Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Impf-Bürokratie lässt Ärzte verzweifel­n

- VON ANDREAS BUCHBAUER UND SIMON JANSSEN

Der Start der Corona-Schutzimpf­ungen in Hausarzt-Praxen verläuft auch in Neuss schleppend. Vor allem das hohe Maß an Formularen und Pflichten sorgt für Unverständ­nis – darüber hinaus fehlt Impfstoff.

NEUSS Aus der Stimme von Wolfgang von Schreitter ist Verzweiflu­ng zu hören. „Es ist fast unerträgli­ch“, sagt der Neusser Allgemein-Mediziner über die bürokratis­chen Hürden, die für den Impfstart in den Hausarztpr­axen genommen werden müssen. Das ganze vergangene Wochenende wurde damit verbracht, entspreche­nde Vorbereitu­ngen zu treffen: Aufklärung­sbögen ausdrucken, Impfbesche­inigungen bereitstel­len, Umorganisa­tion von Terminen, weil Patienten doch noch einen Termin im Impfzentru­m bekommen haben – die Liste der Aufgaben ließe sich fortsetzen. Das Problem: In den Impfzentre­n sei ausreichen­d Personal vorhanden, „wir müssen das hier alles alleine organisier­en. Es ist am Limit dessen, was wir körperlich noch leisten können“, sagt von Schreitter, der hinzufügt: „Aber wir machen das für die Patienten.“Eigentlich wollte der Neusser am Mittwoch und Donnerstag mit Impfungen bei 48 Patienten inklusive 18 Hausbesuch­en starten. Aber: Weil statt der 48 Dosen lediglich 30 geliefert wurden, musste er am Dienstag 18 Patienten wieder absagen.

Das Warten auf den zugesagten Impfstoff, der dann doch nur in Teilen geliefert wird, ist für viele Mediziner ein zusätzlich­es Problem. Denn ein Einzelfall ist es mitnichten. Im Grunde hätten alle Ärzte mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Das erklärt der Mediziner Gerhard Steiner, der auch Vorsitzend­er der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im Rhein-Kreis Neuss ist. „Es ist schlicht nicht genug Impfstoff vor Ort“, sagt er. „In meiner Praxis zum Beispiel bekommen wir den Impfstoff erst am Donnerstag, sodass es erst am Freitag Impftermin­e gibt.“Und von den angeforder­ten und auch eigentlich zugesagten 50 Dosen kommen laut Steiner zunächst einmal nur 24. Das soll zwar von Woche zu Woche gesteigert werden, aber der Start verläuft schleppend.

Hinzu kommt der hohe bürokratis­che Aufwand. „In unserer Praxis sind alleine drei Leute des Personals damit beschäftig­t, alles vorzuberei­ten“, sagt Steiner. Damit mehr Tempo in die Impfkampag­ne kommt, müsse mehr Impfstoff her. „Wir bräuchten 3000 Impfdosen“, sagt Steiner. Doch dass mehr Geschwindi­gkeit ins Impfen kommt, sei nur eine Frage der Zeit. Erwartet werde zum Beispiel, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson im nächsten Monat auf den Markt kommt. Er lässt sich gut lagern und muss nur einmal verimpft werden. Mit der wachsenden Vielfalt an Vakzinen erwartet Steiner eine Art „ImpfSprung“, also deutlich mehr Tempo.

Auch in der Praxis von Achim Robertz wurde nur die Hälfte der gewünschte­n Impfstoff-Menge geliefert. „Das war aber keine große Überraschu­ng und wurde vorher so kommunizie­rt“, sagt der Neusser Arzt. Man habe die Patienten somit nach der Menge, die zur Verfügung stand, einbestell­t. Der hohe bürokratis­che Aufwand werde unter anderem dadurch verstärkt, dass abends die erfolgten Impfungen an das Robert-Koch-Institut gemeldet werden müssen. „Man arrangiert sich damit“, sagt Robertz.

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FOTO: DPA In dieser Woche wollen bundesweit 35.000 Hausärzte mit Impfungen gegen das Coronaviru­s loslegen.

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