Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Drogen und Waffen kommen per Post
Im vergangenen Jahr hat der Schmuggel stark zugenommen. Der Zoll stellt fest, dass die Verbrecher ihre illegale Ware häufiger auch in Paketen verschicken. Der Hotspot ist die deutsch-niederländische Grenzregion. Ein Überblick.
DÜSSELDORF Am Flughafen Köln/ Bonn hat der Kölner Zoll in den vergangenen zwei Monaten mehr als 102 Kilogramm Marihuana, fast zehn Kilogramm Haschisch, knapp 22.700 Ecstasy-Tabletten, rund 3,6 Kilogramm Crystal Meth, fast zwei Kilogramm der Designerdroge 3-MMC und 300 Gramm Heroin aus dem Verkehr gezogen. Der Straßenverkaufswert der sichergestellten Drogen liegt laut Zoll bei mehr als 1,6 Millionen Euro. „Mittlerweile finden wir fast täglich Drogen in Paketsendungen. Neben dem Schmuggel auf der Straße und in Zügen ist das für uns der Klassiker“, sagt Jens Ahland, Sprecher des Hauptzollamts Köln.
Häufig stammen die sichergestellten Betäubungsmittel aus den Niederlanden; hergestellt in eigens für diesen Zweck aufgebauten Drogenfabriken. Aber nicht nur die Drogenkriminalität beschäftigt die Sicherheitsbehörden an den Grenzen. Aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP zur grenzüberschreitenden Kriminalität der vergangenen fünf Jahre, die unserer Redaktion vorab vorliegt, geht hervor, welche Delikte Zoll, Länderpolizei und Bundespolizei besonders beschäftigen.
Waffenschmuggel 154 Waffen sind im vergangenen Jahr an der deutsch-niederländischen Grenze beschlagnahmt worden. Im Vergleich zu 2015 hat der Waffenschmuggel in der Region um rund 50 Prozent zugenommen; damals waren 96 Waffen entdeckt worden. An der belgischen Grenze wurden im Jahr 2020 31 Waffen sichergestellt. Die mit Abstand meisten Waffen beschlagnahmten die Ermittler im vergangenen Jahr aber entlang der Grenzen zu Polen (675) und Tschechien (458). Dabei handelt es sich laut Bundesinnenministerium hauptsächlich um Schusswaffen sowie Munition, Hieb- und Stoßwaffen und Reizstoffe. Laut Bundesinnenministerium werden illegale Waffen auch zunehmend per Post verschickt.
Betäubungsmittel An der Grenze zu den Niederlanden hat der Zoll im vergangenen Jahr so viele Fälle von Drogenschmuggel festgestellt wie an keiner anderen deutschen Außengrenze. 3999 solcher Delikte registrierte der Zoll; fast 1000 mehr als im Jahr 2019 – und fast doppelt so viele wie 2015 (2176). Die zweitmeisten Drogendelikte stellte der Zoll im vergangenen Jahr im Grenzraum zur Schweiz (2237) fest; es folgen die Grenzen zu Tschechien (1835) und Österreich (1531). Hinzu kommen Sicherstellungen durch die Bundespolizei, die im Jahr 2020 an der niederländischen Grenze 4171 solcher Fälle registrierte.
Auswirkungen der Pandemie auf den Drogenschmuggel Die Schließung der meisten europäischen Grenzen und die erhebliche Einschränkung des Flugverkehrs haben sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums lediglich vorübergehend auf den Rauschgiftschmuggel durch Kuriere per Auto und Flugzeug ausgewirkt. Der international organisierte Rauschgiftschmuggel blieb dort fortbestehen, wo die Rauschgiftlieferketten den grenzüberschreitenden Lieferketten für legale Güter (wie Seecontainer und Lkw-Frachtverkehr) entsprechen. In Zeiten mit besonders strengen Reisebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ausfällen der Passagierflüge wurden jedoch vermehrt Sicherstellungen
von Rauschgift im Luftfrachtbereich gemeldet.
Geldschmuggel Das zuständige Zollfahndungsamt Essen hat im vergangenen Jahr 64 sogenannte Verwaltungsüberprüfungsverfahren und Ermittlungsverfahren wegen Geldschmuggels im Bereich der Grenzen zu den Niederlanden und Belgien eingeleitet. Nur entlang der Grenzen zu Frankreich und der Schweiz (zusammen 121) waren es mehr.
Sprengungen von Geldautomaten Da die Täter größtenteils aus den Niederlanden stammen und nur für die Taten nach Deutschland kommen und anschließend wieder zurückfahren, gehört der Deliktbereich zur Kriminalität im Grenzraum. Seit 2015 haben die Fälle massiv zugenommen – von bundesweit 157 (im Jahr 2015) auf 349 im Jahr 2019. Für 2020 liegen noch keine abschließenden bundesweiten Zahlen vor; das Bundesinnenministerium rechnet jedoch mit einem Zuwachs der Fälle um 20 Prozent. Schwerpunkt ist bundesweit NRW – unter anderem wegen der Nähe zu den Niederlanden, der Infrastruktur und der vergleichsweise vielen Geldautomaten. Allein in NRW hat es im vergangenen Jahr mindestens 176 Geldautomatensprengungen gegeben, wobei es bei vielen nur bei einem Versuch blieb.
Einschätzung zur Kriminalität Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sieht einen Grund für die steigende Kriminalität in einem falschen Ansatz in der europäischen Integration.
„Wir haben die Binnengrenzen quasi abgeschafft, doch dabei die europäische Kriminalitätsverfolgung vergessen. Wir können mit den Instrumenten von gestern nicht die Aufgaben von heute und morgen lösen“, sagt Fricke. Im europäischen Raum der Freiheit und Sicherheit müsse die Europäische Union auch die Bekämpfung der Schattenseiten effizient wahrnehmen. „Und dazu gehört unter anderem eine grenzüberschreitende, pragmatische und digitale Kriminalitätsverfolgung“, sagt der FDP-Politiker.
Für Erich Rettinghaus, NRW-Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) eröffne das Dreiländereck Deutschland/Belgien/Niederlande Straftätern unglaubliche Möglichkeiten. „Straftäter, die den schrankenlosen Grenzübertritt ausnutzen und grenzüberschreitend kriminell werden, hoffen auf einen schleppenden internationalen Informationsaustausch und sich behindernde Polizeidienststellen“, sagt Rettinghaus.