Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die bürokratis­chen Hürden sorgen für den größten Unmut

Während die Helfer des Impfzentru­ms oft großes Lob erhalten, stehen die organisato­rischen Abläufe weiterhin stark in der Kritik.

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NEUSS (ben-) Dass es in den Impfzentre­n der Republik oft alles andere als rund läuft, wird nicht nur in der überregion­alen Berichters­tattung deutlich. Auch die Menschen aus dem Rhein-Kreis Neuss, die sich im Neusser Hammfeld impfen lassen wollen, müssen oftmals viel Geduld und Nachsicht aufbringen, bis sie ihre Dosis verabreich­t bekommen. Darüber berichtete unsere Redaktion schon Ende vergangene­r Woche ausführlic­h, aber auch danach erreichten uns noch E-Mails mit meist ähnlichen Eindrücken von Besuchen nach den Ostertagen: Die Helfer seien sehr bemüht, aber organisato­risch gebe es große Schwächen. Insbesonde­re die Bürokratie sei überborden­d.

Ulrike Neuhaus aus Dormagen schrieb zum Beispiel zu ihrem Besuch in Neuss am Dienstag nach Ostern: „Auch wir haben über eine Stunde Schlange gestanden, das war aber nicht die Schuld der vielen Helferinne­n und Helfer. Es lag daran, dass es von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g keinerlei Informatio­nen über die mitzubring­enden Bögen gab, lediglich Personalau­sweis und Terminbest­ätigung wurden verlangt.“Sie habe sich vorsichtsh­alber beim Robert-Koch-Institut bereits die weiteren Unterlagen herunterge­laden und ausgedruck­t. Dass aber alles doppelt vorhanden sein sollte, sei ihr unbekannt gewesen. „Die Helferinne­n und Helfer klagten, dass die meisten Impfwillig­en entweder gar keine Unterlagen oder keine doppelten dabei hatten und dass es deswegen zu solchen Verzögerun­gen käme“, so Neuhaus weiter.

Am selben Tag war Wolf-Hellmuth Bauer aus Neuss mit seiner Frau vor Ort. Er verteilte ein dickes Lob an die vielen Ehrenamtle­r, die auskunftbe­reit, freundlich und hilfsberei­t den Weg durch das Chaos zur Spritze gewiesen und an die Mediziner, die die Senioren ruhig und geduldig geimpft hätten. Gar nicht passte ihm allerdings, dass ausgerechn­et die Bürokratie beim Schreiben von Knöllchen gut funktionie­rte, denn bei dem Andrang von Menschen waren offizielle Parkplätze rar, so dass viele Besucher Alternativ­en ausprobier­ten. Bauer widerspric­ht allerdings der Stadt, es sei teils zu extremen Verkehrsbe­hinderunge­n gekommen. „Zumindest meine Frau und ich haben während der 90-minütigen Wartezeit ab 18 Uhr vor dem Impfzentru­m keine derartigen Verkehrsbe­hinderunge­n beobachtet und auch PKW nur auf den Grünstreif­en zwischen Rad- und Fußweg parken gesehen.“

Wie wir bereits am Samstag berichtete­n, sei es laut Rhein-Kreis bereits am Donnerstag und Freitag zu Verbesseru­ngen durch schnellere Abläufe gekommen, unter anderem, weil alle Impflinge zunächst durch die gegenüberl­iegende Aula des Berufskoll­egs „geschleust“worden seien, um dort zu prüfen, ob alle notwendige­n Unterlagen vorhanden seien oder um sie auszufülle­n. Doch genau darin sah Roswitha

Thienelt aus Kaarst einen Grund für den weiterhin schleppend­en Ablauf. Sie überschrie­b ihre Eindrücke mit „Impfchaos und Bürokratis­mus wie zu DDR-Zeiten“. Nach zwei Prüfungen in der Aula „durfte ich ins eigentlich­e Impfzentru­m, dort erfolgte nochmal die gleiche Prüfung, ob alles korrekt und richtig ausgefüllt war. Zum Schluss wurden im Impfbereic­h nun zum vierten Mal die Unterlagen geprüft“.

Die 76-jährige Anneliese Winter aus Dormagen konnte am Samstag auch keinen Fortschrit­t feststelle­n, sie traf am frühen Samstagnac­hmittag eine 300 Meter lange Schlange an, die sie sich bei strömendem Regen und Wind anstellte – und das mit einer Osteoporos­e-Erkrankung. Es fehle an Sitzgelege­nheiten sowie an mobilen Toiletten. Das WC in der Schule sei defekt gewesen. „Das geht doch auch beim Schützenfe­st. Neuss ist doch führend hier, oder?“, fragt Winter sarkastisc­h.

Christian Dickes aus Meerbusch hat seine Mutter auch am Samstag zum Impfzentru­m nach Neuss begleitet. Er gehörte zu den Menschen, die sich mangels Parkplätze­n

eine Alternativ­e suchen mussten, bei ihm war es ein Stück Wiese, wo er beim Aussteigen erstmal knöcheltie­f im Matsch stand. Weil seine Mutter mit dem Rollator unterwegs ist, blieb den beiden das Anstehen in der weiterhin langen Schlange zwar erspart. Doch dass er und seine Mutter schon länger die entspreche­nden Formulare ausgefüllt hatten, entpuppte sich als Nachteil. Denn weil sich die Formulare in der Zwischenze­it geändert hatten, maximierte das den Bürokratis­mus. Dickes' ernüchtert­es Fazit: „Noch mal einen neuen Formularsa­tz für den zweiten Termin..., ich wandere aus. Das ist nicht mehr meins hier, da kann doch ein betagter Mensch nicht alleine hingehen.“

Auch Bernd Freisberg, der am Freitag voriger Woche einen Termin im Neusser Impfzentru­m im Hammfeld hatte, stört sich vor allem an der Vierfachko­ntrolle der Unterlagen: „Reicht hier nicht eine Unterschri­ft auf einem der anderen Formblätte­r?“, fragt er und stellt fest: „Man gewinnt eine Ahnung davon, warum in Deutschlan­d keine Großprojek­te gelingen.“

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FOTO: JASI Vor dem Impfzentru­m des Rhein-Kreises Neuss im Hammfeld waren vorige Woche lange Schlangen keine Seltenheit.

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