Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Anneli Palmen legt Ratsmandat nieder
Paukenschlag in der Kaarster Kommunalpolitik: Anneli Palmen hört als Fraktionsvorsitzende der SPD auf.
KAARST Diese Nachricht ist eine faustdicke Überraschung: Anneli Palmen, Fraktionsvorsitzende der Kaarster SPD, legt mit sofortiger Wirkung ihr Ratsmandat nieder. Gleichzeitig beendet sie ihre Ausschusstätigkeit. „Ich habe schon länger gespürt, dass sich was ändern muss“, erklärt Palmen im Gespräch mit unserer Redaktion. Nach 27 Jahren sei ihr Entschluss in den vergangenen Wochen und Monaten gereift, die anhaltende Corona-Pandemie kam noch erschwerend hinzu. „Die Politik ist mittlerweile mehr Last als Lust“, so Palmen.
Mit dem schlechten Abschneiden der SPD bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr – die Sozialdemokraten holten nur knapp elf Prozent der Stimmen und sind mit sechs Sitzen im Stadtrat vertreten – habe ihre Entscheidung nichts zu tun, auch wenn der Wahlkampf ihr immer noch „in den Knochen steckt“, wie Palmen zugibt. „Politik war und ist meine Leidenschaft. Aber nach 27 Jahren der Ratszugehörigkeit und 15 Jahren in führenden Positionen innerhalb der Fraktion sind meine Akkus leer. Daher möchte ich meinem Leben einen anderen Schwerpunkt geben“, begründete die 62-Jährige. Sie freut sich darauf, künftig zeitlich weniger fremdbestimmt zu sein und sich stärker ihrer Familie und anderen Leidenschaften wie Sport, Lesen und Wandern widmen zu können.
Mit dem Abgang von Palmen rückt Hildegard Kuhlmeier über die Reserveliste in den Stadtrat nach. Kuhlmeier, die aktuell schulpolitische Sprecherin und Sprecherin im Betriebsausschuss ist, war in der vergangenen Legislatur stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Hildegard Kuhlmeier hat einen sozialdemokratischen Kompass wie kaum eine andere und wird die Fraktion mit ihrer Kompetenz voranbringen“, betont Palmen. Kuhlmeier bedauert den Rückzug ihrer langjährigen Weggefährtin. „Anneli Palmen hinterlässt eine große Lücke. Ich habe aber großes Verständnis für ihre Entscheidung“, sagt sie auf Anfrage unserer Redaktion. Sie selbst hatte ihr Leben nach der Kommunalwahl eigentlich anders geplant und nicht damit gerechnet, dass sie in den Stadtrat nachrücken würde. Auch Anja Weingran, SPD-Ratsfrau und stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Kaarst, ist traurig über Palmens Rückzug. „Mich persönlich hat das sehr berührt“, sagt sie. Aber auch Weingran kann absolut nachvollziehen, dass Palmen nach so vielen Jahren einen Schlussstrich zieht. „Anneli ist eine Institution, sie hat sich immer mit Herzblut und Leidenschaft für die SPD eingesetzt“, so Weingran. Palmen habe ihr versichert, dass sie bei Fragen jederzeit ansprechbar ist. In einer Sondersitzung der SPD am kommenden Montag wird über die Nachfolge von Anneli Palmen gesprochen und ein neuer Fraktionsvorstand gewählt. Durch ihre Erfahrung ist Nachrückerin Kuhlmeier eine mögliche Kandidatin auf den Fraktionsvorsitz, aber auch Anja Weingran hat sich in den vergangenen Jahren innerhalb der SPD profiliert und könnte das Amt übernehmen.
1994 zog Anneli Palmen erstmals über die Reserveliste in den Rat ein. Elf Jahre später übernahm sie den Fraktionsvorsitz. 2009 kandidierte sie für das Bürgermeisteramt. Nach der Wahl wurde Palmen zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt. Seit 2015 leitete sie erneut die SPD-Fraktion. Über die Entwicklung vieler Herzensprojekte zieht sie eine gemischte Bilanz: „Bei den Kitas, die vor 27 Jahren noch eher der Morgenbetreuung dienten, hat neben dem Einsatz vor Ort auch der gesetzlich verankerte Anspruch auf frühkindliche Bildung die Sache vorangebracht“, blickt sie zurück.
Die Gesamtschule sei dank des jahrelangen Einsatzes der SPD inzwischen fester Bestandteil der Kaarster Schullandschaft. „Allein bei bezahlbarem und sozial gefördertem Wohnraum bleiben die seit Jahren bestehenden Defizite bestehen. Der Bedarf ist weiterhin hoch und nicht gedeckt – gerade vor dem Hintergrund der häufig gebrochenen
Erwerbsleben, der Zunahme der Single-Haushalte und der Zuwanderung“, so Palmen: „Ich weiß, dass die SPD auch weiterhin dafür kämpfen wird, damit sich auch eine Erzieherin, Friseurin, Altenpflegerin oder Rentnerin ein Leben und Wohnen in Kaarst leisten kann.“