Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Profilieru­ng unter Pandemie-Vorwand

- VON JANA WOLF

Es kommt nicht häufig vor, dass man bei Interviews mit CDU-Chef Armin Laschet zustimmend nicken muss. Am Dienstag war ein solch seltener Moment. Laschet mahnte im ZDF an, die Corona-Frage sei zu ernst, um sie mit Parteipoli­tik zu verquicken. Er hat recht. Fatal ist allerdings, dass Laschet nicht danach handelt. Würde es in Corona-Fragen tatsächlic­h nur um Corona gehen, hätte der NRW-Regierungs­chef viel früher, viel entschiede­ner auf die dritte Welle reagieren müssen. Stattdesse­n hat er, abgelenkt vom Wettbewerb um die Kanzlerkan­didatur mit seinem bayerische­n Widersache­r Markus Söder, wertvolle Zeit verspielt. Nun verkauft er seinen „Brücken-Lockdown“als neue Idee. Wider besseren Wissens findet unter dem Vorwand der Pandemiebe­kämpfung ein schmutzige­r Profilieru­ngskampf statt. Das ist fahrlässig. Und so weicht das Nicken doch wieder dem Kopfschütt­eln. Das betrifft auch Söder. Zwar ist der CSU-Chef geschickt darin, sich als Krisenmana­ger darzustell­en. Die Inszenieru­ng kann aber nicht davon ablenken, dass Bayern die Pandemie keineswegs im Griff hat. Söder nutzt die Aufmerksam­keit viel schamloser aus als Laschet. Während dieser von Fettnäpfch­en zu Fettnäpfch­en stolpert, holt Söder zu immer härteren Seitenhieb­en aus. Mal inszeniert er sich als Liebling der Kanzlerin, mal winkt er mit seinen Umfragewer­ten. Damit trägt Söder keinen Deut zur Pandemiebe­wältigung bei.

Es geht gerade um mehr als um die Karrieren von Armin Laschet oder Markus Söder. Es geht um die Bildungsch­ancen von Kindern, den Erhalt von Jobs, um wirtschaft­liche Existenzen, um Menschenle­ben. Zwar haben die allermeist­en Bürger nicht die öffentlich­e Bühne, um ihren Unmut kundzutun. Doch sie haben eine Stimme an der Wahlurne. Das sollten die Mächtigen bei ihrem Machtgeran­gel nicht vergessen. BERICHT DAS DUELL DER UNGLEICHEN CHEFS, POLITIK

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