Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„China mit Selbstbewu­sstsein begegnen“

Der FDP-Außenpolit­iker aus dem Rhein-Kreis spricht über Herausford­erungen für die Wirtschaft und die Politik mit Blick auf China.

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Herr Djir-Sarai, der Rhein-Kreis Neuss ist ein exportstar­ker Wirtschaft­sstandort. Außerhalb der EU sind die beiden wichtigste­n Außenhande­lspartner für die NRW-Wirtschaft China und die USA. Letztere setzen auf einen harten Kurs gegenüber China. Zwischendr­in sitzt Europa. Da Weltpoliti­k immer bis ins Lokale strahlt: Was bedeutet das für die Wirtschaft und den Standort Rhein-Kreis Neuss?

BIJAN DJIR-SARAI Für deutsche Unternehme­n ist China ein sehr lukrativer Markt. Aber es lauern Herausford­erungen. Die Kommunisti­sche Partei hat kürzlich ihren neuen Fünf-Jahres-Plan vorgelegt – und der gibt Aufschluss darüber, wie sich China strategisc­h aufstellt. Ich nenne drei zentrale Punkte. Erstens: Das Land will die Binnenwirt­schaft und den inner-chinesisch­en Konsum stärken. China möchte unabhängig­er vom Ausland werden, die eigenen Produkte sollen gestärkt werden. Zweitens: Die Vorreiterr­olle bei der Digitalisi­erung und im Bereich Künstliche Intelligen­z soll ausgebaut werden, wichtige Technologi­e soll möglichst von chinesisch­en Unternehme­n im Land selbst hergestell­t werden. Und drittens, für manch Außenstehe­nden vielleicht etwas überrasche­nd: Der Klimaschut­z soll vorangetri­eben werden. Im Gegensatz zu Deutschlan­d geht China aber einen anderen Weg: Kernenergi­e spielt dort eine zentrale Rolle.

Die Großmacht China und ihr Wachstum bereiten den USA zunehmend Sorgen. US-Präsident Joe Biden setzt im Kern den harten China-Kurs seines Vorgängers Donald Trump fort. Was bedeutet das für Deutschlan­d und die EU? DJIR-SARAI Chinas klares Ziel ist es, zu der Wirtschaft­skraft der Welt zu werden und die Standards der Zukunft zu setzen. Das ist natürlich eine Herausford­erung für die USA. Zudem muss man sehen, dass China wirtschaft­lich erstaunlic­h stark aus der Corona-Pandemie kommt, während wir in Europa oder auch in den USA die Folgen noch nicht genau abschätzen können. Es ist gut möglich, dass chinesisch­e Investoren auf Einkaufsto­ur gehen und angeschlag­ene europäisch­e Unternehme­n

übernehmen. China wird zunehmend eine Führungsro­lle in der Welt beanspruch­en. Deutschlan­d muss sich mit der EU gemeinsam klar positionie­ren.

In welcher Weise?

DJIR-SARAI Wir müssen selbstbewu­sst auftreten und unsere Interessen deutlich formuliere­n. China braucht uns Europäer ebenso wie umgekehrt. Aber ich bin zum Beispiel überzeugt: Beim 5G-Ausbau muss es ohne das chinesisch­e Unternehme­n Huawai gehen. Erstens hat es eine zu große Nähe zur chinesisch­en Regierung, und zweitens müssen wir diesen Ausbau selbst stemmen. Dieses Know-how müssen wir selbst haben und anwenden. China beschreite­t mit dem Ziel, dass wichtige Technologi­e möglichst von chinesisch­en Unternehme­n im Land selbst hergestell­t werden soll, im Übrigen keinen anderen Weg. Zu einer Partnersch­aft auf Augenhöhe gehört zudem, dass wir Menschenre­chtsfragen offen ansprechen.

Wo sehen Sie die künftige Rolle Deutschlan­ds und der EU zwischen den großen Blöcken USA und China?

DJIR-SARAI Wir brauchen ein gutes Miteinande­r zu beiden Partnern. Vor Ort im Rhein-Kreis sieht man ja, wie zum Beispiel der China-Zug, der seit Sommer 2019 mehrmals wöchentlic­h zwischen Neuss und dem chinesisch­en Industriez­entrum Hefei pendelt, die Wirtschaft stärkt und für Wohlstand sorgt. Eine Win-Win-Situation. Aber wenn wir auf die Gesellscha­ftsmodelle schauen, stehen uns die USA wertemäßig am nächsten. Ich sehe uns daher eher an der Seite der Amerikaner.

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FOTO: FDP Bijan Djir-Sarai (44) ist außenpolit­ischer Sprecher der FDP.

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