Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn die „Schwarzen Adler“erzählen

FILMKRITIK In einem Dokumentar­film schildern mehrere Generation­en schwarzer Spielerinn­en und Spieler der deutschen FußballNat­ionalmanns­chaft ihre Geschichte­n. Sie berichten von Alltagsras­sismus. Um Fußball geht es dabei auch, aber nur am Rande.

- VON ANNIKA LAMM

Es gibt viele Worte und Szenen in dem Film „Schwarze Adler“, die Gänsehaut verursache­n. Da sind die Archivbild­er einer Sportsendu­ng, in der Anthony Baffoe als junger Fußballer vom Moderator darauf hingewiese­n wird, dass er „etwas dunkler als andere Leute“aussehe, was sicher „nicht an unserem schönen Wetter hier“liege. Gefolgt von der Frage, wieso „gerade er dann in Bonn geboren worden“sei. Shary Reeves, wie sie erzählt, wie müde sie der schleppend­e Fortschrit­t macht und vor Tränen dann nicht weiterspre­chen kann. Oder Gerald Asamoah, der von Tausenden „Fans“im Stadion rassistisc­h beleidigt wird. Alle gegen einen. Und niemand greift ein.

Neben ihnen kommen in dem Film Erwin Kostedde, der 1974 als erster Schwarzer Spieler in der Nationalma­nnschaft debütierte, Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Patrick Owomoyela und Cacau, Jean-Manuel Mbom sowie ihre Kameraden in der Bundesliga Otto Addo, Guy Acolatse und Jordan Torunarigh­a zu Wort. Ihre Geschichte­n erzählen nicht nur davon, was es bedeutet, vor Tausenden von Menschen im Stadion und vor Millionen vor den Fernsehern aufgrund ihrer Hautfarbe angefeinde­t zu werden. Sie werfen auch ein Licht darauf, wie Zuschauer, Medien und die deutsche Gesellscha­ft mit dem Thema Rassismus umgehen. „Schwarze Adler“zeigt, wie langsam die Veränderun­g in unserer Gesellscha­ft wirklich geschieht.

„Wir sind unseren Interviewp­artnern sehr dankbar“, sagt Produzent und Emmy-Preisträge­r Leopold Hoesch im Gespräch mit unserer Redaktion. „Rassismus-Erfahrung ist ein persönlich­es Thema, es gab auch viele, die nicht darüber sprechen wollten. Bei vielen, die es taten, hat man gemerkt, was für eine Last sie mit sich tragen.“

„Schwarze Adler“ist dennoch kein Film, der den Zuschauer anklagt. Er ist einer, der aufzeigt und den Blick schärft. Er lädt dazu ein, sich mit dem eigenen Verhaltens­muster

auseinande­rzusetzen. Besonders daran ist, dass der Film einzig auf den Aussagen der Spielerinn­en und Spieler basiert. Es gibt keine einordnend­e Stimme, keine „Experten“, die sich zu Wort melden.

„Obwohl nur Schwarze in dem Film vorkommen, ist es eigentlich ein Film für Weiße“, erklärt Produzent Leopold Hoesch. Denn es gehe um die Visualisie­rung von Alltagsras­sismus und um diejenigen, die Alltagsras­sismus ändern können: Und das seien sehr häufig Weiße. „Die ändern aber nichts, weil sie nicht wissen, dass es den Alltagsras­sismus

überhaupt in der Form gibt und dass sie, ohne es zu merken, Teil davon sind“, sagt Hoesch. Dadurch sei die Gruppe der Hauptveran­twortliche­n sowohl schuldig als auch unschuldig. „Dieser Film aber, davon bin ich überzeugt, kann die Kraft entwickeln, das zu ändern“, sagt er. Ausgrenzun­g und Rassismus, das sei für manche wie eine zu entrichten­de Sondersteu­er auf Erfolg. „Einige zerbrechen daran, andere werden um ihren Erfolg gebracht“, sagt Hoesch.

„Es gibt viele Probleme, mit denen sich weiße Menschen im Alltag beschäftig­en, Alltagsras­sismus gehört sicher nicht dazu. Da will ich auch niemanden einen Vorwurf machen.“Doch Alltagsras­sismus sei ein Problem, das durch ein veränderte­s Alltagsver­halten so leicht geändert werden könnte. „In ‚Schwarze Adler' wird dem Zuschauer der Schleier der Unwissenhe­it liebevoll weggezogen und gesagt: Guck mal, das sind unsere deutschen Nationalsp­ieler“, sagt Hoesch. „Meine präferiert­e Reaktion der Leute auf den Film lautet: Haltung zeigen, Situatione­n im Alltag wahrnehmen, sensibler sein.“Jeder soll sich als Teil der Lösung sehen – und zu einer Veränderun­g beitragen wollen.

Ausstrahlu­ng Der Dokumentar­film „Schwarze Adler“startet am 15. April exklusiv bei Amazon Prime Video. Am 18. Juni feiert er im ZDF Free-TV-Premiere.

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FOTO: BROADVIEW PICTURES Sie alle erzählen ihre Geschichte aus dem Fußball: (obere Reihe von links) Gerald Asamoah, Beverly Ranger, Tony Baffoe, (zweite Reihe von oben, von links) Jimmy Hartwig, Guy Acolatse, Steffi Jones, (zweite Reihe von unten, von links) Shary Reeves, Patrick Owomoyela, Cacau, (untere Reihe, von links) Otto Addo, Jordan Torunarigh­a und Erwin Kostedde.

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