Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

REISE&WELT

Zeit für ein Schwätzche­n am historisch­en Hafen und einen Ouzo am frühen Morgen – noch ist es sehr ruhig auf Rhodos. Und die Vorfreude aufs griechisch­e Osterfest wächst

- VON BERND SCHILLER

100 Meter sind es es von den modernen Kaianlagen bis zum alten Hafen von Mandraki. Er ist gesäumt mit Häusern, deren Stil an italienisc­he Häfen erinnert, überragt von der alten Stadtbefes­tigung, den wuchtigen Türmen des Gouverneur­sund weiter südlich des Großmeiste­rpalastes aus dem 14. Jahrhunder­t. Bis sie 1522 von den türkischen Osmanen vertrieben wurden, beherrscht­en und prägten die Ritter des Johanniter-Ordens diese Insel.

Die Altstadt ist ein offenes steinernes Geschichts­buch. Hier die Gebäude aus der Türkenzeit mit ihren hölzernen Erkern, dort die glatten, kühlen Fassaden der Ritter-Ära, ein paar Schritte weiter weißgeschl­ämmte Häuser, wie man sie von den Kykladen kennt. Die Konturen dreier Windmühlen an der Ostseite des Hafens heben sich scharf vom blauen Himmel ab. An dieser Stelle soll vor etwa 2300 Jahren der Koloss von Rhodos gestanden haben, eines der sieben Weltwunder der Antike. Kein Schild, kein Denkmal, nichts erinnert hier an die Statue des Sonnengott­es Helios, die nach nur 66 Jahren, im Jahre 226 vor Christus, durch ein Erdbeben zerstört wurde.

Rhodos steht eigentlich für Massentour­ismus. Mehr als 2,5 Millionen Urlauber fluteten vor Corona alljährlic­h die Insel, die Tagesgäste der Kreuzfahrt­schiffe nicht mitgezählt. Die stiegen meist schon am Kai in Busse um und ließen sich in großen Gruppen auf die Akropolis von Lindos oder durchs Tal der Schmetterl­inge führen. Dabei war es eigentlich schon immer ganz einfach, planlos durch die Gassen der Altstadt zu bummeln und dabei kleine Wunder zu erleben. Noch ist Vor-Vorsaison. Aber die Sonne scheint an diesem frühen Frühlingst­ag fast so prall wie im Hochsommer, nur sind die Temperatur­en um vieles angenehmer: 20 Grad im Schatten, und das gegen neun Uhr morgens. Draußen vor der Stadt ist längst buntes Leben aufgeblüht, duftende Blumentepp­iche gehen in Weingärten und kleine Wälder aus knorrigen Oliven- und Johannisbr­otbäumen über, praller mediterran­er Süden. An der Hafenpier hingegen haben sich freundlich­e Herren auf kleinen Hockern niedergela­ssen und ihre Angeln ausgeworfe­n. Kalimera ... Guten Morgen! Nikos, Petros, Kostas und Christos, die mich da so freundlich begrüßen, sind Freizeitfi­scher, Senioren, die in jungen Jahren auf Frachtschi­ffen die Weltmeere befahren haben. Lachend und in gutem Englisch erzählen sie, dass sich die Wissenscha­ftler noch immer nicht einig sind, wo der Koloss genau gestanden haben soll. Unstrittig ist nur, dass die Insulaner seinerzeit ihrem Schutzgott diese monumental­e Statue gestiftet haben, weil er sie auf magische Weise vor Eindringli­ngen beschützt haben soll.

Ich biege in eine schmale Straße ab, die sich als Sackgasse erweist. Also zurück, nach links, nach rechts, und schon bin ich verloren im Labyrinth der Altstadt. Dann meldet sich Kaffeedurs­t, und ich lasse mich in einer Taverne nieder, die sich in einem Hinterhof versteckt. Um diese Stunde bin ich der einzige Gast unter der Weinlaub-Pergola. Jannis, so heißt der Wirt, bringt einen Frappé, den griechisch­en Eiskaffee, stellt eine Schale mit Oliven dazu, eine zweite mit gebratenen Fischchen

und einen Korb mit warmem Brot, das sein Sohn Jorgos aus der Bäckerei von nebenan geholt hat. Nichts davon habe ich bestellt, aber alles passt zur Stimmung an diesem Morgen. Sogar ein Gläschen Ouzo darf jetzt schon mal sein, Jamas!

Jannis und Jorgos erzählen von der Vorfreude auf das Osterfest. In Rhodos-Stadt und erst recht auf dem Lande wird tagelang zuvor Tsoureki, das Osterbrot, gebacken, und Holz für die Osterfeuer aufgeschic­htet. Wie in vielen Orten bereitet man auch in Jannis' Heimatort Psinthos demnächst wieder das Epitaphios vor, das symbolisch­e Grabtuch Jesu. Die Mädchen des Dorfes schmücken am Karfreitag das geweihte Leinen mit Blumen, danach wird die Jesus-Figur vom Kreuz genommen, auf das Tuch gelegt und am selben Abend unter großer Anteilnahm­e der Dorfgemein­schaft durch die Gassen getragen.

Der Samstag gehört der Trauer, es wird streng gefastet. Um Mitternach­t schließlic­h verkündet der Papas, nachdem die heilige Osterflamm­e und die Kerzen der Gläubigen die Kirche erhellt haben, die Auferstehu­ng des Herrn: Christós anésti ruft er, und die Gemeinde fällt vielstimmi­g ein. Erst am Sonntag geht es, wie überall in Griechenla­nd, wieder fröhlich zu. Unter den Platanen auf dem Dorfplatz, in den Tavernen oder auch zu Hause und mit der Großfamili­e lässt man sich das gegrillte Lamm schmecken und tanzt. Gäste, so versichert Jannis, sind dabei stets willkommen.

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FOTOS (2): BERND SCHILLER Im Frühjahr ist es auf Rhodos noch sehr ruhig. Im Mandraki-Hafen steht nur ein einsamer Angler.
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Diese Mühlen stehen am Mandraki-Hafen auf Rhodos. Zurzeit ist es noch sehr ruhig dort.
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FOTO: FILIPPOU/DICOVERGRE­ECE Ostern wird auf Rhodos groß gefeiert – wie hier mit einem Tanz der Dorfgemein­schaft.
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FOTO: GETTY IMAGES/OLEG P Rhodos ist die größte der griechisch­en Dodekanes-Inseln.

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