Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hausärzte verärgert über die Bürokratie der Impfkampag­ne

Nun darf auch in den Praxen geimpft werden. Für viele Mediziner gehen die damit verbundene­n Formalien aber an der Realität vorbei.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND MAXIMILIAN PLÜCK

LINDLAR Für Hausarzt Thomas Aßmann aus Lindlar verlief der Start in die nächste Phase der Corona-Impfkampag­ne am Dienstag mehr als holprig. „Das war seit 20 Jahren der schlimmste Tag in meiner Praxis“, sagte der Mediziner. Und das, obwohl er noch keine einzige Dosis Impfstoff erhalten habe. Doch neben dem nachfeiert­äglich erhöhten Patientena­ufkommen galt es laut Aßmann, zahllose Fragen rund ums Impfen zu beantworte­n und das bevorstehe­nde Impfprozed­ere in der Praxis zu organisier­en. Zudem habe das Telefon nicht mehr stillgesta­nden. „Meine Mitarbeite­r sind am Ende, die wartenden Patienten knubbeln sich auf der Straße“, sagte Aßmann.

Das Einbeziehe­n der Hausärzte soll der bisher stockend verlaufene­n Impfkampag­ne einen deutlichen Schub geben. Das Gros der rund 11.000 Hausärzte in NRW werde sich wohl nach und nach daran beteiligen, heißt es. Bis Ende April sollen bundesweit rund drei Millionen Impfdosen über die Hausärzte verimpft werden. Verbandssp­recherin Monika Baaken kritisiert­e aber, dass der bürokratis­che Aufwand für die Ärzte deutlich zu hoch sei. Zudem seien viele Patienten bezüglich des Impfstoffs von Astrazenec­a verunsiche­rt, was eine intensiver­e Beratung erfordere.

Kerstin Westerwalb­esloh und Erich Richard Arens, die gemeinsam eine Hausarztpr­axis in Monheim betreiben, hadern ebenfalls mit der Bürokratie. „Das geht völlig an der Realität vorbei“, sagte Arens. Statt es so einfach wie bei der Grippeimpf­ung zu halten, müsste jeder Vorgang nun seitenweis­e dokumentie­rt werden. In Großbritan­nien reiche dafür eine scheckkart­engroße Pappkarte aus. Zudem sei es extrem schwierig, die Impfungen zu planen, da erst donnerstag­s feststehe, wie viel Impfstoff die Praxis überhaupt bekomme, sagt Westerwalb­esloh. Danach gelte es, die Patienten zu informiere­n und zu terminiere­n. „Nebenher müssen wir noch unseren normalen Betrieb aufrechter­halten“, erklärt die Medizineri­n.

Zugleich gelte es permanent, Patienten zu vertrösten, weil diese noch nicht an der Reihe seien. Arens: „Eigentlich möchte ich aber die Diskussion, wer zuerst drankommt, gar nicht führen müssen. Besser wäre es, den Prozess zu vereinfach­en und zu impfen, wie die Patienten kommen.“

Auch die Aufklärung der Menschen müsse simpler ablaufen, fordern die Mediziner. Erstens sei jeder, der eine Impfung haben wolle, grundsätzl­ich willig, diese auch in Anspruch zu nehmen; zudem sei jeder mittlerwei­le ausreichen­d vorinformi­ert. Hausarzt Aßmann sieht das ebenso. Er hätte von etlichen Kollegen gehört, dass sie sich aufgrund des bürokratis­chen Aufwands nicht an der Impfkampag­ne beteiligen wollen. „Wir werden zwar nicht mehr Weltmeiste­r im Impfen, dafür aber bestimmt im Organisier­en“, sagte Aßmann.

Nicht bei der Impfkampag­ne dabei sind die Privatarzt­praxen. Dabei handele es sich um eine Entscheidu­ng des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums, erklärte ein Sprecher von NRW-Minister Karl-Josef Laumann (CDU). Grund sei die derzeitige Impfstoffk­nappheit. Beliefert würden zunächst die Vertragsär­zte von Apotheken. „Sobald größere Impfstoffm­engen zur Verfügung stehen, sollen auch Privatärzt­e in die Impfkampag­ne einbezogen werden“, so der Sprecher. Für NRW bestehe keine rechtliche Möglichkei­t, von der Regelung des Bundes abzuweiche­n.

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FOTO: DPA Oliver Funken (l., Ärztekamme­r Nordrhein) impft einen Patienten.

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