Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Impf-Bürokratie lässt Ärzte verzweifeln
Der Start der Corona-Schutzimpfungen in Hausarzt-Praxen verläuft auch in Neuss schleppend. Vor allem das hohe Maß an Formularen und Pflichten sorgt für Unverständnis – darüber hinaus fehlt Impfstoff.
NEUSS Aus der Stimme von Wolfgang von Schreitter ist Verzweiflung zu hören. „Es ist fast unerträglich“, sagt der Neusser Allgemein-Mediziner über die bürokratischen Hürden, die für den Impfstart in den Hausarztpraxen genommen werden müssen. Das ganze vergangene Wochenende wurde damit verbracht, entsprechende Vorbereitungen zu treffen: Aufklärungsbögen ausdrucken, Impfbescheinigungen bereitstellen, Umorganisation von Terminen, weil Patienten doch noch einen Termin im Impfzentrum bekommen haben – die Liste der Aufgaben ließe sich fortsetzen. Das Problem: In den Impfzentren sei ausreichend Personal vorhanden, „wir müssen das hier alles alleine organisieren. Es ist am Limit dessen, was wir körperlich noch leisten können“, sagt von Schreitter, der hinzufügt: „Aber wir machen das für die Patienten.“Eigentlich wollte der Neusser am Mittwoch und Donnerstag mit Impfungen bei 48 Patienten inklusive 18 Hausbesuchen starten. Aber: Weil statt der 48 Dosen lediglich 30 geliefert wurden, musste er am Dienstag 18 Patienten wieder absagen.
Das Warten auf den zugesagten Impfstoff, der dann doch nur in Teilen geliefert wird, ist für viele Mediziner ein zusätzliches Problem. Denn ein Einzelfall ist es mitnichten. Im Grunde hätten alle Ärzte mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Das erklärt der Mediziner Gerhard Steiner, der auch Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung im Rhein-Kreis Neuss ist. „Es ist schlicht nicht genug Impfstoff vor Ort“, sagt er. „In meiner Praxis zum Beispiel bekommen wir den Impfstoff erst am Donnerstag, sodass es erst am Freitag Impftermine gibt.“Und von den angeforderten und auch eigentlich zugesagten 50 Dosen kommen laut Steiner zunächst einmal nur 24. Das soll zwar von Woche zu Woche gesteigert werden, aber der Start verläuft schleppend.
Hinzu kommt der hohe bürokratische Aufwand. „In unserer Praxis sind alleine drei Leute des Personals damit beschäftigt, alles vorzubereiten“, sagt Steiner. Damit mehr Tempo in die Impfkampagne kommt, müsse mehr Impfstoff her. „Wir bräuchten 3000 Impfdosen“, sagt Steiner. Doch dass mehr Geschwindigkeit ins Impfen kommt, sei nur eine Frage der Zeit. Erwartet werde zum Beispiel, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson im nächsten Monat auf den Markt kommt. Er lässt sich gut lagern und muss nur einmal verimpft werden. Mit der wachsenden Vielfalt an Vakzinen erwartet Steiner eine Art „ImpfSprung“, also deutlich mehr Tempo.
Auch in der Praxis von Achim Robertz wurde nur die Hälfte der gewünschten Impfstoff-Menge geliefert. „Das war aber keine große Überraschung und wurde vorher so kommuniziert“, sagt der Neusser Arzt. Man habe die Patienten somit nach der Menge, die zur Verfügung stand, einbestellt. Der hohe bürokratische Aufwand werde unter anderem dadurch verstärkt, dass abends die erfolgten Impfungen an das Robert-Koch-Institut gemeldet werden müssen. „Man arrangiert sich damit“, sagt Robertz.