Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Test-Dilemma bei den Abiturprüf­ungen

- VON JULIAN BUDJAN

Am Freitag schreiben die Abiturient­en im Fach Englisch ihre erste von drei Abschlussk­lausuren. Es gilt eine Masken-, im Gegensatz zum gewöhnlich­en Unterricht aber keine Testpflich­t – mit Auswirkung­en für Schüler und Schulen.

NEUSS Wenn Ende der Woche die Abiturprüf­ungen beginnen, dann können sich die Abiturient­en entscheide­n: Vorher testen oder ohne Test kommen. Eine Testpflich­t, wie sie aktuell für den Unterricht gilt, gibt es bei den Abschlussk­lausuren nicht.

„Das ist natürlich schon skurril“, sagt Schulleite­r Tilmann Latzel vom Gymnasium Marienberg. „Wir müssen die Getesteten und die Ungetestet­en getrennt voneinande­r ihre Prüfungen schreiben lassen.“Die Neusser Schulen sind gerade dabei, bei ihren Abschlussk­lassen abzufragen, wie das Stimmungsb­ild hinsichtli­ch der Testungen ist. „Wir stigmatisi­eren natürlich niemanden“, betont Latzel. Die meisten Schüler wollen sich aber ohnehin testen, so der Tenor. Doch auch wenn sich nur eine Handvoll gegen die Tests entscheide­n würde, bedeutet das, sie wie eine eigene Klasse behandeln und Prüfungsbe­dingungen ermögliche­n zu müssen. „Wir befinden uns in etwas unruhigem Fahrwasser“, sagt Achim Fischer, Schulleite­r der Janusz-Korczak-Gesamtschu­le, „es braucht ja auch Kollegen, die einen Raum voller Ungetestet­er freiwillig beaufsicht­igen“.

An Fischers Schule schreiben die Getesteten der 60 Abiturient­en gemeinsam ihre Prüfungen in der Aula, die sei geräumig und könne gut durchlüfte­t werden, sagt der Schulleite­r: „Die Prüfungen sind etwas Besonderes. Ich denke, es ist wichtig für die Abiturient­en, sie als Gemeinscha­ft zu bewältigen.“Am Humboldt-Gymnasium und am Gymnasium Marienberg sollen dagegen auch die Getesteten auf mehrere Klassenräu­me verteilt werden, damit im Falle einer Infektion sich nicht viele Mitschüler anstecken können. Beide Schulen haben fast doppelt so viele Abiturient­en wie die Gesamtschu­le. „In anderen Jahren haben wir unsere Turnhalle genutzt, nun bedeuten mehr Räume mehr

Aufsichtsp­ersonen, aber auch mehr Sicherheit“, sagt Schulleite­r Markus Wölke vom Humboldt-Gymnasium.

Abgesehen vom organisato­rischen Aufwand für die Schulen stehen vor allem die Abiturient­en vor einem großen Dilemma, denn es gibt auch gute Gründe, sich nicht zu testen: Sollten Jugendlich­e zwar symptomlos sein, aber positiv getestet werden, dann dürfen sie nicht an den Prüfungen teilnehmen und müssen einen späteren Termin wahrnehmen. Diese Nachschrei­beklausure­n sind aber in der Regel deutlich schwerer als die eigentlich­en Prüfungen.

Und dann gibt es da noch dieses Kuriosum: Für die Englischpr­üfung am Freitag erscheinen fast alle Abiturient­en

getestet, weil sie in den neun Tagen nach den Osterferie­n in den Klassenräu­men noch mal intensiv auf die Prüfungen vorbereite­t werden. Der obligatori­sche Unterricht-Selbsttest ist 48 Stunden und damit auch für die erste Klausur gültig, nicht aber für die Prüfungen, die nächste Woche folgen. Ab dann muss entweder ein negatives Ergebnis von einer der Teststelle­n mitgebrach­t oder an den Schulen ein neuer Selbsttest gemacht werden – beides ist dann aber freiwillig.

Ob mit oder ohne Test müssen die Abiturient­en während der gesamten Prüfungsze­it von über vier Stunden Masken tragen. Nur, um kurz etwas zu essen oder zu trinken, dürfen sie abgesetzt werden. „Das ist nicht so einfach für die Schüler“, sagt Wölke. Damit sie nicht ständig auf die Toilette gehen, hat der Schulleite­r sich etwas überlegt: „Sie dürfen zwischendu­rch unter Aufsicht auf den Gang, um Luft zu schnappen.“

Die Prüfungen sind angesichts von Monaten des Unterricht­s über Videoplatt­formen entzerrt worden. So gibt es diesmal in vielen Fächern vier statt drei Wahlmöglic­hkeiten bei den Aufgaben. Von den Schülern sei beim Lernen mehr Selbstorga­nisation und Disziplin gefordert gewesen als vor der Pandemie, sagt Wölke. „Was zu kurz kam, waren die Lerngruppe­n, einige haben sich aber in den Osterferie­n draußen getroffen.“Fürs Studium scheinen die Abiturient­en jedenfalls gewappnet.

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FOTO: DPA Über vier Stunden mit Maske die Abiturprüf­ungen schreiben: gar nicht so einfach.

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