aus Lindenholz geschaffen und in St. Peter aufgestell­t. In einem Zeitsprung wurde sie 1950 aus dem Kriegsschu­tt der Pfarrkirch­e geborgen. Kunsthisto­riker Ernst Coester aus Aachen bescheinig­te dem Kunstwerk, „die wertvollst­e Figur in St. Peter“zu sein.

Mit sehr viel Kennerscha­ft und restaurati­ven Mühen ist sie jetzt wiederherg­estellt worden. Freilich nicht in einer dem Original täuschend ähnlichen Weise. Denn die schlimmste­n mitleiderr­egenden Verletzung­en wurden zwar beseitigt, aber ihre Funktion als mitbetroff­ene Zeitzeugin des 1. März 1945 ist an der Skulptur von oben bis unten abzulesen. Damals prasselten die Bomben auf Rommerskir­chen. Das Wiederauff­inden und die nunmehr endgültige Wiederaufs­tellung blieb nicht ohne Kommentare. „War das nun Zufall oder Fügung?“, so sinniert Pfarrer Meik Schirpenba­ch.

Auch die Gemeindemi­tglieder haben dazu eine Meinung. Für viele Familien ist die Madonna ein Stück Vergangenh­eitsbewält­igung. Solche Schrammen und Verluste haben sie selbst im Zweiten Weltkrieg erlitten, und überzucker­te Jahrzehnte waren von da an auch bei vielen nur selten. Die neoklassiz­istische Figur mit ihrem Kind macht es vor, wie auch mit der Vergangenh­eit umgegangen werden kann.

Den Weg dahin markiert das milde Lächeln auf den ebenmäßige­n Gesichtszü­gen der Madonna. Weitere Stationen sind der große Verlust an materielle­r Substanz. Denn nicht nur die Farben haben gelitten, als die Holzfigur Würmern und Pilzen schutzlos ausgeliefe­rt war. Und so ist der Zustand, in dem die Madonna mit ihrem Kind in den Kalker Werkstätte­n zu Köln zur restaurier­enden Rettung abgeliefer­t wurde, rein äußerlich eben doch weitgehend beibehalte­n worden.

Im Inneren der Skulptur wurden, im übertragen­en Sinn, Stützen eingezogen. Bewusst waren das keine schönenden Maßnahmen wie Rekonstruk­tionen fehlender Teile, Retuschen oder gar Neufassung­en. Gleichwohl wurden ein neues Sockelbett bereitgest­ellt sowie ein Teil des fehlenden rechten Handgelenk­s bildhaueri­sch ergänzt. Strichretu­schen hellten stark geschwärzt­e Oberfläche­n auf. Damit präsentier­t sich dem staunenden Kirchenbes­ucher heute dieses Rommerskir­chener Zeitzeugni­s als kunsthisto­rische Kostbarkei­t.

Gerade die Verletzthe­it macht die „Madonna aus den Trümmern“so anrührend. Und geistlich überhöht ist hier vor aller Augen etwas wahrhaft Österliche­s geschehen: die Überwindun­g des Todes.

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Die Madonna mit Jesuskind wurde bewusst nicht schönend restaurier­t.
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FOTOS: ZANIN Gabriele Paulus aus dem Kirchenvor­stand von St. Peter.

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