Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Test-Dilemma bei den Abiturprüfungen
Am Freitag schreiben die Abiturienten im Fach Englisch ihre erste von drei Abschlussklausuren. Es gilt eine Masken-, im Gegensatz zum gewöhnlichen Unterricht aber keine Testpflicht – mit Auswirkungen für Schüler und Schulen.
NEUSS Wenn Ende der Woche die Abiturprüfungen beginnen, dann können sich die Abiturienten entscheiden: Vorher testen oder ohne Test kommen. Eine Testpflicht, wie sie aktuell für den Unterricht gilt, gibt es bei den Abschlussklausuren nicht.
„Das ist natürlich schon skurril“, sagt Schulleiter Tilmann Latzel vom Gymnasium Marienberg. „Wir müssen die Getesteten und die Ungetesteten getrennt voneinander ihre Prüfungen schreiben lassen.“Die Neusser Schulen sind gerade dabei, bei ihren Abschlussklassen abzufragen, wie das Stimmungsbild hinsichtlich der Testungen ist. „Wir stigmatisieren natürlich niemanden“, betont Latzel. Die meisten Schüler wollen sich aber ohnehin testen, so der Tenor. Doch auch wenn sich nur eine Handvoll gegen die Tests entscheiden würde, bedeutet das, sie wie eine eigene Klasse behandeln und Prüfungsbedingungen ermöglichen zu müssen. „Wir befinden uns in etwas unruhigem Fahrwasser“, sagt Achim Fischer, Schulleiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule, „es braucht ja auch Kollegen, die einen Raum voller Ungetesteter freiwillig beaufsichtigen“.
An Fischers Schule schreiben die Getesteten der 60 Abiturienten gemeinsam ihre Prüfungen in der Aula, die sei geräumig und könne gut durchlüftet werden, sagt der Schulleiter: „Die Prüfungen sind etwas Besonderes. Ich denke, es ist wichtig für die Abiturienten, sie als Gemeinschaft zu bewältigen.“Am Humboldt-Gymnasium und am Gymnasium Marienberg sollen dagegen auch die Getesteten auf mehrere Klassenräume verteilt werden, damit im Falle einer Infektion sich nicht viele Mitschüler anstecken können. Beide Schulen haben fast doppelt so viele Abiturienten wie die Gesamtschule. „In anderen Jahren haben wir unsere Turnhalle genutzt, nun bedeuten mehr Räume mehr
Aufsichtspersonen, aber auch mehr Sicherheit“, sagt Schulleiter Markus Wölke vom Humboldt-Gymnasium.
Abgesehen vom organisatorischen Aufwand für die Schulen stehen vor allem die Abiturienten vor einem großen Dilemma, denn es gibt auch gute Gründe, sich nicht zu testen: Sollten Jugendliche zwar symptomlos sein, aber positiv getestet werden, dann dürfen sie nicht an den Prüfungen teilnehmen und müssen einen späteren Termin wahrnehmen. Diese Nachschreibeklausuren sind aber in der Regel deutlich schwerer als die eigentlichen Prüfungen.
Und dann gibt es da noch dieses Kuriosum: Für die Englischprüfung am Freitag erscheinen fast alle Abiturienten
getestet, weil sie in den neun Tagen nach den Osterferien in den Klassenräumen noch mal intensiv auf die Prüfungen vorbereitet werden. Der obligatorische Unterricht-Selbsttest ist 48 Stunden und damit auch für die erste Klausur gültig, nicht aber für die Prüfungen, die nächste Woche folgen. Ab dann muss entweder ein negatives Ergebnis von einer der Teststellen mitgebracht oder an den Schulen ein neuer Selbsttest gemacht werden – beides ist dann aber freiwillig.
Ob mit oder ohne Test müssen die Abiturienten während der gesamten Prüfungszeit von über vier Stunden Masken tragen. Nur, um kurz etwas zu essen oder zu trinken, dürfen sie abgesetzt werden. „Das ist nicht so einfach für die Schüler“, sagt Wölke. Damit sie nicht ständig auf die Toilette gehen, hat der Schulleiter sich etwas überlegt: „Sie dürfen zwischendurch unter Aufsicht auf den Gang, um Luft zu schnappen.“
Die Prüfungen sind angesichts von Monaten des Unterrichts über Videoplattformen entzerrt worden. So gibt es diesmal in vielen Fächern vier statt drei Wahlmöglichkeiten bei den Aufgaben. Von den Schülern sei beim Lernen mehr Selbstorganisation und Disziplin gefordert gewesen als vor der Pandemie, sagt Wölke. „Was zu kurz kam, waren die Lerngruppen, einige haben sich aber in den Osterferien draußen getroffen.“Fürs Studium scheinen die Abiturienten jedenfalls gewappnet.