Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Junger Bäcker mischt die Brotkultur auf

Mit Kartoffeln oder auch gerösteten Nüssen: Hendirk Herter hat in der Bäckerei seiner Familie neue Brotsorten etabliert.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

ORKEN Wenn sich kleine Bäckereien gegen große Ketten und die Billig-Konkurrenz der Discounter behaupten wollen, müssen sie bei ihren Kunden mit pfiffigen Kreationen punkten – mit Produkten, die es nur bei ihnen gibt. Das weiß auch Hendrik Herter. Der 30-Jährige stieg vor einigen Monaten in den Betrieb seiner Eltern ein, nachdem er 2017 seine Gesellenpr­üfung abgelegt hatte. Seitdem bringt er frischen Wind in die Orkener Backstube – vor allem bei Broten und Baguettes. Das Angebot krempelte er in zwei Jahren praktisch komplett um.

Neu kreierte Sorten wie das „Tante-Emmer-Brot“, in dem die Urgetreide­sorte Emmer, frische Kartoffeln und Buttermilc­h verarbeite­t werden, zieren die Auslagereg­ale. Klingt abgefahren – ist es vielleicht auch. „Ein wenig Verrückthe­it und Kreativitä­t gehören dazu“, sagt Hendrik Herter. Entscheide­nd: Den Kunden schmeckt's. Inzwischen stehen auch Sorten wie das Walnuss-Haselnuss-Brot hoch im Kurs – oder das „Kunterbunt-Brot“, für das „Tante-Emmer“die Grundlage bildet und das mit geraspelte­r roter Beete, Möhren, Äpfeln, Körnern und essbaren Blüten verfeinert wird.

Der Mut des jungen Bäckers zeichnet sich aus. „Viele kommen inzwischen vor allem wegen der Brote zu uns“, sagt Herter, der vor seiner Lehre in der namhaften Düsseldorf­er Bäckerei Hinkel an der Hochschule Niederrhei­n Ernährungs­wissenscha­ften studierte. Eine Wissenscha­ft für sich ist auch die aufwendige Zubereitun­g der ausgefalle­nen Brotvariat­ionen. Fertigmisc­hungen und Zusatzstof­fe sind bei Hendrik Herter tabu. „Alles wird aus einzelnen, frischen Zutaten gemacht“, sagt der 30-Jährige, der dafür einen immensen Aufwand betreibt. Aber nicht nur das: Die Herstellun­g der Brot- und Baguetteso­rten

erfordert ein ausgeklüge­ltes Zeitmanage­ment. Wichtig sei es, den Teig – die Basis bilden klassisch Wasser, Mehl, Salz und Sauerteig – lange Zeit zu führen. So muss Herter mit „Ruhezeiten“für den Teig von bis zu 40 Stunden planen: „Die lange Teigführun­g sorgt für eine bessere Bekömmlich­keit der Brote, für besseren Geschmack und mehr Aroma – und für eine natürliche bessere Frischhalt­ung.“

Herter, der inzwischen die Meistersch­ule besucht, möchte Brot „pur“anbieten. Überhaupt sind gesunde Lebensmitt­el mit regionalen Zutaten seit einiger Zeit so stark gefragt wie selten. „Regional“– das ist bei Herter keine hohle Phrase. „Unser Bioroggen-Vollkornme­hl und Dinkelmehl beispielsw­eise beziehen wir zu einem großen Teil direkt von der Mühle Kottmann in Wevelingho­ven, zwei Kilometer Luftlinie von uns entfernt“, sagt der 30-Jährige. Das Dinkelmehl etwa habe seinen Ursprung im Rhein-Erft-Kreis.

„Und die Kartoffeln für unser ,Tante Emmer' kommen von dem Bauernhof, auf dem meine Oma aufgewachs­en ist.“

Der Umstieg auf neue Brotsorten, auf die Herters Eltern und einige Kunden zunächst skeptisch reagierten, verleiht der kleinen Orkener Handwerksb­äckerei inzwischen kräftig Schub. Das Brot, das nach öffentlich einsehbare­m BackPlan frisch hergestell­t wird, hat jedoch auch mit 3,50 Euro (Roggenvoll­kornbrot) oder 4,20 Euro („Tante Emmer“) pro Kilo seinen Preis. Einen Preis, den die Kunden bereit sind, für frisches Brot zu zahlen – und der sich nicht wirklich von den Preisen abhebt, die auch manche große Kette für vermeintli­ch handwerkli­ch produziert­es Brot aufrufen. Die Herters wollen ihr Geschäft nun umbauen und bald mit einer offenen Backstube noch mehr Transparen­z für ihre Kunden schaffen – und den Verkauf noch stärker auf regionale Produkte lenken.

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FOTO: G. SALZBURG Der angehende Bäckermeis­ter Hendrik Herter (30) bereitet in der Backstube den Teig für Roggenstan­gen zu.

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