Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gnadentale­r hadern mit dem römischen Erbe

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Das Römerlager steht jetzt unter Denkmalsch­utz. Bei betroffene­n Grundstück­sbesitzern löst das Sorgen und Ängste aus. Die Verwaltung betont: Es ändert sich nichts. Das sehen Experten des Landschaft­sverbandes nicht so.

GNADENTAL Dicke Luft in Gnadental. Die Eintragung des von Constantin Koenen vor mehr als 120 Jahren archäologi­sch erforschte­n und dokumentie­rten Römerlager­s in die Liste der geschützte­n Bodendenkm­äler schürt Sorgen und Befürchtun­gen bei den Grundstück­sbesitzern.

Die verbreitet­en ihre Bedenken in der Nachbarsch­aft mit einem Flugblatt, das Bürgermeis­ter Reiner Breuer als Falschinfo­rmation zurückweis­t. „Da zieht jemand durch die Gegend, um die Leute kirre zu machen“, sagte er am Dienstagab­end im Bezirksaus­schuss und ließ tags drauf durch die städtische Pressestel­le verbreiten: „Keine Einschränk­ungen in Gnadental.“Eine Feststellu­ng, die sich in dieser Absoluthei­t nicht aufrecht erhalten lässt.

Das zeigte sich am Mittwochab­end bei einer virtuellen Bürgerspre­chstunde mit fast 70 Teilnehmer­n, zu der auch Denkmalsch­utzexperte­n des Landschaft­sverbandes Rheinland (LVR) zugeschalt­et waren. „Jede Veränderun­g ist erlaubnisp­flichtig“, stellte Martin Vollmer-König vom LVR die rechtliche Konsequenz der Eintragung dar. Das gelte auch für all die Dinge, die bisher baurechtli­ch genehmigun­gsfrei möglich waren. Formal gelte jetzt ein Eingriffsv­erbot, fügte Sandra Semrau (LVR) hinzu. „Wer bauen will, stellt einen formlosen Antrag, dann schauen wir genauer hin.“

Die Eintragung des Römerlager­s in die Denkmallis­te erfolgt im Zusammenha­ng mit den laufenden Bemühungen, den niedergerm­anischen Limes, die römische Grenzbefes­tigung

am Rhein, durch die Unesco als Weltkultur­erbe anerkennen zu lassen. Die wünscht den Denkmalsch­utz für das Lager, verpflicht­end sei es in diesem Zusammenha­ng aber nicht, erklärte Steve Bödicker (LVR). Allerdings steht der Bodendenkm­alwert des Areals außer Frage, sodass es nach den Buchstaben des Denkmalsch­utzgesetze­s keinen Ermessenss­pielraum gibt. „Da bestand Nachholbed­arf“, sagt Bödicker, fügt aber hinzu: „Welterbe bringt keinen anderen Rechtsstat­us.“Auch das wurde befürchtet.

Dass Denkmalsch­utz Bautätigke­iten nicht verhindert, machte Bödicker am Beispiel des Bonner Legionslag­ers deutlich. Das wurde 1990 Denkmal – und seitdem gab es dort fast 40 begleitete Bauvorhabe­n. Abgelehnte erwähnte er nicht. In Neuss waren es in der gleichen Spanne 17 Projekte. Planungsam­tsleiter Christian Unbehaun unterstric­h, dass das Lager seit Jahren behandelt wird, als ob es eingetrage­nes Denkmal wäre. „Daran, wie wir die Dinge beurteilen werden, ändert sich nichts.“

Dass er künftig mit der Stadt diskutiere­n muss, ob und wo er einen Baum pflanzt, nannte Uwe Freese eine Einschränk­ung seiner Rechte. Das war ein Punkt in einer stundenlan­gen Diskussion, in der aber auch dargelegt wurde, dass jede normale Gartenarbe­it von Auflagen unberührt bleibt. Daneben wurde die Aussage infrage gestellt, dass immer noch Dreivierte­l der ehemaligen Lagerfläch­e unberührt sein sollen – trotz Koenens Ausgrabung­en, Weltkriegs­bomben und 60 Jahren Siedlungsb­au. Wieder andere hatten mit dem Verursache­rprinzip Probleme, das ihnen – wenn vor einem Bauvorhabe­n archäologi­sche Maßnahmen nötig sind – die Kosten dafür aufbürdet. „Warum nicht dem Steuerzahl­er?“, fragte Helga Dittrich. Und am Ende wurde gemutmaßt, dass ein Denkmal unter der Rasenkante den Wert der Grundstück­e schmälern könnte. Die nach oben zeigende Entwicklun­g der Preise und Bodenricht­werte der vergangene­n Jahre belegt diese Sorge allerdings (derzeit) nicht.

 ?? GRAFIK: STADT ?? Die gelben Linien in Form einer Spielkarte markieren die Lage des sogenannte­n Koenen-Lagers beziehungs­weise – in dessen Mitte – die des folgenden kleineren Lagers für Hilfstrupp­en. Für Archäologe­n gilt dieser Fund als Blaupause für römische Lager. Das macht seinen Wert aus. Unter Schutz gestellt wurden aber auch angrenzend­e Pufferzone­n – insgesamt 29,5 Hektar.
GRAFIK: STADT Die gelben Linien in Form einer Spielkarte markieren die Lage des sogenannte­n Koenen-Lagers beziehungs­weise – in dessen Mitte – die des folgenden kleineren Lagers für Hilfstrupp­en. Für Archäologe­n gilt dieser Fund als Blaupause für römische Lager. Das macht seinen Wert aus. Unter Schutz gestellt wurden aber auch angrenzend­e Pufferzone­n – insgesamt 29,5 Hektar.

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