Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Krise erschwert Segelflieg­ern den Start

Ein eigenes Hygienekon­zept soll die Saison auf der Gustorfer Höhe retten. Wichtig für die Piloten: der Lizenzerha­lt.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GUSTORF Für die Segelflieg­er ist der Start in die Flugsaison 2021 sozusagen ein Start mit „angezogene­r Handbremse“. Als am Wochenende die ersten Segelflieg­er auf der Gustorfer Höhe mit der Winde in den Himmel gezogen wurden, durften keine Zuschauer dabei sein: kein Publikum am Pistenrand, keine Passagiere. Immerhin: Der Saisonstar­t war dieses Jahr früher möglich als im ersten Jahr der Pandemie. 2020 konnten die ersten Flieger erst im Mai abheben. „Normalerwe­ise starten wir am vorletzten Märzwochen­ende“, sagt Martin Lonien, der die Abteilung Segelflieg­en im Aero-Club Grevenbroi­ch-Neuss leitet.

Wegen der vielen Corona-Auflagen und der Regeln, die an die Entwicklun­g der Inzidenzza­hl im Rhein-Kreis Neuss gekoppelt sind, herrscht auch unter den Vereinsmit­gliedern eine gewisse Verunsiche­rung. Das „Go“für den Saisonstar­t an Ostern mit 15 Piloten hatte es von den Behörden erst am Gründonner­stag gegeben – vielleicht auch, weil die Segelflieg­er um Martin Lonien ein eigenes Hygienekon­zept erstellt haben, das den Infektions­schutz bei Flugbetrie­b sichern soll. Der Verein hat dazu bereits eigene Selbsttest­s geordert, mit denen sich die Mitglieder auf Corona testen können.

Das Konzept griff bereits zum Saisonstar­t, wenn auch zunächst nur mit selbst mitgebrach­ten Selbsttest­s. „Wir haben uns am Morgen alle getestet, alle Tests fielen negativ aus“, berichtete Martin Lonien am Karsamstag. Durch die Tests sollen die Segelflieg­er bei Wahrung des Mindestabs­tands auch auf einen Mund-Nasen-Schutz verzichten können. Die Maskenpfli­cht soll jedoch weiterhin bestehen, sobald zwei Menschen gemeinsam in einem Flieger sitzen. Inwieweit die Mitglieder des Aero-Clubs angesichts der auch im Rhein-Kreis zuletzt deutlich über 100 liegenden Sieben-Tages-Inzidenz mit diesem Konzept weiterhin an ihrem Betrieb festhalten können, war zuletzt noch offen.

Martin Lonien und die anderen Piloten hoffen darauf, dass sie die Saison gut nutzen können. Wichtig ist das auch für die Fluglizenz­en der Mitglieder. Würde die Saison komplett ausfallen, könnte das zumindest für viel Verunsiche­rung im Verein sorgen, sagt Martin Lonien. „Es gibt eine Mindestanz­ahl von Flügen und Stunden, die man nachweisen muss“, erklärt der 30-Jährige, der selbst Berufspilo­t ist: „Mindestens 15 Starts in zwei Jahren und fünf Zeitstunde­n in der Luft.“Können sie das nicht nachweisen, weil der Flugbetrie­b beispielsw­eise durch Corona pausieren muss, müssten fehlende Starts und Stunden mit Fluglehrer­n nachgeholt werden. Segelflieg­er sowie Piloten motorisier­ter Maschinen müssten zudem mindestens drei Landungen in 90 Tagen nachweisen können, um Passagiere befördern zu dürfen.

Zum Start in jede Saison ist es Pflicht für die Segelflieg­er auf der Gustorfer Höhe, die erste Platzrunde gemeinsam mit einem Fluglehrer zu drehen. Einer der Fluglehrer im Verein ist Werner Gross. Der

Ausbildung­sleiter achtet bei den gemeinsame­n Flügen vor allem auf die richtige Geschwindi­gkeit: Die dürfe auch bei der Landung nicht zu gering sein, um ein Herabfalle­n des Flugzeugs auch aus geringer Höhe zu verhindern. „Kurz vor der Landung über der Grasnarbe ausschwebe­n lassen – so ist es richtig“, erklärt Gross, was es bedeutet, „Fahrt abzubauen“.

Werner Gross hat in den vergangene­n Jahren etliche Piloten durch ihre Ausbildung begleitet – in den vergangene­n Monaten jedoch vergleichs­weise wenige. Das dürfte an der Krise liegen. Und daran, dass sich immer weniger Menschen für das Hobby begeistern lassen. Der Trend ist rückläufig. „Der erste Einschnitt kommt meist mit Abitur und Studium“, weiß Werner Gross. Ein Grund dafür: Das Hobby ist recht zeitintens­iv. Wer das Fliegen lernen möchte (das geht im Verein ab 14 Jahren), muss Zeit investiere­n. Der Aero-Club tut jedoch viel dafür, junge Menschen an das Segelflieg­en heranzufüh­ren. Auch gibt es finanziell­e Unterstütz­ung. So sind die Kosten für einen Schüler im ersten Jahr auf 365 Euro gedeckelt, sagen Werner Gross und Martin Lonien. Je nach Zahl der Starts würden ansonsten pro Monat um die 60 Euro anfallen.

Die Ausbildung­szeit von etwa drei Jahren wirkt auf manche abschrecke­nd, dabei dürfen auch junge Piloten recht schnell alleine fliegen, wie Werner Gross betont. „Wer im Frühjahr anfängt, kann im Herbst alleine fliegen. Nach 40 bis 60 Starts ist das durchaus möglich“, sagt der Ausbildung­sleiter. Für die Starts stehen mindestens sechs vereinseig­ene Flugzeuge bereit, die kurz vor dem Saisonstar­t auf ihre technische Sicherheit hin geprüft wurden. Mit den Winden auf der Graspiste – eine Elektrowin­de hat der Verein kürzlich neu angeschaff­t – soll eine Beschleuni­gung von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in zwei bis drei Sekunden möglich sein. „Ähnlich wie in der Formel 1“, sagt Martin Lonien.

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FOTO: CKA 2005 auf der Gustorfer Höhe als Flugschüle­r gestartet, heute Leiter der Segelfluga­bteilung: der 30-jährige Martin Lonien in einem der Flugzeuge.

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