Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

WM-Bronze und Ping-Pong-Diplomatie

- VON WINFRIED STÖCKMANN

Am 7. April 2021 jährt sich zum fünfzigste­n Mal, dass sich das seit 1966 als Ehepaar verbundene gemischte Doppel Eberhard Schöler/Diane Schöler bei der 31. Tischtenni­s-WM 1971 in Nagoya Bronze im Mixed holte.

HOLZBÜTTGE­N „Das ist aber nicht einfach, nach einer so langen Zeit noch Einzelheit­en parat zu haben“, war die spontane Reaktion von Eberhard Schöler auf die Bitte, sich an die letzten Tischtenni­s-Weltmeiste­rschaften mit einem Medailleng­ewinn an der Seite seiner Ehefrau Diane zu erinnern.

Kein Wunder, denn es ist schon ein halbes Jahrhunder­t her, dass das seit 1966 als Ehepaar verbundene gemischte Doppel Schöler/ Schöler bei der 31. WM 1971 in Nagoya Bronze im Mixed gewann. Genau genommen jährt sich dieses Datum am 7. April nun zum fünfzigste­n Mal. Im Rückblick erinnert sich Eberhard Schöler vor allem an die abenteuerl­ichen Umstände seines ersten Japan-Besuchs mit geschätzt zehn Zwischenla­ndungen, während Diane Schöler schon 15 Jahre früher bei der WM 1956 in Tokio war. „Ich weiß auch noch, dass wir mit einem feudalen Schnellzug, der mit 300 km/h unterwegs war, von Tokio nach Nagoya fuhren und dort für damalige Verhältnis­se ideale Bedingunge­n antrafen.“Trotz der zufriedens­tellenden sechsten und siebten Plätze der deutschen Herren- und Damen-Mannschaft­en war die sportliche Ausbeute der beiden Schölers überschaub­ar. Sowohl Eberhard Schöler (gegen den chinesisch­en Viertelfin­alisten Li Fujung) als auch Diane Schöler mussten bereits in der zweiten Runde (letzte 64) die Segel streichen und kamen auch im Doppel (mit einem des Englischen nicht mächtigen Koreaners als `stummen' Partner, bzw. Aggi Simon) nicht in Medaillenn­ähe.

Erst im Mixed lief es besser: Nach Siegen über die Franzosen Bergeret/ Secretin, Vostova/Orlowski aus der Tschechosl­owakei und den Ungarn Kishazi/Beleznay war das Halbfinale erreicht. An das Spiel und den Grund für die 0:3-Niederlage gegen die ungarisch/jugoslawis­che Kombinatio­n Maria Alexandru/Anton Stipancic erinnert sich Eberhard Schöler heute noch genau. „Wir waren drei Abwehrer, die das Schupfen bevorzugte­n. Aber immer wenn es möglich war, nutzte Stipancic mit seinem außergewöh­nlichen Vorhandspi­n die Vorteile gegen Diane konsequent zum Punktgewin­n.“

Die Chance, das Finale zu erreichen oder sogar den zu Titel zu holen, war damit verpasst. Zwei Jahre später zogen Diane und Eberhard in Sarajewo einen Schlussstr­ich unter ihrer erfolgreic­hen WM-Karriere. Die gebürtige Engländeri­n brachte es bis dahin seit 1951 auf stolze fünfzehn Teilnahmen und 20 Medailleng­ewinne (2xGold, 8xSilber, 10xBronze). Die Erfolgsaus­beute ihres Mannes nimmt sich dagegen mit fünf Teilnahmen sowie zweimal Silber und viermal Bronze recht bescheiden aus.

Zur Freude aller deutschen WM-Starter hatte DTTB-Generalsek­retär und Reiseleite­r Jupp Schlaf auf der Rückreise in Hongkong, Bangkok und Macao noch Zwischenst­ationen eingeplant. Im Wolkenkrat­zer-Staat fand sogar noch ein Länderkamp­f statt, bei dem in einer zugigen Halle – eigentlich unter Freiluftbe­dingungen – 2000 Zuschauer jede Showeinlag­e, vor allem die hoch geworfenen Aufschläge von Klaus Schmitting­er, begeistert bejubelten und der 7:2Sieg zur Nebensache geriet. Aber weder die Rückkehr der seit 1965 auf der WM-Bühne abwesenden Chinesen, noch die Tatsache, dass mit dem Schweden Stellan Bengtsson (18) nach 18 Jahren wieder ein Europäer den Thron im Herren-Einzel (im Endspiel übrigens gegen Shigeo Itoh, den Schöler-Bezwinger von 1969 in München) bestieg, sorgten für die wirklichen Schlagzeil­en der Titelkämpf­e in Nagoya. Unter dem bekannten Stichwort „Ping-Pong-Diplomatie“erlangten sie den unbestritt­en nachhaltig­sten Einfluss auf die gesamte Weltpoliti­k.

Der profane Ausgangspu­nkt für das im Nachhinein geschichts­trächtige Ereignis war die lose Freundscha­ft des etwas spleenigen US-Studenten Glenn Cowan mit dem achtfachen Weltmeiste­r Zhuang Zedong während der WM. Irgendwie war das auch der Anlass, dass Chinas Delegation­sleiter Sung Chung die amerikanis­che Mannschaft nach Peking einlud. Letztlich bedeutete dies das Ende der zwanzigjäh­rigen Eiszeit und Spannungen zwischen beiden Nationen, die mit dem Besuch von Außenminis­ter Henry Kissinger und Präsident Richard Nixon eine Fortsetzun­g erfuhr.

Mit Diane und Eberhard Schöler hatte das zwar nichts zu tun, aber der 7. April 1971, als Datum für den Gewinn der WM-Bronzemeda­ille sowie die Einladung des US-Teams nach China, ist als geschichtl­icher Meilenstei­n der politische­n Annäherung

in die Annalen eingegange­n. Und im Film-Erfolg „Forrest Gump“mit Tom Hanks in der Hauptrolle wurde das historisch­e Ereignis 1994 in einer Szene sogar noch in der jüngeren Kinogeschi­chte verewigt. Auch während Maos Kulturrevo­lution (ab 1966) hatte Jupp Schlaf immer einen guten Draht zum chinesisch­en Verband. Deshalb war es nicht verwunderl­ich, dass 1972 China den internatio­nalen Spielverke­hr mit westlichen Verbänden durch drei Länderkämp­fe in Deutschlan­d eröffnete. „Unvergessl­ich für mich war die Rückeinlad­ung am Jahresende zu meinem ersten China-Besuch mit Spielen in Peking, Shanghai und Kanton“, erinnert sich Eberhard Schöler noch heute gerne an eine sportpolit­isch turbulente Zeit.

Der Autor Winfried Stöckmann (88) war fast 70 Jahre Essener Pressewart und langjährig­er Mitarbeite­r der Tischtenni­s-Zeitung. Zumal in dieser Funktion begleitete er auch persönlich auf vielfache Weise den sportliche­n Werdegang von Eberhard Schöler.

 ?? FOTO: KAROLA KIESSLICH ?? Genau vor einem halben Jahrhunder­t gewannen Eberhard und Diane Schöler bei der 31. WM in Nagoya Bronze in der Mixed-Konkurrenz.
FOTO: KAROLA KIESSLICH Genau vor einem halben Jahrhunder­t gewannen Eberhard und Diane Schöler bei der 31. WM in Nagoya Bronze in der Mixed-Konkurrenz.

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