Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gespräch unter Erzfeinden
Vier Jahre nach dem Abbruch ihrer diplomatischen Beziehungen nähern sich das verfeindete Saudi-Arabien und der Iran wieder an.
BAGDAD Erstmals seit Jahren haben Vertreter von Saudi-Arabien und dem Iran miteinander gesprochen. Emissäre der beiden Erzfeinde trafen sich auf Initiative der irakischen Regierung vor wenigen Wochen in Bagdad, wie jetzt bestätigt wurde. Die potenzielle Bedeutung der Verhandlungen ist kaum zu überschätzen: Seit mehr als 40 Jahren sind Saudis und Iraner verfeindet, seit fünf Jahren haben sie keine diplomatischen Beziehungen mehr. Eine Wiederannäherung könnte die Kräfteverhältnisse neu sortieren.
Das Treffen in Bagdad habe am 9. April stattgefunden, meldeten die „Financial Times“und mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf irakische und westliche Diplomaten. Der saudische Geheimdienstchef Khalid bin Ali al-Humaidan sprach demnach mit Ali Shamkhani, dem Sekretär des iranischen Sicherheitsrates, über eine Wiederaufnahme der Beziehungen. Konkrete Ergebnisse gab es offenbar nicht – doch allein die Tatsache, dass das Gespräch überhaupt stattfand, ist angesichts der langen Feindschaft eine Sensation.
Initiator des Gesprächs war der irakische Ministerpräsident Mustafa al-Khadimi, ein ehemaliger Geheimdienstler mit vielen Kontakten in der Region. Vor dem Treffen besuchte Kadhimi Saudi-Arabien und dessen wichtigsten Partner, die Vereinigten Arabischen Emirate. Rund zehn Tage nach der Zusammenkunft war es auch Kadhimis Regierung, die Informationen über das vertrauliche Gespräch durchsickern ließ: Der Irak, der seit 2003 Schauplatz regionaler Machtkämpfe ist, könnte von einer Entspannung zwischen Saudis und Iranern profitieren und sich als Vermittler profilieren.
Weder Saudi-Arabien noch der Iran wollen offiziell etwas von dem Treffen wissen: Riad dementierte die Meldungen, während sich Teheran ausweichend äußerte. Beide Regierungen müssen mit einer Wiederannäherung vorsichtig umgehen, denn sie haben ihren Bevölkerungen den jeweils anderen Staat seit Jahrzehnten als Macht des Bösen beschrieben. Seit der iranischen Revolution von 1979 sind die beiden Länder Todfeinde. Der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman konnte sich lange auf die Rückendeckung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump verlassen, der seine Abneigung gegen den Iran teilte. Trump fädelte Friedensschlüsse zwischen Israel und arabischen Staaten ein, um den Iran weiter zu isolieren. Seit Trumps Wahlniederlage weht ein anderer Wind. Nachfolger Joe Biden verhandelt mit dem Iran über Beschränkungen für das Teheraner Atomprogramm und kritisiert den saudischen Krieg im Jemen scharf: Plötzlich droht Kronprinz bin Salman die Isolation.
Seit einigen Monaten bemüht sich Riad deshalb um ein Ende des Jemen-Krieges, auch weil die Huthis immer wieder saudische Ölanlagen und Städte mit iranischen Raketen und Drohnen angreifen. Die saudische Regierung hat sich hinter Bidens Versuch gestellt, mit den Iranern zu reden. Der Iran ist an Kontakten mit den Saudis interessiert, weil er seine internationale Isolation durchbrechen will. Teheran wird in der Region von vielen Ländern als gefährlicher und machthungriger Störenfried gesehen; der Handel zwischen dem Iran und den arabischen Staaten ist in den vergangenen Jahren eingebrochen.
Auch wenn beide Seiten zu Gesprächen bereit sind, gibt es Hürden wie etwa die Ereignisse des Jahres 2016: Damals stürmten iranische Demonstranten die saudische Botschaft in Teheran, nachdem Saudi-Arabien einen angesehenen schiitischen Geistlichen hinrichten ließ. Riad brach die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Beide Länder werden jetzt das Treffen von Bagdad auswerten und entscheiden, ob und wie es weitergehen soll. Stoff für Verhandlungen gäbe es genug: Am Dienstag fing die saudische Luftabwehr wieder eine mit Sprengstoff beladene Drohne der Huthis ab.