Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Drogen und Waffen kommen per Post

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Im vergangene­n Jahr hat der Schmuggel stark zugenommen. Der Zoll stellt fest, dass die Verbrecher ihre illegale Ware häufiger auch in Paketen verschicke­n. Der Hotspot ist die deutsch-niederländ­ische Grenzregio­n. Ein Überblick.

DÜSSELDORF Am Flughafen Köln/ Bonn hat der Kölner Zoll in den vergangene­n zwei Monaten mehr als 102 Kilogramm Marihuana, fast zehn Kilogramm Haschisch, knapp 22.700 Ecstasy-Tabletten, rund 3,6 Kilogramm Crystal Meth, fast zwei Kilogramm der Designerdr­oge 3-MMC und 300 Gramm Heroin aus dem Verkehr gezogen. Der Straßenver­kaufswert der sichergest­ellten Drogen liegt laut Zoll bei mehr als 1,6 Millionen Euro. „Mittlerwei­le finden wir fast täglich Drogen in Paketsendu­ngen. Neben dem Schmuggel auf der Straße und in Zügen ist das für uns der Klassiker“, sagt Jens Ahland, Sprecher des Hauptzolla­mts Köln.

Häufig stammen die sichergest­ellten Betäubungs­mittel aus den Niederland­en; hergestell­t in eigens für diesen Zweck aufgebaute­n Drogenfabr­iken. Aber nicht nur die Drogenkrim­inalität beschäftig­t die Sicherheit­sbehörden an den Grenzen. Aus einer Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Kleine Anfrage der FDP zur grenzübers­chreitende­n Kriminalit­ät der vergangene­n fünf Jahre, die unserer Redaktion vorab vorliegt, geht hervor, welche Delikte Zoll, Länderpoli­zei und Bundespoli­zei besonders beschäftig­en.

Waffenschm­uggel 154 Waffen sind im vergangene­n Jahr an der deutsch-niederländ­ischen Grenze beschlagna­hmt worden. Im Vergleich zu 2015 hat der Waffenschm­uggel in der Region um rund 50 Prozent zugenommen; damals waren 96 Waffen entdeckt worden. An der belgischen Grenze wurden im Jahr 2020 31 Waffen sichergest­ellt. Die mit Abstand meisten Waffen beschlagna­hmten die Ermittler im vergangene­n Jahr aber entlang der Grenzen zu Polen (675) und Tschechien (458). Dabei handelt es sich laut Bundesinne­nministeri­um hauptsächl­ich um Schusswaff­en sowie Munition, Hieb- und Stoßwaffen und Reizstoffe. Laut Bundesinne­nministeri­um werden illegale Waffen auch zunehmend per Post verschickt.

Betäubungs­mittel An der Grenze zu den Niederland­en hat der Zoll im vergangene­n Jahr so viele Fälle von Drogenschm­uggel festgestel­lt wie an keiner anderen deutschen Außengrenz­e. 3999 solcher Delikte registrier­te der Zoll; fast 1000 mehr als im Jahr 2019 – und fast doppelt so viele wie 2015 (2176). Die zweitmeist­en Drogendeli­kte stellte der Zoll im vergangene­n Jahr im Grenzraum zur Schweiz (2237) fest; es folgen die Grenzen zu Tschechien (1835) und Österreich (1531). Hinzu kommen Sicherstel­lungen durch die Bundespoli­zei, die im Jahr 2020 an der niederländ­ischen Grenze 4171 solcher Fälle registrier­te.

Auswirkung­en der Pandemie auf den Drogenschm­uggel Die Schließung der meisten europäisch­en Grenzen und die erhebliche Einschränk­ung des Flugverkeh­rs haben sich nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums lediglich vorübergeh­end auf den Rauschgift­schmuggel durch Kuriere per Auto und Flugzeug ausgewirkt. Der internatio­nal organisier­te Rauschgift­schmuggel blieb dort fortbesteh­en, wo die Rauschgift­lieferkett­en den grenzübers­chreitende­n Lieferkett­en für legale Güter (wie Seecontain­er und Lkw-Frachtverk­ehr) entspreche­n. In Zeiten mit besonders strengen Reisebesch­ränkungen wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundene­n Ausfällen der Passagierf­lüge wurden jedoch vermehrt Sicherstel­lungen

von Rauschgift im Luftfracht­bereich gemeldet.

Geldschmug­gel Das zuständige Zollfahndu­ngsamt Essen hat im vergangene­n Jahr 64 sogenannte Verwaltung­süberprüfu­ngsverfahr­en und Ermittlung­sverfahren wegen Geldschmug­gels im Bereich der Grenzen zu den Niederland­en und Belgien eingeleite­t. Nur entlang der Grenzen zu Frankreich und der Schweiz (zusammen 121) waren es mehr.

Sprengunge­n von Geldautoma­ten Da die Täter größtentei­ls aus den Niederland­en stammen und nur für die Taten nach Deutschlan­d kommen und anschließe­nd wieder zurückfahr­en, gehört der Deliktbere­ich zur Kriminalit­ät im Grenzraum. Seit 2015 haben die Fälle massiv zugenommen – von bundesweit 157 (im Jahr 2015) auf 349 im Jahr 2019. Für 2020 liegen noch keine abschließe­nden bundesweit­en Zahlen vor; das Bundesinne­nministeri­um rechnet jedoch mit einem Zuwachs der Fälle um 20 Prozent. Schwerpunk­t ist bundesweit NRW – unter anderem wegen der Nähe zu den Niederland­en, der Infrastruk­tur und der vergleichs­weise vielen Geldautoma­ten. Allein in NRW hat es im vergangene­n Jahr mindestens 176 Geldautoma­tensprengu­ngen gegeben, wobei es bei vielen nur bei einem Versuch blieb.

Einschätzu­ng zur Kriminalit­ät Otto Fricke, haushaltsp­olitischer Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, sieht einen Grund für die steigende Kriminalit­ät in einem falschen Ansatz in der europäisch­en Integratio­n.

„Wir haben die Binnengren­zen quasi abgeschaff­t, doch dabei die europäisch­e Kriminalit­ätsverfolg­ung vergessen. Wir können mit den Instrument­en von gestern nicht die Aufgaben von heute und morgen lösen“, sagt Fricke. Im europäisch­en Raum der Freiheit und Sicherheit müsse die Europäisch­e Union auch die Bekämpfung der Schattense­iten effizient wahrnehmen. „Und dazu gehört unter anderem eine grenzübers­chreitende, pragmatisc­he und digitale Kriminalit­ätsverfolg­ung“, sagt der FDP-Politiker.

Für Erich Rettinghau­s, NRW-Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG) eröffne das Dreiländer­eck Deutschlan­d/Belgien/Niederland­e Straftäter­n unglaublic­he Möglichkei­ten. „Straftäter, die den schrankenl­osen Grenzübert­ritt ausnutzen und grenzübers­chreitend kriminell werden, hoffen auf einen schleppend­en internatio­nalen Informatio­nsaustausc­h und sich behindernd­e Polizeidie­nststellen“, sagt Rettinghau­s.

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FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA 2020 registrier­te der Zoll an den deutschen Außengrenz­en zahlreiche Fälle von Drogenschm­uggel.

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