Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Krise erschwert Segelfliegern den Start
Ein eigenes Hygienekonzept soll die Saison auf der Gustorfer Höhe retten. Wichtig für die Piloten: der Lizenzerhalt.
GUSTORF Für die Segelflieger ist der Start in die Flugsaison 2021 sozusagen ein Start mit „angezogener Handbremse“. Als am Wochenende die ersten Segelflieger auf der Gustorfer Höhe mit der Winde in den Himmel gezogen wurden, durften keine Zuschauer dabei sein: kein Publikum am Pistenrand, keine Passagiere. Immerhin: Der Saisonstart war dieses Jahr früher möglich als im ersten Jahr der Pandemie. 2020 konnten die ersten Flieger erst im Mai abheben. „Normalerweise starten wir am vorletzten Märzwochenende“, sagt Martin Lonien, der die Abteilung Segelfliegen im Aero-Club Grevenbroich-Neuss leitet.
Wegen der vielen Corona-Auflagen und der Regeln, die an die Entwicklung der Inzidenzzahl im Rhein-Kreis Neuss gekoppelt sind, herrscht auch unter den Vereinsmitgliedern eine gewisse Verunsicherung. Das „Go“für den Saisonstart an Ostern mit 15 Piloten hatte es von den Behörden erst am Gründonnerstag gegeben – vielleicht auch, weil die Segelflieger um Martin Lonien ein eigenes Hygienekonzept erstellt haben, das den Infektionsschutz bei Flugbetrieb sichern soll. Der Verein hat dazu bereits eigene Selbsttests geordert, mit denen sich die Mitglieder auf Corona testen können.
Das Konzept griff bereits zum Saisonstart, wenn auch zunächst nur mit selbst mitgebrachten Selbsttests. „Wir haben uns am Morgen alle getestet, alle Tests fielen negativ aus“, berichtete Martin Lonien am Karsamstag. Durch die Tests sollen die Segelflieger bei Wahrung des Mindestabstands auch auf einen Mund-Nasen-Schutz verzichten können. Die Maskenpflicht soll jedoch weiterhin bestehen, sobald zwei Menschen gemeinsam in einem Flieger sitzen. Inwieweit die Mitglieder des Aero-Clubs angesichts der auch im Rhein-Kreis zuletzt deutlich über 100 liegenden Sieben-Tages-Inzidenz mit diesem Konzept weiterhin an ihrem Betrieb festhalten können, war zuletzt noch offen.
Martin Lonien und die anderen Piloten hoffen darauf, dass sie die Saison gut nutzen können. Wichtig ist das auch für die Fluglizenzen der Mitglieder. Würde die Saison komplett ausfallen, könnte das zumindest für viel Verunsicherung im Verein sorgen, sagt Martin Lonien. „Es gibt eine Mindestanzahl von Flügen und Stunden, die man nachweisen muss“, erklärt der 30-Jährige, der selbst Berufspilot ist: „Mindestens 15 Starts in zwei Jahren und fünf Zeitstunden in der Luft.“Können sie das nicht nachweisen, weil der Flugbetrieb beispielsweise durch Corona pausieren muss, müssten fehlende Starts und Stunden mit Fluglehrern nachgeholt werden. Segelflieger sowie Piloten motorisierter Maschinen müssten zudem mindestens drei Landungen in 90 Tagen nachweisen können, um Passagiere befördern zu dürfen.
Zum Start in jede Saison ist es Pflicht für die Segelflieger auf der Gustorfer Höhe, die erste Platzrunde gemeinsam mit einem Fluglehrer zu drehen. Einer der Fluglehrer im Verein ist Werner Gross. Der
Ausbildungsleiter achtet bei den gemeinsamen Flügen vor allem auf die richtige Geschwindigkeit: Die dürfe auch bei der Landung nicht zu gering sein, um ein Herabfallen des Flugzeugs auch aus geringer Höhe zu verhindern. „Kurz vor der Landung über der Grasnarbe ausschweben lassen – so ist es richtig“, erklärt Gross, was es bedeutet, „Fahrt abzubauen“.
Werner Gross hat in den vergangenen Jahren etliche Piloten durch ihre Ausbildung begleitet – in den vergangenen Monaten jedoch vergleichsweise wenige. Das dürfte an der Krise liegen. Und daran, dass sich immer weniger Menschen für das Hobby begeistern lassen. Der Trend ist rückläufig. „Der erste Einschnitt kommt meist mit Abitur und Studium“, weiß Werner Gross. Ein Grund dafür: Das Hobby ist recht zeitintensiv. Wer das Fliegen lernen möchte (das geht im Verein ab 14 Jahren), muss Zeit investieren. Der Aero-Club tut jedoch viel dafür, junge Menschen an das Segelfliegen heranzuführen. Auch gibt es finanzielle Unterstützung. So sind die Kosten für einen Schüler im ersten Jahr auf 365 Euro gedeckelt, sagen Werner Gross und Martin Lonien. Je nach Zahl der Starts würden ansonsten pro Monat um die 60 Euro anfallen.
Die Ausbildungszeit von etwa drei Jahren wirkt auf manche abschreckend, dabei dürfen auch junge Piloten recht schnell alleine fliegen, wie Werner Gross betont. „Wer im Frühjahr anfängt, kann im Herbst alleine fliegen. Nach 40 bis 60 Starts ist das durchaus möglich“, sagt der Ausbildungsleiter. Für die Starts stehen mindestens sechs vereinseigene Flugzeuge bereit, die kurz vor dem Saisonstart auf ihre technische Sicherheit hin geprüft wurden. Mit den Winden auf der Graspiste – eine Elektrowinde hat der Verein kürzlich neu angeschafft – soll eine Beschleunigung von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in zwei bis drei Sekunden möglich sein. „Ähnlich wie in der Formel 1“, sagt Martin Lonien.