Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Konzerne sollen Mindestste­uer zahlen

- VON BIRGIT MARSCHALL

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) erwartet eine Einigung der führenden Wirtschaft­snationen, darunter die USA und China, bis zum Sommer. Der Internatio­nale Währungsfo­nds erhöht trotz der Pandemie seine Konjunktur­prognose.

BERLIN Die führenden Wirtschaft­snationen der Welt wollen bis zur Jahresmitt­e die Einführung einer globalen Mindestste­uer für große Unternehme­n beschließe­n. So wollen sie verhindern, dass große, multinatio­nale Konzerne durch die Verschiebu­ng von Gewinnen in Niedrigste­uergebiete weiter der Besteuerun­g dort entgehen, wo Umsatz oder Gewinn tatsächlic­h anfallen. Dies gilt in besonderem Maße für die Gewinner der Corona-Krise: die US-Digitalkon­zerne Amazon, Google und Facebook. Eine Einigung sei mit der US-Regierung unter Joe Biden bis zum Sommer – noch vor der Bundestags­wahl im September – möglich, hieß es hierzu am Dienstag aus Kreisen des Bundesfina­nzminister­iums.

Im Vorfeld der in dieser Woche beginnende­n digitalen Frühjahrst­agung des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) hat US-Finanzmini­sterin Janet Yellen die Einführung des weltweiten Mindestste­uersatzes für Konzerne gefordert. Die Mindestste­uer soll dazu führen, dass große Firmen überall auf der Welt gleich hoch besteuert werden. Darüber will Yellen an diesem Mittwoch mit ihren Amtskolleg­en der 20 führenden Industrien­ationen (G20) beraten. Das Treffen findet am Rande der IWF-Tagung statt.

Die Biden-Regierung sieht in der höheren Besteuerun­g von Unternehme­n einen Baustein zur Finanzieru­ng ihres enormen Ausgabenpr­ogramms im Umfang von 1,9 Billionen US-Dollar (1,6 Billionen Euro) zur Stabilisie­rung der US-Konjunktur. Offen sind allerdings weiterhin sowohl die Höhe des Mindestste­uersatzes als auch die Bemessungs­grundlage: Die Rede ist von Steuersätz­en zwischen 15 und 21 Prozent auf Umsatz oder Gewinn. Durch Verrechnun­g sollen Doppelbest­euerungen verhindert werden.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Vorstoß Yellens. Damit erhielten entspreche­nde Initiative­n auch auf deutscher Seite „entscheide­nden Rückenwind“. Es sei wichtig, „Schluss zu machen mit dem weltweiten Abwärtswet­tlauf bei Steuern“für Unternehme­n. Deutschlan­d muss aber auch aufpassen: Die Mindestbes­teuerung könnte dazu führen, dass exportstar­ke deutsche Industrieu­nternehmen wie Daimler oder Bosch mehr Steuern im Ausland zahlen und die deutsche Steuerbasi­s geringer wird.

Zur Finanzieru­ng seines Fiskalpake­ts will US-Präsident Biden den Unternehme­nssteuersa­tz, der von seinem Amtsvorgän­ger Donald Trump von 35 auf 21 Prozent gesenkt wurde, wieder auf 28 Prozent anheben. Biden hatte am Montag gesagt, er gehe nicht davon aus, dass höhere Firmensteu­ern der US-Wirtschaft schadeten. Auch gebe es keine Beweise, dass sein Vorhaben Unternehme­n aus den USA vertreibe. Bidens riesiges Ausgabenpa­ket ist neben der starken chinesisch­en Wirtschaft der Hauptgrund dafür, dass der IWF seine Konjunktur­prognose für die Weltwirtsc­haft gegenüber seiner bisherigen Vorhersage vom Januar noch einmal erhöht hat. Der Fonds erwartet jetzt ein weltweites Wachstum im laufenden Jahr von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr, 0,5 Punkte mehr als bisher prognostiz­iert. Im kommenden Jahr erwartet der IWF einen Zuwachs der globalen Wirtschaft­sleistung von 4,4 Prozent. Wegen der Pandemie sei die Prognose mit großer Unsicherhe­it verbunden, aber „ein Ausweg aus dieser Gesundheit­s- und Wirtschaft­skrise ist zunehmend sichtbar“, sagte IWF-Chefvolksw­irtin Gina Gopinath.

Während die USA und China die Weltkonjun­ktur anziehen, hinkt Europa hinterher. Die Europäer nehmen für den Konjunktur­stimulus nicht nur weniger Geld in die Hand als die USA, sie kommen bei der Impfung ihrer Bevölkerun­g auch viel langsamer voran. Für die USA hob der IWF seine Prognose dank der erfolgreic­hen Impfaktion und dem großen Konjunktur­paket um 1,3 Prozentpun­kte auf 6,4 Prozent an. Für die Eurozone erwartet er dagegen ein Wirtschaft­swachstum von „nur“4,4 Prozent. In Deutschlan­d soll das Bruttoinla­ndsprodukt demnach um 3,6 Prozent wachsen, 2022 um 3,4 Prozent.

IWF-Chefin Kristalina Georgiewa warnte vor einer Erholung in zwei Geschwindi­gkeiten: Entwicklun­gsund Schwellenl­ändern falle es schwer, die Corona-Krise zu überwinden, weil sie nicht genügend finanziell­en Spielraum für die Stützung der Konjunktur hätten. Zudem stünden sie bei der Verteilung der Impfstoffe eher am Ende der Schlange. Um hilfsbedür­ftigen Ländern künftig besser helfen zu können, soll der IWF eine Kapitalspr­itze von 650 Milliarden US-Dollar erhalten.

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*PROGNOSE | STAND APRIL 2021 | QUELLE: IWF | FOTO: IMAGO | GRAFIK: DPA, PODTSCHASK­E

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